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Hallo SL Gramman,
schön von dir zu lesen. ich schätze deine Einschätzungen sehr und denke, dass wir in vielen Punkten sogar ähnlicher Meinung bin.

Was mich an der ganzen Debatte stört, ist die Unehrlichkeit, mit der Sie geführt wird. Der Peak der globalen Ölförderung ist längst da! Wir sind mitten drin, nur wird das bisher kaum öffentlich diskutiert. Der genaue Zeitpunkt ist ohnehin fast unerheblich, vor allem weil die Datenlage immer noch haarsträubend ist! Aber im WEO 2012 steht ja immerhin:

"Oil production, net of processing gains, is projected to rise from 84 mb/d in 2011 to 97 mb/d in 2035, the increase coming entirely from natural gas liquids and unconventional sources. Output of crude oil (excluding light tight oil) fluctuates between 65 mb/d and 69 mb/d, never quite reaching the historic peak of 70 mb/d in 2008 and falling by 3 mb/d between 2011 and 2035!

Nur in der deutschen Presse ist dieser Satz leider komplett untergegangen!

Wenn man sich die Daten bei der Joint Organisations Data Initiative (JODI) anschaut, bei der auch die IEA Mitglied ist, dann sieht das Bild schon eindeutiger aus. JODI weist nur Crude Oil und Liquified petroleum gases aus. Alle anderen Daten bei JODI sind Raffinerieprodukte. Die Daten sind erst ab Januar 2002 verfügbar. Das Problem an den JODI Daten ist, das es nur schwer nachzuvollziehen ist, ob sie vollständig sind, oder ob nicht beispielsweise kleinere Länder schlicht keine Daten melden. Da wir das bei den IEA und EIA Daten auch nicht wissen, kann ich damit leben.
Hier die Daten Von JODI von Jan 2002 bis August 2012:

Und hier das Ganze als Zoom, bei dem die y-Achse bei 50 Mio. Fass beginnt.

Hier sieht man sehr deutlich einen Peak im Juli 2008! Der Rückgang beträgt bis Mitte 2012 immerhin rund 10%!

Hier die JODI Daten:
http://www.jodidata.org/database/access-database.aspx

Lass mich noch ein paar Worte zum Tight Oil Boom in den USA verlieren. Ich habe auf Basis des Baker Hughes Rig Count und den von der EIA bzw. North Dakota department of mineral ressources veröffentlichten Daten (wie z.B. den durchschnittlichen Decline Raten der Bohrungen) ein Excel-Tool gebaut.
Die depletion curve sieht in etwa so aus, wobei ich Anpassungen dahingehend vorgenommen habe, das in meinem Modell die Förderrate im 2. Jahr etwas niedriger als in hat in Kombination mit den Bohrdaten, viel höhere Fördermengen ergeben hat, als sich in Realität zeigen. Mit folgender depletion curve passen die Daten in etwa zusammen!

Ausgehend von der Maugerie Studie, der für North Dakota permament 200 Bohranlagen bis 2020 voraussagt, komme ich für den North Dakota Teil der Bakken Shales zu folgendem Ergebnis:

Jede Farbe zeigt die Addition der Förderung, der im selben Jahr fertiggestellten Bohrungen. Man sieht sehr schön, wie sich die steilen Declineraten durchpausen, und die Gesamtförderdung solange steigt, wie der Zuwachs durch die neuen Bohrungen größer ist, als der Gesamt-Decline der Älteren. Unter der Kurve befinden sich immerhin 12,1 Mrd. Fass, was rund 3 mal mehr ist, als der USGS 2008 für technisch förderbar hielt! Hier ist also schon eine Menge Erkenntnisgewinn in technologischer und geologischer Hinsicht einbezogen! Der Peak würde denmach bei rund 1,65 Mio Fass pro Tag im Jahr 2022 liegen.
Ok, das waren nur die Bakken Shales. Es gibt noch weitere interessante Plays, wie z.B. die Eagle Ford Shales (Texas), das Permian Basin (Texas und New Mexico) sowie die Niobrara Shales (Wyoming, Colorado und Utah) um die wichtigsten zu nennen. Wenn alles perfekt läuft, dann können die Amerikaner aus ihrem Boden in der Spitze nochmal 4 Mio. Fass pro Tag fördern, und das für etwa 1 Jahrzehnt! Nimm noch 10 Jahre Ramp up und 10 Jahre Decline dazu! Das ist in etwa so, als hätten die USA innerhalb ihres Landes eine „Nordsee“ gefunden!

Aber: Rund 4 Mio. Fass müssen jedes Jahr ersetzt werden, denn so groß ist der globale Förderrückgang der konv. Ölfelder im Schnitt pro Jahr.

Dazu schriebt die IEA im WEO 2012:

Crude oil output from those fields that were in production in 2011 falls by close to two-thirds, to only 26 mb/d by 2035. Thus, the projected production of 65 mb/d in 2035 requires almost 40 mb/d of new capacity to be added over the projection period


Ein Jahr „Decline“ lässt sich also durch die „Drilling Orgie“, die alleine in den Bakken Shales 25.000 neue Bohrungen bis 2030 benötigt, kompensieren!
Bis 2035 sind also rund 25 "Bakkens" nötig...
Aber: Ich bin gespannt auf die ersten Untersuchungen bzgl. des EROEI von Tight Oil. Bei Shale Gas liegt der EROEI laut Heinberg bei 5! Da die recovery Raten naturgemäß beim Öl niedriger sind, als bei Gas, die Energiedichte aber größer ist, wird der EROEI wahrscheinlich in einer ähnlichen Größenordnung liegen! Also "Netto" bringt diese Drill-Orgie noch viel weniger, als es zunächst von Außen scheint!
Viel wichtiger als der Hype ums Fracking sind die Methoden, in den riesigen alten Feldern die recovery Rate zu erhöhen. 5% mehr in Ghawar bringt dir fast so viel Öl wie die gesamten Bakken Shales! Das wird aber nur dazu führen, das Plateau zu halten, da fast alle idese felder ihren Peak lange hinter sich haben! Die Mengenausweitung kann also nur noch aus den unkonv. kommen. Und dazu darf der Preis nie wieder deutlich fallen. Ein Jahr ohne neue Bohrungen in den Bakken Shales und die Produktion fällt in sich zusammen!

Also ohne "drill baby, drill" sieht es ganz schnell finster aus.

Leider gibt es keine wirkliche, öffentliche Debatte zu diesem Thema. Und das ist die eigentliche Tragödie! Denn in einer konzertierten Aktion ließe sich wirklich einiges erreichen. Eine ähnliche Vehemenz, wie wir sie bei der Energiewende in Deutschland sehen, wäre auf globaler Ebene notwendig, um vom Öl einigermaßen wegzukommen. Aber danach sieht es leider nicht aus!

Viele Grüße

smiths74
 
aus der Diskussion: Peak Oil und die Folgen
Autor (Datum des Eintrages): smiths74  (15.12.12 20:10:19)
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