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#1 von Redaktion WO [W:O] 17.09.01 13:21:41 4437081 THIEL LOGISTIK AG

Thiel Logistik gehört zu den Stars am Neuen Markt. Unternehmenschef Günter Thiel hat ehrgeizige Ziele. Er will vor allem im Bereich HealthCare hoch hinaus. Weitere Zukäufe sind geplant. Der Traum von Thiel ist ein Nemax20-Index, mit Thiel als einem der führenden Unternehmen.
? Bei ihrem Namen Thiel Logistik kann zunächst ein wenig Verwirrung aufkommen. Logistik verbindet man nicht unbedingt mit Software, sondern oft mit Fracht und mit Transport. Wie oft war das ein Nachteil für Sie?

Thiel Also der Nachteil bestand, wenn überhaupt, nur unmittelbar nach dem Börsengang und dann haben eigentlich alle Investoren verstanden, was wir tun. Nicht immer sehr schnell, weil wir ein sehr komplexes Logistikhaus sind. Insgesamt betrachtet ist aber der Bereich Fracht und Transport in der Logistik immer überbewertet worden. An allen entstehenden Logistikkosten eines großen Industrieunternehmens macht die Fracht von Waren letztlich nur 15 Prozent Kostenanteil aus. Das andere sind Organisationsfragen, Qualitätsfragen und Inhouselogistikfragen. Wir sind allerdings auch nicht ausschließlich ein IT- und Softwarehaus, sondern wir sind von allem etwas. Und hier liegt sicherlich das Problem. Es in einem Satz zu beschreiben, ist leider Gottes nicht möglich.

? Ist es ein Vorteil, von allem etwas zu sein?

Thiel Ja, ganz sicher. Der Vorteil kommt heute im Grunde genommen sehr viel deutlicher zu Tage. Wir sind natürlich ein Organisator, ein Manager, wir sind auch ein Softwarehaus, aber das alles nutzen wir, um Prozesse zu optimieren. Die gute Planbarkeit des Unternehmens in die Zukunft und seine Profitabilität hat natürlich auch etwas mit unserem Brot- und Buttergeschäft zu tun, nämlich mit der Prozessgestaltung, mit Warehousing oder mit Umsetzungsverträgen im Bereich HealthCare-Logistik, wo Kliniken uns über viele Jahre hinweg den Auftrag geben, ihre Logistik nicht nur zu optimieren, sondern dann auch auf einem optimalen Niveau fortzuführen.

? Thiel ist nicht so abgestraft worden wie einige andere Konkurrenten, aber kriegen Sie diese Krise auch mit, in die andere Mitkonkurrenten gestürzt sind?

Thiel Ja, natürlich sind wir mit dem heutigen Kurs keineswegs zufrieden und trotzdem können und dürfen wir nicht unzufrieden sein. Vor rund 18 Monaten waren wir im Nemax All Share irgendwo auf Platz 70 oder 80, nach sechs Monaten waren wir im Nemax 50 und wir sind heute dort auf Platz 6 in der Börsenkapitalisierung. Also können wir nicht sagen, dass wir unzufrieden sind. Mit dem Kurs sind wir natürlich nicht zufrieden, denn vor 18 Monaten haben wir für 2001 350 Mio. Euro Umsatz in der Planung gehabt und ein Ebit von 20 Mio. Euro. Heute haben wir in der Planung 830 Mio. Euro Umsatz, den wir sicher übertreffen werden und 66 Mio. Euro Ebit. Insofern spiegelt die Kursentwicklung nicht die gute Entwicklung des Unternehmens wieder und deswegen können wir mit der Kursentwicklung auch nicht zufrieden sein. Ich glaube, insgesamt haben wir eine sehr gute Geschäftspolitik betrieben. Dies drückt sich nicht nur in den GuV-Daten, sondern auch in den Bilanzdaten aus. Und wenn wir uns da mit anderen vergleichen, selbst bei einer vollen Amortisation des Goodwills, würde in der Bilanzsumme 26 Prozent Eigenkapital überbleiben und das zeigt, dass wir nie der Versuchung erlegen sind, Masse statt Qualität zu kaufen. Das ist uns ganz gut gelungen, auch in dem Umfange, dass wir durch die Qualitätszukäufe auch Management haben, die das heutige organische Wachstum meistern und für 2002 und 2003 haben wir jährlich 300 Mio. Euro organisches Wachstum. Das wird mit dem Management gemeistert und ich glaube, das ist unsere Stärke, das Management.

? Sie haben gesagt, dass Sie mit dem aktuellen Kurs nicht zufrieden sind. Im Moment liegt er etwa bei 14,90 Euro. Was wäre Ihrer Meinung nach ein fairer Kurs?

Thiel Ich überlasse die Bewertung eines faireren Kurses ganz gerne den Analysten. Auch das ist natürlich ein Berufszweig, der nicht ganz unverschont geblieben ist von der Marktentwicklung. Der größte Teil der Analysten sagt, eine Thiel-Aktie wäre mit 30 bis 40 Euro fair bewertet im heutigen Marktumfeld. Das kann ich akzeptieren, damit würden wir uns auch nicht so ganz unwohl fühlen. Ich bin der Ansicht, in einem intakten Marktumfeld hat Thiel noch lange nicht Höchstkurse gesehen, die sollten wir noch vor uns haben. Jetzt fragen Sie mich bitte nicht, wann das Marktumfeld intakt ist.

? Wenn Sie 30 bis 40 Euro akzeptieren, wo sind Sie dann zufrieden?

Thiel Also, alle unsere Erwartungen oder das was wir für dieses Jahr erfüllen, hatten wir bei bisherigen Höchstwerten, die etwas über 50 Euro gelegen haben, deutlich niedriger angesiedelt, d.h. wir haben mehr versprochen aber deutlich mehr auch noch gehalten als was wir versprochen haben. Dass was wir aktuell versprochen haben für dieses Jahr ist sicher, dass wir es in Teilbereichen halten und in anderen Teilbereichen sogar deutlich übertreffen werden. Wir sind nach wie vor auf einem stabilen Wachstumspfad, den werden wir auch nicht verlassen, wir werden konsequent an unserer Marktposition arbeiten, an der Umsatzentwicklung, an der Ertragskraft des Unternehmens. Da sind wir auf einem sehr, sehr guten Weg.

? Sie sagten, dass Sie Ihre Versprechungen teilweise überbieten werden, in welchen Bereichen wird das sein?

Thiel Also es wird ganz sicherlich in der Gesamtumsatzentwicklung sein, es wird ganz sicherlich sein im Bereich HealthCare, da ist sicher, dass wir durch neues Personal die Geschwindigkeit, in der wir die Logistik von Gesundheitseinrichtung übernehmen, erhöhen können und es ist auch sicher, dass wir unsere Plan- und unsere Ertragszahlen und Umsatzzahlen in diesem Bereich übertreffen werden.

? Wo werden dann nach Ihren bisherigen Schätzungen die Umsatzzahlen liegen? 830 Mio. Euro sind zu wenig, was wird dann kommen?

Thiel Wir haben bisher uns nicht geäußert, was diese Zahl anbelangt, das werden wir auch jetzt nicht tun, wir werden immer nur eine Jahresplanung präsentieren. Analysten schätzen uns hier in einem Bereich ein, dass der Umsatz bei über 900 Mio. Euro liegen wird. Wir haben diesen Zahlen nicht widersprochen.

? Ein Bereich ist bei Ihnen etwas unterwickelt, und zwar der Bereich IT/E-Commerce, da machen sie nur etwa 1,2 Prozent des Ebit. Es könnte eine berechtigte Frage sein, ob Sie diesen Bereich irgendwann schließen werden, wenn es sich nicht lohnt, ihn aufrecht zu erhalten.

Thiel Das sieht nur auf den ersten Blick so aus, denn IT/E-Commerce zeigt nur die externen Umsätze, d.h. das, was wir mit Drittkunden an Geschäft generieren, aber nicht die IT-Leistung des Unternehmens. Denn in allen Bereichen des Unternehmens sind natürlich elementare Bestandteile IT. Alleine im HealthCare Bereich können sie davon ausgehen, dass etwa 15 Prozent der Leistungen IT und E-Commerce sind. Insofern muss man das natürlich relativieren. Eine Größenordnung von ungefähr 4 Prozent am Gesamtumsatz rechnet nicht die Aufrechterhaltung einer eigenen Business Unit. Wenn wir noch zwei Quartale einen IT-Umsatz in dieser Größenordnung nur generieren, dann werden wir sicherlich in 2002 das Segment als solches nicht mehr ausweisen.

? Der Health Care Bereich wird immer stärker. Dort haben Sie mehrere Zukäufe getätigt. Wie wird die nahe, wie wird die mittelfristige Zukunft aussehen? Gibt es dort weitere Akquisitionen oder wollen Sie das Ganze zunächst einmal sich setzen lassen?

Thiel Also in diesem Bereich haben wir Zukäufe im Grunde genommen nur auf der Kompetenzseite gemacht aber nicht auf der Umsatzseite. Wir können heute sagen, nahezu 100 Prozent des Wachstums ist organisches Wachstum. Wir werden natürlich in diesen Bereich investieren, wir werden in der Pharmalogistik einiges tun müssen, denn wir müssen ein Paket anbieten, nicht nur Medikalprodukte und Organisation und Management in Krankenhäusern umfasst. Wir sind heute mittlerweile gut positioniert im deutschsprachigen Raum. Wir haben aber gerade im HealthCare Bereich Anfragen aus ganz Europa, auf das wir uns zuerst einmal fokussieren, aber genauso auch Fragen aus Übersee. Dazu brauchen wir neues Management. Managementteams können sie nicht auf normalem Wege gewinnen, die können sie immer nur akquirieren, und hier sind wir natürlich in der Prüfung und auf der Suche nach Managementteams, die auch zu uns passen. Und dann haben wir auch kein Problem damit, wenn die noch ein bisschen Geschäft mitbringen.

? Wann stehen dann da also die nächsten Aufkäufe an?

Thiel Wir können akquirieren, wir wollen akquirieren, wir müssen es aber nicht, wir haben hervorragendes organisches Wachstum. Wer so stark wächst wie wir, der kann es sehr viel gelassener angehen. Wir sind zur Zeit in guten Prüfungen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir zum Jahresende mit zwei oder drei mittleren Akquisitionen fertig sein werden.

? Sie haben sich an medicforma mit einer 5prozentigen Beteiligung eingekauft. Da sind auch andere interessante Partner im Boot, sei es Bertelsmann, sei es Commerce One, sei es ThyssenKrupp. Welche Chancen bieten sich bei Ihnen durch diese Beteiligung?

Thiel Mit Bertelsmann haben wir hier ein Unternehmen der Old Economy, das es wie kein anderes verstanden hat, die New Economy für eigene Zwecke zu nutzen. Mit ThyssenKrupp natürlich ein Unternehmen, das sich ebenfalls aus einem traditionellen Geschäftsfeld, der Stahlindustrie, zu einem modernen Dienstleister entwickelt, die auch deutlich mehr als 200 Gesundheitseinrichtungen unter Vertrag haben, wo ThyssenKrupp die gesamte IT-Lösung bietet. Das bietet Chancen, denn all diese Unternehmen brauchen Logistik.

? Heißt es, dass sich durch diese Beteiligung bei medicforma neue Geschäftsbeziehungen ergeben können?

Thiel Ganz sicherlich ja. Zum jetzigen Zeitpunkt aber nichts, worüber wir schon sprechen wollen. Die Dinge liegen aber auf der Hand, die sind logisch. Für uns ist es eine strategische Beteiligung, die hilft allen Beteiligten. Sie hilft aber auch uns auf der Schiene der Krankenhausverträge. Nicht nur, dass wir keine eigene E-Procurement-Plattform fürs Gesundheitswesen zu entwickeln brauchen. Die Entwicklungskosten liegen da immerhin bei 25 bis 35 Mio. DM, das können wir uns sparen. Zum anderen werden wir aber auch mit unseren ITlern in unseren Häusern die E-Procurement-Plattform installieren.

? Sie sind in Deutschland, der Schweiz und Österreich sehr stark vertreten, haben auch viele Niederlassungen in Zentral- und Osteuropa, den Westen von Europa haben Sie bisher aber noch kaum für sich entdeckt.

Thiel In Frankreich und Italien müssen wir etwas tun. Hier sind wir auch in Gesprächen. England ist ein schwieriger Markt. Dort muss man sehr viel genauer prüfen, deswegen wird ein solcher Prozess noch etwas länger dauern. Die Briten haben horrende Kaufpreisvorstellungen, die vielleicht aus einer anderen Börsenzeit noch herrühren. Da müssen sie erst mal auf ein vernünftiges Niveau zurückkommen. Das ist heute nicht der Fall.

? Was sagen Ihre Hauptanteilseigner zu Ihrer Arbeit? Unterstützen sie Sie oder gibt es Verkaufsgerüchte?

Thiel Unsere Hauptanteilseigner waren immer sehr stille Gesellschafter. Sie werden von uns informiert wie jeder andere Investor auch im Rahmen einer Roadshow, im Rahmen von Quartals- und Halbjahresberichten sowie durch Bilanzen. Und wir sind sicher, dass wir eines der besten Investments dieser Kapitalgesellschaften sind. Wenn Sie sehen, dass die Industrial Performance, die jetzt mehr als 10 Jahre dabei ist, seinerzeit 10 Mio. investiert hat: Ihr Vermögen ist heute 360 Mio. DM aus diesem Engagement. Da muss ich klipp und klar sagen, warum sollten diese sich trennen. Es gibt natürlich auch Vereinbarungen, die wir schon sehr früh bei der Beteiligung mit denen damals getroffen haben, die dann modifiziert wurden, als wir an die Börse gegangen sind. Desinvestment darf nur getätigt werden in Verbindung mit dem Verwaltungsrat. Die Aktien können nicht einfach in den Free Float gebracht werden, ohne dass dies mit dem Verwaltungsrat abgestimmt wird. Eine feindliche Übernahme ist daher aus unserer Sicht zu 100 Prozent ausgeschlossen.

? Wohin wollen Sie Thiel in den nächsten zwei Jahren bringen?

Thiel Der Logistikmarkt wird sich rasant entwickeln. Wir wollen Thiel in eine sehr stabile Wachstumsfahrt bringen. Das haben wir bisher schon sehr erfolgreich gemacht. Wir schielen dabei nicht auf eine bestimmte Marge. Natürlich haben wir ein Margenziel, das ist ganz klar zweistellig. Wir werden aber weder heute noch morgen auf Geschäft verzichten, nur weil temporär ein Margenziel nicht erreicht wurde. Deshalb kommunizieren wir auch Ebit und Jahresüberschuss-Zahlen und nicht nur eine Marge. Wir lassen uns daran messen. Wenn wir heute sagen, wir haben das Ziel 830 Mio. Umsatz zu generieren und 66 Mio. Ebit und irgendwas über 40 Mio. Jahresüberschuss, wenn dann am Ende rauskommt 870 Mio., 67 Mio. und 41 Mio., dann haben wir alle unsere Ziele übertroffen, selbst wenn dann am Ende nicht 8 Prozent sondern nur 7,7 Prozent bei der Marge stehen würden, das würde uns in diesem Bereich dann recht wenig interessieren, denn entscheidend ist für uns, dass wir die gesetzten Ziele erreicht haben.

? Wie stehen Sie zu den Forderungen der Deutschen Börse, die Transparenz zu vergrößern?

Thiel Wir haben damit überhaupt kein Problem. Die strukturierten Jahresberichte, die wir so erfüllen müssen, wie die Börse sie vorgelegt hat, sind für uns ein Rückschritt. Wir müssen wieder Zahlen verdichten, um das erfüllen zu können. In unseren Geschäftsberichten halten wir die von uns von Anfang an gewählte Transparenz bei. Ich glaube, es ist wichtig, dass die Börse Signale setzt und die Qualität unterstreicht. Hier würde es aber sehr häufig helfen, die Regeln auch konsequent anzuwenden und nicht immer neue Regeln hinzu zu setzen. Denn es nützt überhaupt nichts, wenn immer neue Regeln kommen und die alten nicht einmal angewendet werden.

? Da klingt so ein bisschen Kritik an der Deutschen Börse mit.

Thiel Kritik eigentlich nicht so sehr. Natürlich ist es immer leicht im Nachhinein zu sagen, das hätte man anders machen können. Ich habe schon vor einer etwas längeren Zeit gesagt, eine stärkere Segmentierung, ähnlich wie im Dax, würde auch gut tun. Hier ist eine Chance für die Deutsche Börse, denn wenn man jetzt einen Nemax macht, der 100 Unternehmen breit ist, wo man sagt, da sind die 20 Top-Unternehmen, die 30 mittleren und 50 schmalere und alle anderen sind dann in dem großen Topf mit großem Risiko, mit entsprechenden Chancen aber wirklich großem Risiko, dann hat man auch entsprechend die Chance zu sagen, wer in den Nemax 20 rein will, der muss neue Regeln unterschreiben; neue Regeln mit klaren und genauso harten Sanktionen, das kann man dann auch erreichen. Wer das nicht unterschreibt, kommt eben nicht in den Nemax 20 rein. Das sind neue, ganz sicherlich neue Chancen.

? Sie plädieren also für ein elitäreres Segment am Neuen Markt?

Thiel Ganz sicher. Wenn Sie sehen, wir haben im Nemax 50 T-Online als absolutes Schwergewicht. Wir haben Unternehmen, die erwirtschaften 40, 50 und 60 Mio. an Ebit und wir haben Unternehmen, deren Börsenkapitalisierung ist kleiner als 100 Mio., ein Gewinn ist nicht zu sehen, weder aktuell noch in den nächsten zwei oder drei Jahren. Wir haben Unternehmen, die von der Bilanzstruktur her hohes Risikopotenzial beinhalten. Das alles muss sehr viel transparenter dargestellt werden.

? Thiel Logistik würde dann in den Nemax 20 kommen?

Thiel Ich denke, wir sind ganz klar in einem Nemax 20 unter den fünf besten Unternehmen, da gehören wir hin.

Autor: Johannes Stoffels (© wallstreet:online AG),13:21 17.09.2001
 
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Autor (Datum des Eintrages): 951  (17.09.01 15:11:09)
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