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Wer wird der nächste Bitcoins-Millionär?



Im Internet kursiert eine neue Parallelwährung: Mit Bitcoins kann man schon Pizza, Waffen und Drogen kaufen. Aber was passiert, wenn das virtuelle Gold zum begehrten Spekulationsobjekt wird? Von Konstantin Richter

Die Geschichte klingt wie der Klappentext eines postmodernen Romans von Don DeLillo oder David Foster Wallace. Im Januar 2009 stellt ein Entwickler, der sich Satoshi Nakamoto nennt, die ersten Münzen einer digitalen Währung bereit. Niemand weiß, wer sich hinter dem Pseudonym verbirgt. Der vermeintliche Japaner ist der Autor eines neunseitigen Dokuments, das in der Netzgemeinde als "Whitepaper" bezeichnet wird. Dann verschwindet Nakamoto plötzlich. Angeblich, weil er sich mit anderen Dingen beschäftigen möchte. Womöglich züchtet er jetzt Zierkürbisse oder er schreibt Haikus, während seine Erfindung ihren steilen Aufstieg fortsetzt.

Bitcoin heißt die virtuelle Währung, die Nakamoto geschaffen hat. Die erste realwirtschaftliche Transaktion fand im Mai 2010 in Jacksonville (Florida) statt. Für 10.000 Bitcoins erwarb ein Programmierer zwei Pizzas, die er zusammen mit seiner kleinen Tochter verspeiste.

Weil die Nachfrage in den letzten Monaten geradezu explodiert ist, wären diese 10.000 Bitcoins heute etwa eine Million Euro wert. Kein Wunder, dass viele Leute anstelle von Pizzas lieber Bitcoins kaufen, sie hoffen auf Spekulationsgewinne. Andere Käufer, insbesondere in Spanien und Griechenland, suchen eine Fluchtwährung. Wieder andere sind freie Geister, die anonym handeln möchten, ohne von Regierungen überwacht zu werden und Gebühren an Finanzinstitute zu entrichten.

Bitcoins zu erwerben ist recht einfach, sie werden an Bitcoin-Börsen gehandelt, man benötigt lediglich ein Computerprogramm. Bitcoins zu schöpfen dagegen ist viel komplizierter. Für den typischen Feuilletonleser, der gerade mal E-Mail und Google benutzt, ist der Prozess kaum nachzuvollziehen. Es hilft, sich die Geldschöpfung als eine digitale Variante des Goldschürfens vorzustellen.

Marihuana und Maschinengewehre

Bitcoins sind verschlüsselte Datensätze, die von Nutzern selbst in die Welt gesetzt werden. Diese Nutzer arbeiten mit leistungsstarken Computern, die in einer Art Rechenaufgabe neue Bitcoins erzeugen. Die Geldschöpfung entspringt also einem tatsächlichen Arbeitsaufwand und wird als "Mining" bezeichnet.

Auch in anderer Hinsicht orientiert sich das Bitcoin-System am Gold. Während das internationale Finanzsystem die Anbindung an den Goldstandard in den 1970ern endgültig aufgegeben hat und nunmehr unbegrenzt Geld schöpfen kann, sind die Bitcoins künstlich limitiert. Insgesamt 21 Millionen Bitcoins können entwickelt werden, danach ist Schluss, so ist die Software programmiert worden. Die Währung gilt deshalb nicht nur als fälschungssicher, sondern ist auch gegen Inflation gefeit, darin liegt derzeit ihr großer Reiz.

Wie geht es nun weiter? Im Moment sind Bitcoins immer noch eine Nischenwährung und werden nur von wenigen Händlern akzeptiert. Pizzas, Burger und Alpaka-Socken gehören zu den typischen Dingen, die schon länger für Bitcoins zu haben sind. Die Naturschutzorganisation BUND nimmt Bitcoins als Spenden entgegen, und auf bestimmten Internetseiten kriegt man für Bitcoins auch Marihuana und Maschinengewehre. Aber den Kinobesuch oder den täglichen Einkauf bezahlt man besser in Euro.

Doch das könnte sich ändern. Das virtuelle Gold profitiert von der Vertrauenskrise der traditionellen Währungen. Dank der Medienaufmerksamkeit dürften die Bitcoins bald ins öffentliche Bewusstsein rücken. Die Bitcoin-Bullen glauben, dass immer mehr Leute und Unternehmen mit der neuen Währung arbeiten werden und dass der Kurs noch lange steigen wird.

Auf Kosten der Herdentiere

Sollte es wirklich so kommen, könnten Bitcoins ihren Ruf als egalitäre Alternativwährung irgendwann verlieren. Um Steuerhinterziehung und illegale Geschäfte zu verhindern, werden die Behörden alles daransetzen, den Handel stärker zu regulieren. Auch könnte der Rechenaufwand derartig steigen, dass hierarchische Strukturen vonnöten wären, die dem gängigen Bankensystem womöglich ähneln. Bitcoins würden zu einer Art ergänzender Nebenwährung, die sich normalen Währungen angleicht. Das wäre ein bisschen langweilig.

Hätte sich DeLillo die Geschichte der Bitcoins ausgedacht, wäre jedoch eine andere Entwicklung wahrscheinlicher. Dann entpuppte sich die neue Währung schon bald als Spekulationsblase, die frühe Investoren auf Kosten der Herdentiere belohnt. Darauf deutet einiges hin. Schließlich hängt der Kurs nicht an ökonomischen Grunddaten, sondern lediglich an der Nachfrage, das macht sie fragil. Hackerattacken oder staatliche Eingriffe könnten das Vertrauen der Herdentiere nachhaltig erschüttern.

Da niemand den Rücktausch in andere Währungen garantiert, setzt Panik ein. Der Kurs stürzt ins Bodenlose, und die ehemaligen Bitcoin-Millionäre freuen sich, wenn sie ihre Guthaben noch gegen eine Pizza eintauschen können. Für einen postmodernen Roman wäre das natürlich das viel schönere Ende.

Quelle: http://www.welt.de/kultur/medien/article115104349/Wer-wird-d…
 
aus der Diskussion: Bitcoins kaufen
Autor (Datum des Eintrages): wulfen40  (09.04.13 18:29:32)
Beitrag: 53 von 349 (ID:44395793)
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