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Kläger setzen zunehmend auf Prozessfinanzierer

Frankfurt, 26. Sep (Reuters) - Immer mehr Kapitalanleger
greifen bei ihren Klagen gegen börsennotierte Unternehmen auf
die finanzielle Hilfe von Prozessfinanzierern zurück. Dieser
Trend dürfte sich nach Ansicht der Finanziers vor dem
Hintergrund der Infomatec-Gerichtsentscheidung am Montag noch
verstärken. In dem Prozess gegen die Gründer der Augsburger
Infomatec AG hatte ein Gericht erstmals den
Schadenersatzanspruch eines Anlegers wegen falscher
Pflichtmitteilungen des Unternehmens anerkannt. Auch
Anlegerschützern zufolge erhöht das Urteil die Chancen für
ähnliche Klagen.

"Wir finanzieren einer großen Zahl von Anlegern die Klage
gegen das Medienunternehmen EM.TV<ETVG.DE>", bestätigte Gerrit
Meincke, Sprecher der Foris AG am Mittwoch. Seit Mitte 1998
finanziert das am Neuen Markt notierte Unternehmen
Rechtsstreitigkeiten. Der gewerbliche Geldgeber zahlt die Kosten
der Verfahren vorab und profitiert hinterher im Erfolgsfall
anteilig vom Prozessergebnis. Insbesondere wenn
Rechtsschutzversicherungen passen, etwa bei
Spekulationsgeschäften, sind die gewerblichen Prozessfinanzierer
bei Klägern gefragt.

"Ein Anspruch ohne Urteil ist manchmal wie ein Ölvorkommen ohne
Bohrturm - man kommt nicht ran", fasst Roberto De La Cruz,
Sprecher des Prozessfinanzierers Juragent AG das Problem seiner
Kunden zusammen. Wer zu seinem Recht kommen wolle, müsse die
Mittel haben, es zu erstreiten. "Allzu oft jedoch haben
berechtigte Anspruchsinhaber das Nachsehen, und eine Klage wird
nicht geführt".

"Im Vergleich zum Vorjahr haben die Anfragen von Anlegern
deutlich zugenommen", sagt Meincke. "Inwieweit die
fremdfinanzierten Auseinandersetzungen dabei von Erfolg gekrönt
sind, lässt sich derzeit noch nicht sagen", räumt der Foris-
Sprecher ein. Eine Vielzahl der Prozesse laufe noch. Auch die
Verbraucherzentralen haben nach eigenen Angaben noch keine
Erkenntnisse zum Geschäft mit den gewerblichen Geldgebern.
Aussagekräftige Zahlen über Erfolg oder Misserfolg erwarten
Experten frühestens Anfang nächsten Jahres.

Das Konzept der Prozessfinanzierer ist einfach: Die
Gesellschaft finanziert das Verfahren. Wird der Prozess
verloren, trägt sie alle Kosten. Bei einem Sieg erhält der
Geldgeber dagegen eine Erfolgsbeteiligung von 20 bis 50 Prozent
der durch die Klage erzielten Summe nach Abzug etwaiger
Verfahrenskosten.

Doch der Handel mit den gewerblichen Geldgebern funktioniert
nur, wenn es sich um eine berechtigte finanzielle Forderung
handelt. "Es muss in jedem Fall ein Anspruch vorliegen, der sich
auf eine Geldzahlung bezieht", erläutert De La Cruz von der
Juragent. Dieser wird in Form einer Klageschrift vom zuvor
eingeschalteten Anwalt formuliert.

Dafür muss der klagewillige Anleger je nach Höhe des Streitwertes
zwischen 300 und 1500 Mark bezahlen. Kosten, die der Betroffene zu
tragen hat, wenn der Prozessfinanzierer das nötige Kleingeld für das
Gerichtsverfahren verweigert. Darüber hinaus würden nur
aussichtsreiche Verfahren mit einem Streitwert von mindestens
100 000 Mark finanziert, sagt Kai Schulze, Vorstandsmitglied des
Prozessfinanzieres Acivo AG. Erst wenn diese Kriterien erfüllt
sind, übernimmt die Gesellschaft das wirtschaftliche Risiko des
Prozesses.
 
aus der Diskussion: Sensationsurteil gegen Infomatec
Autor (Datum des Eintrages): niewiedernemax  (26.09.01 13:15:28)
Beitrag: 58 von 123 (ID:4504301)
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