Fenster schließen  |  Fenster drucken

Meine Gesamtposition für Algol:

Ich sehe Erdöl selbstverständlich als endlich an, auch erkenne ich, dass unser tägliches Leben sehr stark von Öl abhängt, nicht nur der private Verkehr läuft über Erdöl, sondern auch fast alle Lieferketten, der globale Handel, Chemie etc.. Neue Techniken, wie Gasantriebe oder Elektromobilität, die auf erneuerbaren Energien beruhen, können auf Sicht von einigen Jahrzehnten Erdöl nicht ansatzweise ersetzen, wir sind also noch sehr lange auf große Mengen des Rohstoffes angewiesen, diese Mengen steigen auch weiterhin an, denn Effizienzsteigerungen werden noch von Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern überkompensiert. Der Erdölkurs beeinflusst das globale Wirtschaftswachstum, wenn er zu hoch ist, dann beschneidet das das Wachstum empfindlich, der Erdölpreis ist also von enormer Bedeutung.

Trotzdem sehe ich vom Erdölsektor ausgehend in den nächsten Jahrzehnten keine Bedrohung für unseren Wohlstand nahen. Dies sind meine Gründe dafür:

Die globalen statische Reserven (nicht die Ressourcen) liegen nach offiziellen Angaben bei 57 Jahren bei derzeitigem Verbrauch. Ich halte es für möglich, dass die OPEC Daten nicht korrekt sind und nach oben oder unten deutlich abweichen können, trotzdem vertraue ich der Zahl insofern, dass ich davon ausgehe, dass die reale Zahl nicht unter 50 Jahren liegt. Dazu stieg diese Zahl in den vergangenen Jahrzehnten deutlich, ebenso in den letzten Jahren, obwohl die sogar Produktion stieg. Aber ja ich glaube der Zahl.

Ein großer Teil der in den letzten Jahren hinzugefügten Reserven sind keine klassischen konventionellen Onshorequellen, die Erschließung der neuen Quellen ist im Schnitt teurer. Das ist jedoch keine Gefahr für den Ölpreis, da die Förderkosten trotzdem signifikant unter dem derzeitigem Ölpreis liegen und somit genug Anreiz besteht, Exploration zu betreiben. Diese Förderkosten entnahm ich den Jahresabschlüssen der westlichen Energiemultis, sowie den Daten der IEA. Auch diesen Daten vertraue ich, in diesem Fall sogar genau. Die Daten zeigen, dass die Upstreamkosten (Erschließung, Förderung und Suche) ca. bei 50% der Realisationen pro Barrel beim Verkauf liegen. Bei staatlichen Ölfirmen ist der Anteil noch geringer. Daher sehe ich die Förderkosten auf lange Zeit nicht als Preistreiber an. Diese Sicht wird dadurch bestätigt, dass die westlichen Ölkonzerne auch 2009 bei 40-50 Dollar pro Barrel Milliardengewinne im Upstreambereich machten. Bis also die Förderkosten so nahe an den derzeitigen Ölpreis kommen, sodass die Investitionen deutlich abnehmen, dauert es noch viele Jahrzehnte.

Da für mich die Förderkosten also als Preisregler ausfallen, bleibt mir Angebot und Nachfrage. Hier sehe ich in der westlichen Welt stagnierende Nachfrage und in den Schwellenländern moderat steigende Nachfrage. Auf der anderen Seite sieht man, dass das Angebot derzeit sehr schnell wächst, obwohl zahlreiche Potentiale in Ländern mit staatlicher Regulierung ungenutzt bleiben und für die Zukunft noch verfügbar sind, zusätzlich drossel Saudi Arabien derzeit die Produktion absichtlich. Dazu wäre Kohleverflüssigung theoretisch bei Preisen über 100 Dollar möglich, auch wenn ich vermute, dass dies nicht nötig ist, aber es wäre ein (umweltschädliches) Backup. Als großes Potential die globale Reserve (nicht Ressourcen) zu erhöhen um die Produktion auch noch in 10 bis X Jahren steigern zu können, sehe ich das weite Offshorefeld, da noch heute regelmäßig neues Öl im Golf gefunden wird, obwohl er am stärksten durchforstet wird und es viele andere potentielle „Hot Spots“ gibt. Hier sehe ich vorallem Afrika, aber auch Südamerika und Ostasien, wo nur ein minimaler Bruchteil dessen in Exploration investiert wurde, was in den Golf oder die Nordsee gesteckt wurde.

Weitere Reservepotentiale bestehen bei der Förderung aus bestehenden (und zukünftigen) Ölfeldern. Derzeit sind nur ca. 20-40% der Ressourcen einer Quelle förderbar und damit ist auch nur dieser Anteil bei den globalen Reserven ausgewiesen. Neben dem höheren Preis wird dieser Wert auch durch bessere Fördertechnik erhöht, dadurch sind heute noch längst totgeglaubte Felder am produzieren, obwohl sie schon über 70 Jahre ausgebeutet werden.

Diese Sicht der Dinge wird dadurch untermauert, dass die Erwartungen der Experten ebenfalls von stagnierenden und sogar fallenden Ölpreisen bis 2020 ausgehen. Nicht nur die IEA und die Ölkonzerne selbst gehen davon aus, sondern auch der Finanzmarkt allgemein, sodass die Futures Brent 2020 bei 90 Dollar und WTI bei ca. 85 Dollar sehen.

Da wir also auf lange Sicht mit weiterhin billiger Energie rechnen können, während das globale BIP real konstant wächst, sehe ich die Futures sogar als potentiellen Garant für eine zusätzliche Konsumsteigerung, insbesondere in den Schwellenländern und den USA. Das wird gestützt durch sparsamere Motoren. Den Wachstumszahlen vertraue ich grundsätzlich, aber mit gewissen Abstrichen, z.b. in China.

Aufgrund der hohen Reserven, der steigenden Produktion, den steigenden Reserven und den sehr günstigen Förderkosten, haben wir meiner Meinung nach noch sehr viel Zeit langfristig und behutsam Ersatztechnologien zu erfinden und ausreifen zu lassen. Mit sehr lange meine ich damit konkret mehr als 60 Jahre, bevor Erdöl so teuer werden kann, sodass es die Wirtschaft abwürgt. Erdöl selbst wird dabei natürlich nicht zu 100% ersetzt, sondern nur Stück für Stück, vielleicht so ab 2040, aus dem Verkehr verbannt. In der Chemiebranche wird es auch weiterhin hohe Bedeutung haben. Die Bedeutung in der Stromerzeugung ist heute hingegen schon fast bei 0 und wird sich diesem Wert rasch nähern.

Ich muss zugeben, dass ich natürlich voll auf die Daten zu den Upstreamcosts und der statischen Reichweite baue, wenn sie extrem falsch sind, dann wäre alles geschriebene von mir auch hinfällig. Wenn sie grob stimmen, was ich annehme, dann ist das hier meine Sicht der Dinge.


MfG der „Optimist“ :)
 
aus der Diskussion: Peak Oil und die Folgen
Autor (Datum des Eintrages): TME90  (20.08.13 21:38:47)
Beitrag: 9,351 von 15,292 (ID:45289269)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE