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Aus der FTD vom 1.10.2001
Drahtloser Internetzugang bringt UMTS in Gefahr
Von Juha Päätalo, Aachen

In Aachen wurde erstmals ein lokales Netz für das neue W-LAN-System installiert. Die Kosten sind deutlich niedriger als die für UMTS.

Ulrich Hacker wusste nicht, was er da anstellte. Als der 46 Jahre alte Geschäftsführer des kleinen regionalen Telekommunikationsanbieters Accom vor sieben Wochen damit anfing, in der Innenstadt von Aachen einen drahtlosen Internetzugang einzurichten, war es für ihn ein kleiner zusätzlicher Dienst für seine Geschäftskunden. "Ich habe da ein paar Tausend Mark investiert. Allein die Aufmerksamkeit, die wir über die Berichte in der Lokalzeitung erreicht haben, waren es wert", sagt er.


Unbemerkte Weltpremiere


Der drahtlose Internetzugang war eine Weltpremiere, aber keiner der Beteiligten merkte es. In der Innenstadt von Aachen war die neuartige Technologie gerade zum ersten Mal außerhalb von Gebäuden installiert worden - solche Funknetze gelten in unzähligen Marktstudien als möglicher Killer der Breitband-Mobilfunktechnik UMTS.


Der Name Wireless LAN (kurz: W-LAN) steht für Local Area Network - kabelloses lokales Netzwerk. Das Funknetz darf auf Grund internationaler Regulierungsbeschlüsse lizenzfrei genutzt werden - jedermann kann ein W-LAN-Netz aufbauen und betreiben. Ein großer Vorteil gegenüber UMTS, das die sechs künftigen Betreiber allein in Deutschland 100 Mrd. DM an Lizenzgebühren gekostet hat. Dazu ist der Aufbau eines W-LAN-Netzes deutlich billiger als der eines UMTS-Netzes, für die Datenübertragung ist W-LAN besser geeignet und schneller.



Schwere Zeiten für UMTS


Während fast alle Marktbeobachter UMTS schwere Zeiten voraussagen, ist W-LAN zum Symbol einer besseren Funkübertragung geworden, die sich unter dem Namen 4G (vierte Mobilfunkgeneration) etabliert hat - ein Rückschlag für UMTS, das unter 3G (dritte Mobilfunkgeneration) noch im Jahr 2000 als das Nonplusultra gefeiert wurde.


Dabei ist W-LAN an sich nichts Neues. Die Technologie wurde entwickelt, damit Mitarbeiter mit ihren Laptops kabellos Zugang in die Firmennetze haben. Erste standardisierte Lösungen gab es 1998. Neu sind aber nun die öffentlichen Zugänge, die in den letzten zwölf Monaten an einigen Flughäfen, in Hotels, Kongresszentren und auch in den Cafés der US-Kette Starbucks als erste Inseln des drahtlosen Internetzeitalters installiert wurden.



W-LAN sehr günstig


Nun beginnt die Installation in Innenstädten. Der Versuch in Aachen macht deutlich, wie kostengünstig ein W-LAN-Netz ist. "Basisstation 1100 DM, Außenantenne 500 DM, Blitzschutz 400 DM, Software 700 DM - macht 2700 DM", listet Produktmanager René Nitzinger von der Elsa AG die Kosten eines Zugangspunktes auf. "Selbst wenn ich die Installationskosten dazurechne, sind es unter 2000 Euro pro Zugangspunkt", sagt Accom-Geschäftsführer Hacker. Eine einzige Basisstation versorgt einen Umkreis von bis zu 300 Metern mit Funksignalen. "Mit insgesamt zehn Zugangspunkten können wir die ganze Innenstadt abdecken - zu Kosten, die sich eigentlich jede noch so kleine Telekommunikationsgesellschaft leisten kann", sagt Hacker. Klappt der Versuch in Aachen, will Hacker ähnliche Netze auch in anderen Städten aufbauen.



Verlockende Preise


Die Chancen dafür stehen gut: Der Preis ist für jeden Nutzer verlockend, der die für die Funkverbindung notwendige und ebenfalls recht günstige W-LAN-Karte (ab 230 DM) in seinem Computer hat. Bis Ende des Jahres ist die Nutzung des Zugangs sogar kostenlos. Wenn Accom das Netz im Januar kostenpflichtig macht, sollen Nutzer 5 Euro-Cent pro übertragenes Megabyte zahlen. Die Übertragung des gleichen Volumens über die Mobilfunktechnologie GPRS, die als Vorläufer von UMTS gilt, kostet selbst beim günstigsten Anbieter Viag Interkom 9 DM, bei T-D1 sogar 69 DM. Accom ist damit ungefähr 100-mal günstiger als die Handy-Netze - und um fast den gleichen Faktor schneller. Gleichzeitig haben die Aachener keinen Pfennig für die Lizenz bezahlt. Und da auch der Netzaufbau nur einige Tausend Mark kostet, rechnet Geschäftsführer Hacker damit, dass er nur 50 Nutzer braucht, um kostendeckend zu arbeiten.



UMTS-Milliarden in Gefahr


Für Unternehmen, die ihr Geld in UMTS investiert haben, ist diese Vision ein potenzieller GAU. Einige Mobilfunk-Manager hatten schon im Sommer Alarm geschlagen. T-Mobil-Chef René Obermann forderte in einem Brief an den Präsidenten der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), dass auch die W-LAN-Technologie lizenzpflichtig werden sollte. Auch andere UMTS-Lizenzinhaber wurden in diese Sache bei der Regulierungsbehörde vorstellig.



Lizenzfreiheit eindeutig


Ein kaum aussichtsreiches Unterfangen, denn die Entscheidung für die Lizenzfreiheit liegt bei der internationalen Behörde ITU, die sich eindeutig für die Lizenzfreiheit ausgesprochen hat. Außerdem sind die Produkte für W-LAN längst auf dem Markt. Die Interventionen der Konzerne zeigen indes, dass die UMTS-Milliarden ernsthaft in Gefahr sind.


Vor allem, weil die Aachener nun den Versuch auch außerhalb von Gebäuden wagen. Das hielten einige Experten bisher wegen möglicher Interferenzen für problematisch. Doch René Nitzinger von Elsa AG ist zuversichtlich: "Wir haben keinerlei Probleme gehabt, obwohl in der Innenstadt neben dem Accom-Netz mindestens zwei W-LAN-Firmennetze zu finden sind. Es ist immer die Frage der Sendeleistung und der Entfernung zur Basisstation."


Dann zeigt Nitzinger, wie der Zugang in einem Café in der Nähe des Rathausplatzes mit Laptop und Handheld-Computer funktioniert. Es sind über 100 Meter zur Basisstation, das Signal ist nicht mehr besonders stark, aber es reicht aus, um eine Internetverbindung aufzubauen. "Natürlich ist es ein Funknetzwerk, und zum Funk gehört nun mal, dass das Signal schwankt", sagt Nitzinger. "Aber so ist es auch bei GSM-Netzen. Und wer möchte deswegen auf sein Handy verzichten?"



Es könnte ein Massenmarkt werden


Nitzinger hofft, dass nun größere Anbieter dem Beispiel von Accom folgen. Gleichzeitig bemüht er sich mit Partnerunternehmen um Zugangspunkte in Hotels und an Flughäfen. Diese sind für einen Anbieter besonders attraktiv wegen der großen Zahl von Geschäftsleuten, die bereits die Hardware besitzen und die Technologie von ihrem Arbeitsplatz her kennen.


Genau das ist auch für den Accom-Chef Hacker die Zielgruppe: "Wir wenden uns in erster Linie an Geschäftsleute. In gezielten Aktionen in den Cafés der Innenstadt wollen wir ihnen die Möglichkeit geben, die Technik selbst auszuprobieren." Große Werbeaktionen? Fehlanzeige. Stattdessen Flugblätter und persönliche Gespräche. Hacker: "Es ist noch kein Massenmarkt." Aber es könnte sehr bald einer werden.



© 2001 Financial Times Deutschland

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aus der Diskussion: MobilCom woher zum Henker kommt diese relative Stärke?
Autor (Datum des Eintrages): Rudolph.Rednose  (01.10.01 11:08:24)
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