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Uhrenhersteller sichern sich Anteile an Schweizer Teilelieferanten



Von John Revill

ZÜRICH--In der Schweizer Uhrenindustrie schreitet die Konsolidierung voran. Zuletzt hat der französische Luxusgüterkonzern Hermes, selbst Uhrenhersteller für die eigenen Marken in der Schweiz, die Joseph Erard SA, einen Produzenten von Uhren-Gehäusen, komplett übernommen. Die Franzosen sicherten sich damit für diese Komponente einen stabilen Nachschub, beispielsweise für ihren berühmten Chronometer Arceau Le Temps Suspendu.

"Wir wollten die Versorgung mit strategischen Komponenten für die Zukunft absichern", sagte Luc Perramond, Chef der Hermès-Uhrensparte La Montre Hermès.

Hermès ist nicht der einzige Uhrenhersteller, der sich Komponentenfertiger einverleibt. Die Cie. Financière Richemont SA aus Genf hat letztes Jahr geschätzt 80 Millionen Euro für Varin-Etampage ausgegeben, einen Schweizer Hersteller von unter anderem Gehäusen und Armbandschließen. Moet Hennessy Louis Vuitton LVMH hat ArteCad übernommen, einen Produzenten von Zifferblättern.

Hinter den Akquisitionen steckt die Angst vor beträchtlichen Preissteigerungen für diese Art von Komponenten. Sie ist sogar noch größer geworden, nachdem die Schweizer Wettbewerbsbehörde der Swatch Group letzte Woche gestattet hat, den Verkauf von Uhrwerken an die Konkurrenz zunächst zu reduzieren und bis 2020 vollständig auslaufen zu lassen. Swatch ist bekannt als Hersteller von Uhren unter eigener Marke, der Konzern ist aber auch der größte Hersteller von Bauteilen für die Schweizer Uhrenindustrie.

Das mechanische Uhrwerk ist die teuerste Komponente einer Uhr. Dieses Jahr ist der durchschnittliche Großhandelspreis um rund 6 Prozent auf 122 Schweizer Franken gestiegen. Zuletzt hat die Schweiz 5,3 Millionen mechanische Uhren exportiert.

Es geht den Uhrenherstellern aber nicht nur um die Uhrwerke, sondern um die Bauteile für ihre Erzeugnisse insgesamt. Sie müssen die Teile aus der Schweiz beziehen, um das beliebte Herkunftssiegel "Swiss Made" zu erhalten. Denn mit dieser Bezeichnung lassen sich Preise rechtfertigen, die bis in die Zehntausende Euro gehen können. Mindestens 60 Prozent des Wertes einer Uhr müssen in der Schweiz hergestellt werden, um sich für das Gütesiegel zu qualifizieren.

Genau das ist die Sorge, die die Hersteller umtreibt: Genügend Teile aus der Eidgenossenschaft zu bekommen, um die Mindestschwelle zu erreichen. "Die Unternehmen stehen unter dem Druck, sich zu holen, was sie brauchen", sagte Howard da Silva von Deloitte. Das werde die Integration in der Branche weiter vorantreiben, fügte der Berater hinzu, dessen Team derzeit zwei Übernahmen begleitet.

Vor zwei Jahren hat sich die Schweizer Wettbewerbsbehörde erstmals mit dem Antrag von Swatch befasst, die Verkäufe sensibler Bauteile zurückzufahren. Seither haben Uhrenhersteller fast eine Milliarde US-Dollar für Akquisitionen ausgeben, zumeist für Komponentenhersteller, wie aus den Daten von Thomson Reuters hervorgeht. Einer Umfrage von Deloitte zufolge erwarten acht von zehn Topmanagern aus der Uhrenindustrie in den kommenden 18 Monaten weitere Akquisitionen von Teileproduzenten.

In weiteren Deals hat die Uhrenfirma Ulysse Nardin SA jüngst den Zulieferer Donzé Cadrans gekauft. Anlass war der Rückzug des Inhabers in den Ruhestand. Donzé Cadrans ist spezialisiert auf Zifferblätter und Elemente, die mit Hilfe der Emaille-Technik hergestellt werden. So lassen sich filigrane, aufwendige Designs und nahezu dreidimensionale Darstellungen schaffen. Ulysse Nardin setzt die Technik beispielsweise für Uhren ein, auf denen berühmte Kriegsschiffe abgebildet sind, darunter die H.M.S. Victory, das Flaggschiff des britischen Vizeadmirals Nelson in der Seeschlacht von Trafalgar.

Konzernchef Patrik Hoffmann sagte, der Zukauf sichere Ulysse Nardin die Fähigkeit, sich mit den eigenen Uhren vom Wettbewerb abzuheben. Die Verwendung von Emaille steigere die Attraktivität der Chronometer bei den Kunden.

Der Konsolidierungsprozess in der eidgenössischen Uhrenindustrie könnte auch Verlierer hervorbringen. Einige Unternehmen fürchten, dass die Umwälzungen mehr Macht bei den größeren Herstellern wie Swatch, Richemont und LVMH konzentrieren. Sie sagen, der Rest der Branche werde abgehängt.

Die private Parmigiani Fleurier SA, die eigene Uhren fertigt und 17 andere Uhrenhersteller mit Komponenten beliefert, sagt genau das. Kleinere Firmen könnten aus dem Markt gedrückt werden, wenn sie keine in der Schweiz hergestellten Teile kaufen und damit auch keine "Swiss Made"-Gütesiegel aufweisen können. "Einige Unternehmen werden es schwer haben, richtige Schweizer Uhren herzustellen", sagte Parmigiani-Chef Jean-Marc Jacot.

Die Akquisitionen werden in nächster Zeit so nicht aufhören. Jüngst hat auch Gucci Timepieces & Jewlery, eine Schweizer Tochter des französischen Luxusgüterkonzerns Kering, zugeschlagen. Für eine unbekannte Summe übernahm sie die Fabbrica Quadranti, einen Hersteller von Zifferblättern mit Sitz in der italienischsprachigen Schweiz. Die Erzeugnisse von Fabbrica Quadranti sind ob ihrer aufwendigen Muster hochgeschätzt. Außerdem trägt die Übernahme dazu bei, dass Gucci die eigenen Uhren als Swiss Made bezeichnen darf. "Die Expertise von Fabbrica verleiht unserer Uhrenmanufaktur noch größere Autonomie", sagte Michele Sofisti, Chef von Gucci Timepieces.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/mgo/bam

(END) Dow Jones Newswires

November 19, 2013 07:34 ET (12:34 GMT)
 
aus der Diskussion: swatch group wkn 865126
Autor (Datum des Eintrages): lafabius  (19.11.13 21:46:53)
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