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Hallo Algol,

bevor zwischen uns zu viel Harmonie ausbricht, mal kurz zu einem Thema, bei dem wir 180 Grad auseinander sind: dem Verteilungsproblem.

Im Blog von Andre Kühnlenz habe ich diese schöne Grafik gefunden:




Du hast oft geschrieben, dass die großen Vermögen nicht in Anleihen u.ä. stecken, sondern in Aktien.

Mal abgesehen davon, dass die Art der Anlage für die Zinsfrage und die Frage der Vermögensverteilung nebensächlich ist, zeigt die Grafik schön, dass die Aktienquote in den letzten Jahren immer weiter gefallen ist.

Im Jahr 2000 waren von einem Gesamtvermögen von 119 Billionen Dollar immerhin 37 Billionen in Aktien angelegt - der "Rest" schon damals in Zinspapieren.
Im Jahr 2012 waren von einem Gesamtvermögen von 225 Billionen Dollar nur noch 50 Billionen in Aktien - die Quote ist also deutlich gesunken.

Der Beitrag, aus dem die Grafik stammt, ist lesenswert.

http://www.weitwinkelsubjektiv.com/2014/07/30/profitschranke…

Kühnlenz glaubt, dass wir uns global einer "absoluten Profitschranke" nähern, dass sich der Kapitalismus gerade zu tode siegt.

Man muss eben mal sehen, dass diese 225 Billionen an Vermögen (von denen 90% einer ganz kleinen Oberschicht gehören), nach Verzinsung schreit.

Nur, jemand muss diese Zinsen erst mal erwirtschaften. Bei einer Nominalverzinsung dieses Vermögenshaufens von nur 3% müssen jedes Jahr 6,75 Billionen Dollar vom Rest der Gesellschaft an die Vermögensbesitzer umverteilt werden.
Das ist schon mal ne Hausnummer.

Das BSP der Welt dürfte derzeit bei ungefähr 70 Billionen Dollar liegen. Wenn das BSP um 4% wachsen würde, wären das 2,8 Billionen Dollar.
Unter dieser Annahme wird das 2,4fache der Wachstumsrate des BSP benötigt, um die Zinsforderungen zu bezahlen.
Der gesamte BSP-Zuwachs geht also an das Kapital und das reicht noch lange nicht. Für den Produktionsfaktor Arbeit bleibt weniger als nichts - dieser muss im Gegenteil jedes Jahr 4 Billionen bei sich abziehen und das an die Kapitalseite umverteilen.

Das ist der entscheidende Grund, warum die Löhne sinken und nicht der Ölpreis.

Ist übrigens kein Wunder, dass die Zinsen überall im Sinkflug sind. Wie sollen aus einem Welt-BSP von 70 Billionen auch 5% oder 10% oder 24% (hallo, Herr Ackermann, Du Arschloch) Rendite erwirtschaftet werden, wenn das "Vermögen" auf das diese Rendite erwirtschaftet werden soll inzwischen 225 Billionen beträgt?

Der Berg an Schulden=Vermögen ist gegenüber dem Welt-BSP inzwischen viel zu groß, um ein vernünftiges Wirtschaften und vernünftige Kapitalgewinne und vernünftige Löhne zuzulassen.

Übrigens, ein Witz am Rande: Die Kapitalseite versucht natürlich ihren Renditeanspruch trotzdem durchzusetzen. Da der BSP-Zuwachs dafür rechnerisch nicht mehr annährend ausreicht, wird vom Faktor Arbeit zum Faktor Kapital umverteilt - und zwar heftig. Dumm nur, dass dadurch die Nachfrage nach Gütern beschädigt wird, denn Arbeiter und Angestellte mit sinkenden Real- oder gar Nominallöhnen sind eben keine guten Nachfrager mehr.
Die sinkende Nachfrage beschädigt aber die Absatzchancen der Realwirtschaft und damit wiederum die Profite. Das System ist so ziemlich ausgepresst und ausgelutscht.
Irgendwann wird die Kapitalseite durchdrehen, wenn sie merkt, dass sie ihre Rendite nicht mehr realisieren kann. Und eigentlich ist sie schon dabei. Das ist der tiefste Grund, warum die Welt immer krisenanfälliger, wirrer, chaotischer und gewalttätiger wird.

Ich weiß, Dich interessieren solche Fragen nicht, aber ich sag Dir: Zumindest für die nächsten 50 Jahre ist so etwas viel wichtiger als das Ölthema.
 
aus der Diskussion: Peak Oil und die Folgen
Autor (Datum des Eintrages): SLGramann  (09.08.14 16:05:10)
Beitrag: 11,876 von 15,292 (ID:47476492)
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