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Hier sind meine bisherigen Überlegungen was kartellrechtliche Dinge angeht. Ich habe sicherlich nicht mehrere Monate Zeit gehabt wie die Jungs vom BKartA. Ich halte mich aber an die typische Vorgehensweise und ich denke, daß auch Laien in diesem Board in der Lage sind, die ganze Sache mit "gesundem Menschenverstand" nüchtern und sachlich zu beurteilen.



Um die kartellrechtliche Zulässigkeit von Zusammenschlüssen zu prüfen, muß zunächst der sog. relevante Markt (räumlich, zeitlich und sachlich) abgegrenzt werden.


Kauf der DTAG-Kabelnetze durch Liberty Media:
- Kartellrechtliche Implikationen:


a) Wettbewerb im Markt für Kabelfernsehübetrgragung an Privatkunden: Durch die Addition von Gebietsmonopolen ändert sich NICHTS, da der Kabelkunde i.d.R. weder vorher noch nachher die Wahl zwischen verschiedenen Kabelanbietern hat.

b) Wettbewerb im Markt für Kabeleinspeisung von Programmen: Bisher hatten wir ein Marktgleichgewicht zwischen Kabel und Programmanbieter. Alleine aufgrund der fortschreitenden Integration der Netzebenen 2-4 erhöht sich m.E. die Marktmacht auf Seiten der Kabelnetze, da der Wettbewerb zwischen Ebene 2 und 4 wegfällt und sich die gesamte Wertschöpfungskette ab Ebene 2 mit fortschreitender Integration in einer Hand befindet. Liberty Media erhält durch den Zugriff auf ca. 50% der Kabelhaushalte - dadurch würde das Machtgleichgewicht kippen. Die Telekom selbst darf die Kabelnetze nicht behalten und somit auch nicht aufrüsten (Verfügung durch Europäische Kommission).

c) Wettbewerb im Markt für Durchleitung von Signalen: [...]

d) Wettbewerb im Markt für Ortsnetztelefonie:
Vorher: Praktisch kein Wettbewerb. Nachher: Liberty hat vor, die Kabelnetze aufzurüsten. Fraglich ist, ob eine Aufrüstung auf 510MHz ausreicht um Telefonie anzubieten. Wenn ja müsste die Abwägungsklausel (GWB §36I) greifen, da die Wettbewerbsverbesserung in diesem Fall überwiegt. Die Beweislast liegt beim Unternehmen !


Rechtsfolge: Genehmigung unter der Auflage, daß Telefonie-Dienstleistungen angeboten und Teile des erworbenen Netzes an andere Marktteilnehmer (z.B. Callahan, Klesch...) verkauft werden müssen. Liberty würde die Kabelgebiete, in denen sie schon indirekt an Ebene-4-Netzbetreibern beteilligt ist behalten.



Fusion EWT/Primacom

a) Wettbewerb im Markt für Kabelfernsehübetrgragung an Privatkunden: kein Unterschied. s.o.

b) Wettbewerb im Markt für Kabeleinspeisung von Programmen: Vertikale Integration führt zu einer Verschiebung des Machtgleichgewichtes zu Lasten der Programmanbieter.

c) Wettbewerb auf der Ebene der Durchleitung von Signalen: [...]

d) Wettbewerb im Markt für Ortsnetztelefonie: s.o.
Ich zitiere an dieser Stelle aus KAMISCHKE`s Posting:
Erstens versichert Primacom, man werde die verlangten Unterlagen nachreichen. Die Verzögerung habe nur damit zu tun, dass die Konzerne ihre Fusion zunächst verschoben hatten. Ein Sprecher sagte, man stehe im Kontakt mit dem Kartellamt. Es solle dargelegt werden, dass UPC und Primacom gemeinsam ihre Kabelnetze aufrüsten wollten. Dann würden Konkurrenzangebote zur Telekom für das Telefonieren und den Internetzugang möglich. "Dem Kartellamt muss dargestellt werden, wo Wettbewerb geschaffen wird", sagte der Sprecher. In diesem Fall könnte das Kartellamt wegen der so genannten "Abwägungsklausel" im Kartellrecht das Geschäft trotz seiner wettbewerbsmindernden Auswirkung in einem anderen Markt erlauben. Einige Kartellbeamte sind hierzu offenbar unter Umständen bereit.




Den Wettbewerb im Markt für die Durchleitung von Signalen vermag ich mangels Sachkenntnis nicht zu beurteilen, denn ich weiß nicht inwiefern z.B. EWT und Primacom Durchleitungen auf den Netzebenen 2 und 3 an Dritte anbieten. Auch habe ich bisher weder Zeitz noch Muße gehabt um das sog. Gruppenmachtkonzept bzw. kritische Konzentrationsgrade zu berücksichtigen, wonach Marktteilnehmer nicht nur einzeln für sich betrachtet werden, sondern auch Gruppen von Marktteilnehmern.



@krisenmanager
Was Du meinst ist die "essential facillity doctrine". So was gibt es bei uns leider auch. Sh. Durchleitung von Strom...
AT&T hatte, wenn ich mich richtig erinnere Probleme mit der FCC und sollte auch Content von Fremdanbietern durchleiten. Was daraus geworden ist weiß ich nicht mehr (ich stieg damals kurz nach der TCI-Übernahme bei AT&T ein und bin vor längerer Zeit mit ordentlichem Gewinn rausgegangen..).
Andererseits sind die Amerikaner wesentlich effizienzorientierter. Ihre Wettbewerbspolitik zeugt deutlich von einer "Laissez-faire"-Denkweise á la Chicago-School bei der man sich weitgehend auf die "Selbstheilungskräfte" der freien Marktwirtschaft verlässt. Effizienzkriterien spielen dort eine wesentlich größere Rolle. Das GWB berücksichtigt leider nur Effizienz durch Wettbewerb. Der Rechtsweg "Ministererlaubnis" sorgt hier für mehr Flexibilität - wie weit diese geht hängt von der Politik ab - und welcher Bundeskanzler hat sich in Deutschland jemals mehr um die volkswirtschaftliche Effizienz gekümmert als Gerhard Schröder? (sh. z.B. Novellierung des Übernahmegesetzes).
Anders ausgedrückt: das deutsche Kartellrecht hat lediglich die Aufgabe den Wettbewerb zu schützen, u.a. da Wettbewerb zu effizientem Handeln zwingt. Dabei wird berücksichtigt, daß weniger Wettbewerb in einem Markt u.U. zu mehr Wettbewerb in einem anderen Markt führt. Fälle, in denen unter Hinnahme von Monopolen mehr Effizienz erreicht wird, die theoretisch (!) alleine durch potentiellen Wettbewerb an den Kunden weitergegeben werden, werden nicht durch das deutsche Kartellrecht abgedeckt - dafür ist die Ministererlaubnis da.

Zweifellos wird die stärkere Berücksichtigung von Effizienzkriterien tendenziell auch in Europa durchsetzen! Dafür sorgt schon die Globalisierung.

Gruss, Meryll.
 
aus der Diskussion: PRIMACOM THEAD 99 (LIBERTY BRAUCHT LEVEL 4)
Autor (Datum des Eintrages): meryll  (08.11.01 23:49:54)
Beitrag: 29 von 162 (ID:4837811)
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