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Untersuchung der veröffentlichten Vorwürfe und Anschuldigungen
(insbes. Berliner Morgenpost vom 17.10.01)


Die Gespräche sind offen und freimütig geführt worden. Management und Mitarbeiter begrüßen die Initiative von Anteilseignern, Klarheit über o. a. Vorwürfe auf diesem Weg erlangen zu wollen. Mir wurde m. E. Auskunft erteilt und Einsicht in Unterlagen gewährt in einem Umfang, wie es einem fremden Dritten gegenüber angemessen ist.

Dies vorausgeschickt, berichte ich zu den wesentlichen Anschuldigungen:

1. LIPRO AG war nach dem 1. Tertial 2001 in Liquiditätsengpässe geraten, nachdem Partnerbanken schon avisierte Finanzierungsmaßnahmen nicht vollzogen haben und schnelle alternative Anschlußfinanzierungen nicht erreicht wurden. Aufgrund von Anträgen Dritter ( Krankenkassen, Mitarbeiter) wurde LIPRO AG unter vorläufige Insolvenzverwaltung gestellt (Leonhardt, Berlin). Später beantragte der Vorstand selbst Insolvenz. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde zunächst mangels Masse abgelehnt, nach einem zweiten Gutachten (nachdem verwertbare Masse festgestellt wurde, die die Verfahrenskosten decken) jedoch beschlosssen.

2. Die beauftragte Kanzlei Leonhardt hatte zunächst ein Gutachten erstellt, welches auf Befragung des Managements und auf Auswertungen der im Haus sichergestellten Unterlagen basierte. Das Gutachten bestätigt ausreichende Auskunft im Rahmen des Verfahrens. Im Zwischenbericht des Insolvenzverwalters, welches (von wem auch immer) den Medien zugänglich gemacht wurde, werden diese Auskünfte nun als " im Wesentlichen falsch" dargestellt.

2a. Es sei "Vermögen verschoben" worden.

Der Jahresabschluß der LIPRO AG ist nach Auskunft zum 31.12.2000 geprüft und testiert. Abschluß und Bilanz wurden mir nicht vorgelegt. Das Vermögen der LIPRO AG besteht im Wesentlichen aus Rechten an selbst entwickelter, bewertbarer Software. Immobilienbesitz existiert nicht, der Fuhrpark ist überwiegend geleast, Büroaustattung und Kommunikationsmittel machen den geringsten Teil am Gesamtvermögen aus.

Die o.a. Rechte an Softwareprodukten sind nach Auskunft der LIPRO AG nach wie vor uneingeschränkt in deren Besitz. Eine "Vermögensverschiebung" i.S.v. Veräußerung von wesentlichen Vermögensbestandteilen liegt deshalb nicht vor. Tatsächlich bedient sich der Insolvenzverwalter an einem der LIPRO AG gehörenden Lizenzrechte, die er einem deutschen Großkonzern zum Kauf andient, um mit dem Erlös daraus zumindest die Verfahrenskosten zu decken (s.o.). Erstaunlich ist, daß hier die Beteiligungsgesellschaft der LIPRO AG, die COMET AG, Düsseldorf, schon vorverhandelt hat. Der Auskunft nach soll ein Kaufbetrag für die Lizenzen im Wert von Mio DM 1 (davon 280 TDM bar, der Rest als Forderungsverzicht) erzielt werden können, während der Insolvenzverwalter diese Position nur mit dem Barbetrag i.H.v. 280 TDM bewertet hat.

2b. Es seien " Konten verschwiegen" worden. Tatsächlich hat LIPRO AG nach dem 30.06.01 ein Konto neueröffnet, welches in einer vom Insolvenzverwalter geforderten Aufstellung zum Stichtag 30.06. nicht enthalten war. Die Kontenunterlagen wurden jedoch - wie alle anderen Bankenunterlagen auch - nach Eröffnung des Verfahrens dem Isolvenzverwalter unaufgefordert und ordnungsgemäß übergeben. Das Konto wurde auch nach Eröffung des Verfahrens nicht mehr aktiv genutzt und hat noch heute einen leicht positiven Saldo. Es handelt sich also um ein ( nicht um mehrere ) Konto, welches m.E. nicht in - wie wohl unterstellt - betrügerischer Absicht verschwiegen wurde.

2c. Es seien "falsche Informationen" über das "Sanierungskonzept" veröffentlicht worden. Der Insolvenzverwalter ist von LIPRO AG über die diversen Fortschritt- und Sanierungskonzepte informiert worden. Der Vorwurf der Falschinformation über das hier angesprochene Konzept ( es sei durch die WP-Gesellschaft Schultze & Braun erarbeitet worden) kann die LIPRO AG nicht treffen: Diese Formulierung ist nur Presseveröffentlichungen zu entnehmen.

Tatsächlich hat S&B das Konzept nicht erarbeitet. Diese Gesellschaft hat jedoch ein entsprechendes Mandat für LIPRO AG übernommen, sich in einem Gespräch das vorliegende Konzept erläutern lassen und hier wohl grundsätzlich die Umsetzbarkeit vorbehaltlich einer Prüfung konstatiert , ihr Mandat aber zwischenzeitlich zurückgenommen.

Die LIPRO AG kann m.E. für Termini, die Presseveröffentlichungen entstammen, nicht belangt werden.

2d. Es sei nach Insolvenzantrag der "Geschäftsbetrieb auf Auffang- sowie Tochtergesellschaften übertragen worden sein. Die LIPRO AG hat keine "Auffanggesellschaft" gegründet. Dieser Terminus (eigentlich ein stehender Begriff) ist - wie mir glaubhaft dargestellt wurde - allein im Schriftverkehr bzw. Sprachgebrauch des Insolvenzverwalters zu finden. Es ist richtig, daß "neue" Firmen gegründet wurden . Diese Firmengründungen folgen - wie mir dargelegt wurde - strategischen Konzeptionen, die schon
Anfang des Jahres, also vor Insolvenzbeantragung niedergeschrieben wurden, allerdings jetzt auch aus anderen Notwendigkeiten.

Der "Geschäftsbetrieb" , damit ist wohl das Geschäft der LIPRO AG gemeint, wurde in einer Form geregelt,die den Fortgang des Unternehmens in der augenblicklichen Situation sicherstellen soll:

Die Mitarbeiter der LIPRO AG sind vom Insolvenzverwalter "frühestens zum 05.10.01" von Ihrer Arbeit freigestellt worden, d.h., die AG kann ihre Aufgaben (Vermarktung, Entwicklung und Weiterentwicklung von Softwares, Projekt- und Kunden-betreuung etc. ) also nicht mehr wahrnehmen (es liegt in der Natur des Software-business, daß neben der Qualität der Produkte die permanente Betreuung der Software wie auch der Kunden den Geschäftserfolg ausmachen). Um - unter diesen Umständen - den Geschäftsbetrieb überhaupt aufrechterhalten zu können, wurden Verträge mit Beteiligungsgesellschaft (COMET AG, Dü) und Partnergesellschaften geschlossen, die im Wesentlichen die Nutzung der bei LIPRO AG verbliebenen Rechte gegen Entgelt zum Inhalt haben. Diese Maßnahme dient erkennbar der Aufrechterhaltung des Geschäftes und der Absicherung der Fortführung.

Auch eine Nutzung von Büro- und Kommunikationsausstattung der LIPRO AG durch o.a.Gesellschaften ist vertraglich gegen Entgelt geregelt. Hier liegen also keine "Übertragungen" von "Geschäftsbetrieb" oder "Geschäftsausstattung" vor, sondern vertraglich geregelte Nutzungsrechte gegen Leistung. Diese Maßnahme des Managements ist m.E. wirtschaftlich sinnvoll - ich vermag mögliche formale Versäumnisse hier nicht zu beurteilen - , wenn die ernsthafte Absicht besteht, das Unternehmen mit seinen gesamtheitlichen Zielen weiterzuführen. Das Unternehmen wurde also m.E. nicht "ausgehöhlt", sondern bemüht sich, in neuer Struktur am Markt überhaupt präsent zu bleiben. Diese Bemühungen - unter den augenblicklichen allgemein widrigen Umständen -sind m.E. gerade aus der Sicht der Anteilseigner wohlwollend zu würdigen.

2e. Erst nach "Polizeiandrohung" habe ein Team des Insolvenzverwalters Akten beschlagnahmen können.

Hier wird wohl mediengerecht ein wenig Farbe für die Presse in den Bericht gegeben. Nach Auskünften von (am besagten Tag der Massesicherung) anwesenden Mitarbeitern war zwar im Haus eine "gereizte" Stimmung vorhanden ( das ist verständlich: wenn man Sicherstellungprozeduren kennt, zu denen ohne Vorankündigung LKWs vorfahren und etliche Spezialisten ausschwärmen, um Unterlagen etc. sicherzustellen), die aber vom Management in Form einer einberufenen Mitarbeiterversammlung zur Information über die Vorgänge gedämpft werden konnte und in eine kooperative Stimmung umschlug. Im Bericht des verantwortlichen Mitarbeiters des Insolvenzverwalters vom Folgetag ist dann auch von Widerstand, Bedrohung, Polizeieinsatz o.ä. nicht die Rede.

Ich würde diesen Vorgang nicht überbewerten (ebensowenig wie die Tatsache, daß der Insolvenzverwalter wohl auch Unterlagen und Akten von Firmen sichergestellt hat, die mit der betroffenen LIPRO AG nicht zu tun haben, und die dieser nach Aufforderung später wieder aushändigte).

2f. Zu konkreten Inhalten von Fortschritts- und Sanierungskonzepten kann ich mich nicht äußern, da eine Plausibilitätsprüfung durch mich nicht erfolgt. Auch die Bemühungen, neue Investoren zu finden , bzw. die Fragestellung, ob und unter welchen Umständen jetzt neue Investoren zur Verfügung stehen, kann ich z.Zt. nicht beurteilen. Ich nehme jedoch die Aussagen, daß konkrete Verhandlungen - unter der Voraussetzung der vorhergehenden Sanierung der AG - mit Aussichten auf Erfolg stattfinden, zur Kenntnis.

3. Wertung:

Diese Wertung erfolgt nach den mir gegenüber erteilten Auskünften und Einsichtmöglichkeiten in Unterlagen, sowie meinem persönlichen Eindruck von den handelnden Personen (im Übrigen wird mir glaubhaft erklärt, daß die o.a. Darlegungen bei Bedarf anderen Stellen gegenüber belegbar sind). Ich halte daher alle o.a. Vorwürfe für im Wesentlichen widerlegbar. Die neue Insolvenzordnung faßt die alte Konkursordnung und die alte Vergleichsordnung in der Form zusammen, daß die Insolvenzverwaltung nun zwar einerseits die verständliche Aufgabe hat, die Masse des betroffenen Unternehmens zum Zwecke der (auch teilweisen) Befriedigung der Gläubigerinteressen zu sichern, andererseits aber auch (als Auftrag zumindest gleichwertig zu sehen) zu überprüfen, wie und unter welchen Umständen das Unternehmen ( zu sanieren und ) fortzuführen ist. (§ 1 IO)

Ich bedauere meine Erkenntnis nach dieser Untersuchung, daß die Insolvenzverwaltung den ersten Part konsequent und schnell durchgeführt hat, allerdings unter Vernachlässigung des zweiten Auftrages.

Es ist hier - und das besonders zu Ihnen als Auftraggeber, geehrter Herr Bartels - auch die Frage, ob der Insolvenzverwalter "Anteilseigner" überhaupt auch als Gläubiger im weiten Sinne versteht oder ausschließlich als (insbesonders am Neuen Markt) Börsenteilnehmer, die das Risiko einer Insolvenz bei ihren Anlageentscheidungen zu berücksichtigen haben und dann die Folgen selbst zu tragen haben ( ohne die Unterstützung der Aufträge der Insolvenzordnung).

Ich habe den Eindruck, daß die (ehemaligen) Mitarbeiter und der Vorstand der LIPRO AG mit allem Ernst versuchen, das Unternehmen zu sanieren, um es erfolgreich in die Zukunft zu führen. Sie haben offensichtlich aus Fehlern der Vergangenheit ( Managementfehler, wie sie häufig bei rasanten Expansionsverläufen gerade junger Unternehmen vorkommen) gelernt. Es ist auch durchaus möglich, daß im Verlauf der turbulenten letzten Monate (eigentlich unentschuldbare) Verfahrensfehler (z.B. Versäumnisse von Mitteilungspflichten ) gemacht wurden. Das ist m.E. heilbar: wesentlich ist wohl im Moment, inwieweit sich LIPRO AG und Insolvenzverwaltung im Sinne eines gemeinsamen Vorgehens zur Sanierung des Unternehmens und zur gemeinsamen Zukunftsplanung annähern und einigen können.

Soviel ich weiß, wird Herr Dr. Küchler in diesem Sinne kurzfristig Kontakt zur Insolvenzverwaltung aufnehmen. Im Nachgang: am Freitag, 02.11., war der Tagespresse zu entnehmen, daß LIPRO AG aus dem Neuen Markt ausgelistet wird ( nach dem aktuellen sog.
Delisting-Verfahren ) und dem geregelten Markt zugeführt werden soll. Nach tel. Auskunft von Herrn Dr. Küchler wird Widerspruch eingelegt werden.

Für Rückfragen stehe ich jederzeit zur Verfügung


mit freundlichen Grüßen

Hans-Joachim Kunz
 
aus der Diskussion: LIPRO - da tut sich was!!
Autor (Datum des Eintrages): Loserin  (14.11.01 14:47:31)
Beitrag: 105 von 496 (ID:4880157)
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