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SPIEGEL ONLINE - 16. November 2001, 10:35
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,167872,00.html
Der Markt-Forscher

Bushs Viagra-Paket

Von Carsten Matthäus

Mit seinem 100-Milliarden-Dollar-Programm will Präsident George Bush die US-Wirtschaft anheizen. Den Großteil seiner Steuergeschenke hat er aber für einen exklusiven Kreis guter Freunde reserviert.




Erst Texas, dann Amerika: US-Präsident Bush


Im Schock des Terrors kommen große Zahlen gut an. Zuerst waren es 40 Milliarden Dollar, die Bush den betroffenen Familien und Unternehmen als Soforthilfe zusagte. Dann griff der Präsident in die Vollen und versprach ein 100-Milliarden-Dollar-Programm - für Amerika, für die Wirtschaft.

Das klang entschieden und sehr mächtig. Manager in Europa verneigten sich schnell vor der Tatkraft des Texaners. Für Deutsche-Bank-Chef Rolf E. Breuer beispielsweise war es sofort klar, dass das Konjunkturprogramm "historische Ausmaße" habe und "wirken muss und wirken wird".

Natürlich wirken 100 Milliarden Dollar. Fragt sich nur, wie. Die Organisation Citizens for Tax Justice (CTJ), eine Art amerikanischer Steuerzahlerbund, hat das Milliardenprogramm genauer unter die Lupe genommen und dabei eine interessante Entdeckung gemacht.


Geplante Abschaffung der AMT - die Hauptgewinner

Unternehmen Ersparnis
IBM 1424
Ford 1000
General Motors 833
General Electric 671
Texas Utilities* 608
DaimlerChrysler 600
ChevronTexaco* 572
United Airlines 371
Enron* 254
Phillips Petroleum* 241
American Airlines 184
IMC Global* 155

Quelle: CTJ; * Energiebranche;
in Millionen Dollar


Im Zuge des Konjunkturprogramms will die Bush-Regierung unter anderem die so genannte Alternative Minimum Tax (AMT) abschaffen, eine Mindeststeuer für Unternehmen und Privatpersonen, die ansonsten wegen Steuerschlupflöchern zu wenig an den Staat zu zahlen hätten. Von der Abschaffung der ungeliebten Steuer profitiert vor allem die Mineralöl- und Energiebranche. Ganz vorne dabei sind der CTJ-Studie zufolge zwei Unternehmen mit Hauptsitz in Texas, nämlich die Texas Utilities Company und Chevron Texaco.

Solch eine großzügige Sonderbehandlung der Energieunternehmen hat System. Sowohl Bush als auch sein Vizepräsident Dick Cheney brüsten sich gerne damit, einmal im texanischen Ölgeschäft ihre Dollar verdient zu haben. Cheney soll bei seinem Wechsel in das Vizepräsidentenamt rund 36 Millionen Dollar als Abfindung mitgenommen haben, weil er dafür den Chefsessel des Erdölzulieferers Halliburton in Dallas aufgab. Gemeinsam streiten sie dafür, dass in den Naturreservaten von Alaska nach Öl gebohrt wird - gegen die Mehrheitsmeinung der amerikanischen Bevölkerung. Die Energiebranche, auch das sagt eine Studie der CTJ, ist traditionell der größte Wahlkampffinanzierer und profitierte bisher am stärksten von Steuersenkungen.


Eigennützige Wahlkampfhilfe

Branche Parteifinanzierung Steuersenkung*
Energie 141 Mio. 16,2 Mrd.
Computer 58,6 Mio. 8 Mrd.
Automobil 9,5 Mio. 2,4 Mrd.

Quelle: CTJ, Public Campaign; * in Dollar


Bushs 100-Milliarden-Paket, das unter dem Namen "Stimulus Bill" ständig in den Schlagzeilen ist, wurde bisher nur vom amerikanischen Kongress abgesegnet. Im Senat will die Mehrheit von Demokraten dagegen ein Konjunkturprogramm durchsetzen, das vor allem Kleinverdiener begünstigt. Vizepräsident Cheney hat sich allerdings schon wieder mit Worten in die Diskussion eingeschaltet, die nicht an seinen Vorlieben zweifeln lassen. "Die `Stimulus Bill` muss mit einem guten Programm zur Förderung der inländischen Energieproduktion kombiniert werden", sagte er kürzlich vor der amerikanischen Handelskammer. Seiner Ansicht nach wäre es "extrem töricht" für die Vereinigten Staaten, jetzt nicht die Ölproduktion zu fördern. Außerdem müsse nun, angesichts der neuen weltweiten Risiken, verstärkt in Alaska nach Öl gebohrt werden - Terrorbekämpfung auf texanisch.

Amerikanische Kommentatoren haben wenig übrig für die "Stimulus Bill". Nach Ansicht des "Wall Street Journal" sind die 100 Milliarden nichts als "ökonomisches Viagra" - ein kurzes Aufbäumen der Wirtschaft, begleitet von viel Marketing. Paul Krugman, einer der berühmtesten US-Ökonomen und "New York Times"-Kolumnist, hält das Konjunkturprogramm für blanken Zynismus. Bisher, so sein vernichtendes Urteil, hätten Politiker nur Geschenke für die eigene Klientel in Hilfsprogramme hineingemogelt. Das Bush-Paket dagegen sei einzig und allein für die eigenen Kostgänger geschnürt - mit dem Terror als Entschuldigung.
 
aus der Diskussion: Der Wahnsinn von Amerika
Autor (Datum des Eintrages): nasdaq10.000  (17.11.01 13:13:21)
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