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Aus der FTD vom 19.11.2001

John Malone mischt die deutsche Medienbranche auf
Von Lutz Meier und Stefan Krempl, Berlin

Der Chef des Kabelkonzerns Liberty nimmt die Ankündigung seines Einstiegs bei Premiere zurück. Irritationen gibt es beim künftigen Standard für Digital-TV.

Einen Tag später war alles ganz anders. Der Einstieg bei Premiere sei doch "wohl nicht der effizienteste Weg", zitierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Samstag John Malone, dessen Kabelimperium Liberty Media den Großteil der Telekom-Kabelnetze übernommen hat. Noch einen Tag vor Malones Aussage hatten dessen Sprecher den Plan als bereits abgemachte Sache dargestellt - mit Partner Rupert Murdoch sei sich Malone "weitgehend einig", dessen Anteile an dem von der Kirch-Gruppe betriebenen Pay-TV-Angebot zu übernehmen, der Deal stehe "kurz vor dem Abschluss". Laut der Kirch-Gruppe hatten allerdings Liberty-Manager die Aussagen noch am Freitag gegenüber dem Medienkonzern aus München wieder zurückgenommen.


Hin und Her bei Premiere


Ob es eine PR-Panne war oder ein kalkuliertes Manöver: Die Nachricht hatte Liberty punktgenau zu einem Gesprächstermin von Malone und Leo Kirch in Berlin platziert. Und das Hin und Her um den Plan bei Premiere zeigt, wie Liberty seit seinem Einstieg in Deutschland für Irritation in der Medienbranche sorgt. Vor einigen Wochen hatte Liberty die Senderbetreiber Kirch-Gruppe, die RTL Group des Bertelsmann-Konzerns sowie ARD und ZDF vor den Kopf gestoßen, als Europachefin Miranda Curtis ankündigte, Liberty werde nicht den von Sendern und Medienaufsicht bevorzugten Technikstandard MHP für das künftige digitale Fernsehen einsetzen, sondern plane stattdessen einen eigenen Decoderstandard - was es für die Sender teurer macht und gleichzeitig den freien Wettbewerb erschweren könnte. Daher wird die Technikfrage derzeit von allen Sendern und manchen Medienaufsehern zur entscheidenden Frage erklärt. Ihnen kommt zugute, dass sich zuletzt sogar die US-Kabelnetzbetreiber auf MHP als Standard für die neue Generation von Decodern geeinigt haben. Beschlossen hat es die Dachorganisation Cable Labs, in deren Aufsichtsrat Malone sitzt.


Vor Parlamentariern in Berlin bekräftigte dieser dennoch nun die Ablehnung. MHP sei für Liberty nicht nur zu teuer. Es sei auch kein "wahrhaft offener Standard", wie dessen Anhänger behaupten. Vielmehr habe der Softwarekonzern Sun hier "einen Fuß in der Tür", weil MHP auf dem Programm-Standard Java beruht, den Sun entwickelt hatte. Mit diesen Aussagen sorgte Malone schon wieder für Verwirrung unter den Experten - schließlich gilt auch Java als frei zugänglich und der Kontrolle von Sun entzogen.


Gut möglich, dass es Liberty mit den Aussagen zum technischen Standard ebenso wenig ernst ist, wie mit dem Premiere-Einstieg. Das vermutet Hans Hege, der unter den Chefs der Landesmedienanstalten für Kabelfragen zuständig ist und vergangene Woche auch zu den Gesprächspartnern Malones gehörte. Malone taktiere derzeit. Er versuche, sein Investment mit möglichst vielen Bedingungen zu verknüpfen. Gegenüber Geschäftspartnern in spe wie Kirch scheint er sich dabei kaum anders zu verhalten als gegenüber den Regulierern oder dem Kartellamt, das bis zum 8. Januar über Malones Investment befinden will.



Vermarktung im Mittelpunkt


Hege vermutet, dass das Pokerspiel Malones darauf abziele, vom Kartellamt möglichst großzügige Bedingungen bei der Übernahme weiterer Kabelnetzteile einerseits und bei der Herrschaft über die Vermarktung von Sendern andererseits zu bekommen. "Nicht MHP, sondern die Vermarktung ist für Malone die zentrale Frage", glaubt Hege.


Die Übernahme weiterer Kabelnetzbetreiber, die über Zugang zu den Haushalten verfügen, nannte Malone selbst als Bedingung dafür, dass er das 5,5 Mrd.-Euro-Geschäft tatsächlich vollzieht: "Wenn dies von der Kartellbehörde untersagt werden sollte, werden wir in Deutschland nicht tätig", drohte er. Laut Beteiligten hat sich Malone in den Verträgen mit der Telekom weitreichende Ausstiegsklauseln vorbehalten.


Malone warb um Zustimmung für seine Pläne auch mit dem Argument, er wolle im Geschäft mit Internetzugängen und Datentransport im Kabel der Telekom Konkurrenz machen. Und zwar "so schnell, wie wir können - sonst bedient Ron Sommer schon alle Kunden". In der Telefonie, wo das Kartellamt ebenfalls Wettbewerb zur Telekom wünscht, werde es dagegen noch länger dauern, bis Ron Sommer durch ihn Konkurrenz bekommt, deutete Malone an.



© 2001 Financial Times Deutschland

Quelle:http://www.ftd.de/tm/me/FTD4BNCT7UC.html?nv=se

Ciao Kamischke
 
aus der Diskussion: PRIMACOM THEAD 99 (LIBERTY BRAUCHT LEVEL 4)
Autor (Datum des Eintrages): kamischke  (19.11.01 20:28:25)
Beitrag: 76 von 162 (ID:4921551)
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