Fenster schließen  |  Fenster drucken

Von Redaktion w::O

ANALYSE: Am Aktienmarkt drohen Herbststürme

Der Aufschwung an der Börse steht auf wackeligen Beinen

Endlich gibt es wieder richtige Kursgewinne zu feiern. Warnende Stimmen gibt es währenddessen kaum. Dabei steht der Aufschwung an den wichtigsten Börsen der Welt auf tönernen Füßen, die unter dem Druck der Weltpolitik jederzeit einknicken können. Größtes Risiko ist ein US-Militärschlag gegen den Irak - und damit ein explodierender Ölpreis.

"Der Krieg gegen den Terror wird lang". Die Warnung von US-Präsident George Bush hat sich - so scheint es - aus den Köpfen der Börsianer erst einmal verabschiedet; um so stärker, je weiter die Nordallianz in Afghanistan die Taliban zurück drängt. Die Börsen feiern seit dem 21. September eine Hausse, die zum Beispiel dem Neuen Markt eine Kursverdoppelung gebracht hat.

Nicht nur die militärischen Erfolge der Verbündeten USA, Großbritannien und Nordallianz haben dabei die Börsianer berauscht. Die Börse rennt nach vorne, während auch die frühen wirtschaftlichen Indikatoren noch weit zurück hängen. Es ist ein kräftiger Schluck aus der Konjunkturwachstums-Pulle, den sich die Marktteilnehmer vorab gegönnt haben. Landauf, landab ist eine wirtschaftliche Erholung spätestens zur Jahreshälfte 2002 ausgemachte Sache unter Volkswirten. Die Börse - in der ihr eigenen Art - nimmt die Ereignisse vorweg; und übersieht dabei im kurzfristigen Kaufrausch so manches Warnsignal.

"Der Krieg gegen den Terror wird lang", und endet sicherlich nicht in Afghanistan. Im Visier der USA stehen weitere der sogenannten Schurkenstaaten, wie zum Beispiel Irak oder Somalia: Sunnitisch geprägte mutmaßliche bzw. überführte Unterstützer des internationalen Terrors. Während eine Militäraktion gegen das strukturschwache und zerrissene Somalia vor allem solidarischen Zorn in vielen islamischen Ländern nach sich ziehen dürfte, wäre eine Attacke gegen US-Erzfeind Saddam Hussein - vor allem von wirtschaftlichen Interessen aus - ungleich risikovoller: Noch längst nicht verblasst ist die Erinnerung an die Explosion des Ölpreises, als der Irak im August 1990 die Invasion in Kuwait startete.

Eine Entwicklung, die auch die Amerikaner riskieren, sollte ein Schlag gegen den Irak durchgeführt werden. Mit fatalen Folgen für viele Wirtschaftsprognosen, die auf einem niedrigen bis stabilen Ölpreis aufgebaut sind. 22 bis 28 Dollar je Barrel ist die Zielmarke der OPEC, die auch für die Berechnungen der Analysten ein Anhaltspunkt gewesen sein dürfte. Weit über der OPEC-Zielmarke notierte der Ölpreis während der Kuwait-Krise. Ein Umstand, der alle derzeitigen Berechnungen über den Haufen werfen würde und damit die Aussicht auf eine schnelle Konjunkturbelebung zunichte machen würde.

Und auch die Aussicht auf weiter sinkende Zinsen zumindest in Europa erst einmal zerstören könnte. Neben der schwachen Inlandsnachfrage hat auch der gesunkene Ölpreis den Inflationsdruck deutlich abgemildert. Die Preise für Benzin zum Beispiel liegen mehr als 20 Prozent unter ihren diesjährigen Höchstmarken. Dreht der Trend beim Ölpreis endgültig, dürften sehr schnell in der "europäisierten Bundesbank" namens EZB die Inflationssorgen wieder zunehmen - und die Unternehmensgewinne auf Grund steigender Kosten für Ölprodukte weiter abnehmen.

Die Risiken sind nicht von der Hand zu weisen, dass der Schluck aus der Konjunkturwachstums-Pulle zu früh und zu drastisch gewesen ist und nun einen Kater nach sich ziehen könnte. Kopfschmerzen dürfte den Börsianern dabei auch die politische Wetterlage machen. "Der Kampf gegen den Terror wird lang" - und zunehmend risikoreicher. Länder wie der Irak dürften sich als wesentlich größerer Brocken erweisen als Afghanistan, zumal die politische Unterstützung islamischer Länder für eine solche Militäraktion wohl nur sehr schwer zu gewinnen ist.

Dazu kommt, dass viele Indizes derzeit technisch überkauft sind und somit wie eine überreife Frucht den weltpolitischen Stürmen ausgesetzt sind. Im Fall weiterer militärischer Aktionen der USA dürfte sich die "Hausse mit Angst", wie einige der Marktteilnehmer die Aufwärtstendenz titulieren, kurzfristig als viel zu mutig erweisen. Dass die Kurse noch einmal auf die Tiefs des Septembers fallen, erscheint dabei allerdings unwahrscheinlich. Zu einer Ausverkaufspanik wie nach dem 11. September wird es wohl nicht noch einmal kommen. Ein erneuter deutlicher Rückschlag könnte sich daher langfristig als Kaufchance entpuppen.

Autor: Michael Barck, 08:45 26.11.01
 
aus der Diskussion: 26.11.01: Tage der Entscheidung: Weihnachtsrallye oder Nikolauscrash?
Autor (Datum des Eintrages): optiman  (26.11.01 11:30:04)
Beitrag: 66 von 468 (ID:4972176)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE