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12.12.01 07:23 Artikel versenden Artikel drucken


Telematik: Bald fest in der Hand der Autobauer?

Wachstumsmarkt im Kampf um Kunden

Die Telematik gilt allgemein als eine der Wachstumsbranchen schlechthin. Mit dem Begriff ist so ziemlich all das gemeint, was mit der mobilen Kommunikation im Kraftfahrzeug zu tun hat. Im engeren Sinne geht es um die Sicherheit. So wird bei einem Unfall etwa eine automatischer Alarm erzeugt, der Hilfskräfte aktiviert. Im Pannenfall wird der nächstgelegene Reparaturdienst verständigt. Bei einem Überfall oder einem Diebstahl meldet sich das Telematiksystem ebenfalls automatisch und sendet Positionsdaten. Verkehrshinweise gehören ebenso dazu wie die Navigation, die die aktuelle Verkehrslage einbezieht.

Schließlich wird auch die Unterhaltung und die nicht-verkehrsbezogene Kommunikation im Auto unter dem Dach der Telematik angesiedelt. Im geschäftlichen Einsatz kommt die jederzeitige Positionskontrolle des Fahrzeugs durch die Transportleitung und die Ausgabe von (neuen) Fahrzielen und Routen hinzu. Auch die Erfassung wichtiger Fahrzeugdaten und Betriebszustände spielt eine Rolle.



Marktbeobachter sind sich einig, dass solche Systeme schon bald zum Alltag gehören. Wenn die Geräte erst billiger sind, wird man sie auch in Fahrzeugen der Klein- und Mittelklasse finden. Frost & Sullivan sieht im europäischen Telematik-Markt dramatisch steigende Umsätze. Nach gerade einmal 1,0 Mrd. Euro im vergangenen Jahr soll 2004 die 2 Mrd. Euro Grenze überschritten und 2007 rund 8,6 Mrd. Euro erreicht werden. Dann soll es knapp 9,6 Millionen Endgeräte geben. Im Jahr 2000 wurden mehr als 1,1 Millionen Systeme gezählt .

General Motors hat im vergangenen Jahr mehr als eine Million Fahrzeuge mit Telematiksystemen der Tochter OnStar ausgeliefert. Im laufenden Jahr will der weltgrößte Autobauer auf etwa 1,4 Millionen kommen. Wettbewerber Ford ist gemeinsam mit Qualcomm an Wingcast beteiligt. Die markenmäßig stark gegliederte Ford-Gruppe hat bislang einige hunderttausend Fahrzeuge mit Telematik-Systemen ausgerüstet. Wingcast plant für 2010 hier eine Zahl von 10 Millionen.

Für die Automobilhersteller bietet die Telematik die Jahrhundertchance, ihre Wertschöpfung zu steigern. Ihre Märkte wachsen gegenwärtig nur noch im untersten einstelligen Prozentbereich. Da kommt es darauf an, sich zu differenzieren, um Wettbewerbern Marktanteile abzunehmen. Daneben bietet sich die Telematik als Möglichkeit an, mit bestimmten Diensten direkt Umsatz zu generieren. Die Versuchung der Hersteller ist groß, diese Einnahmequelle massiv für sich zu erschließen. Dabei wird es wohl Allianzen mit Anbietern von Mobiltelefondiensten geben. Der dritte Gesichtspunkt ist die Aufrechterhaltung und Festigung der Kundenbindung. Auch hier will man mit auf die Marke und das Kundenprofil zugeschnittenen Angeboten verdienen, jedoch steht im Vordergrund, erreichte Marktanteile zu verteidigen.

Die Gefahr, dass den Kfz-Anbietern bei der Telematik durch unabhängige Dritte das Heft aus der Hand genommen wird, ist eher gering: Moderne Endgeräte der Telematik sind im Gegensatz etwa zu Mobiltelefonen sehr eng mit der Fahrzeugelektronik verknüpft. Daher dürften die strategischen Chancen der Telematik durch die Automobil-Hersteller voll ausgeschöpft werden können. Es ist sicher kein Zufall, dass die großen Telematik-Anbieter Töchter von Kfz-Herstellern sind.

Wingcast will jetzt den ersten paneuropäischen Telematikdienst aufbauen und investiert dazu einen Euro-Betrag in dreistelliger Millionenhöhe. Derzeit ist das Unternehmen mit praktisch allen europäischen Automobilbauern im Gespräch, um seine stark auf die Markenbindung ausgelegte Philosphie an den Mann zu bringen. „Paneuropäisch“ bedeutet dabei, dass die Angebote des Unternehmens in ganz Europa in der jeweiligen Muttersprache des Fahrers verfügbar sind.

Das Unternehmen betont die Chance für die Hersteller, auch nach dem Kauf mit den Kunden in Kontakt zu bleiben. Bisher waren die Berührungspunkte auf eher negativ geprägte Anlässe, wie etwa eine Reparatur, beschränkt. Jetzt kann der Hersteller auf die einzelnen Bedurfnisse zugeschnittene Dienste anbieten und sich ins rechte Licht setzen. Wingcast sieht neben der laufenden Fahrzeugdiagnostik mit individualisierten Serviceintervallen z.B. die Kfz-Versicherung, deren Kosten gebrauchsbasiert berechnet werden könnten. Da praktisch jeder Hersteller mittlerweile im Finanzierungsgeschäft tätig ist, bieten sich ferner Bankdienstleistungen an. Natürlich gehört auch der große Komplex der Positions-basierten Angebote dazu, die einem Autofahrer etwa das nächstgelegene Hotel oder Restaurant empfehlen und auch gleich die Reservierung vornehmen.

Der Fantasie sind erst einmal keine Grenzen gesetzt. Klar ist wohl, dass hier große Anbieter in den Markt drängen und große Allianzen bevorstehen. Technische Pioniere wie etwa die ComROAD werden sich auf diese Situation einstellen müssen. Die Bayern sehen ihr Kerngeschäft in der Bereitstellung von Telematik-Diensten und ihr Hardware-Angebot als Mittel zum Zweck. So weit liegen sie richtig. Ob die Autofahrer allerdings einen unabhängigen Dienst bevorzugen, wenn ihnen der Hersteller einen eigenen mit auf die Marke zugeschnittenen Eigenschaften anbietet, steht noch nicht fest. Hierzu wären u.a. fortlaufend neue besondere Alleinstellungsmerkmale erforderlich, deren Vorrat nicht unendlich ist. So dürfte sich auch hier allmählich die Frage von Allianzen oder die Fokussierung einer angemessenen Nische stellen.

Autor: Klaus Singer, 07:23 12.12.01


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R.I.P.Comroad :)
 
aus der Diskussion: Dramatisches Kursziel für COMROAD: 0,28€ & damit Delisting!
Autor (Datum des Eintrages): germanasti  (12.12.01 08:09:38)
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