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@krisenmanager et al.

Dein Beitrag, KM, gibt mir die Gelegenheit auf Deine Postings 25 und 30 aus dem Primacom Thread 99 und auf die Postings von Winetrader und Nullgesicht nachträglich einzugehen. Ich hatte dies ohnehin vor, wollte aber nicht zum Alleinunterhalter werden.


Soviel vorweg: Jede Art der Regulierung ist grundsätzlich volkswirtschaftlich ineffizient (das ist nicht nur meine Meinung, sondern die herrschende Meinung unter Volkswirten), denn dadurch wird die Koordination durch den Markt untergraben. Der Markt reguliert (neben anderen Faktoren wie z.B. gerechte Einkommensverteilung) Ressourcen auf der Angebots- und Nachfrageseite. Jede Beeinflussung führt zu einem Ungleichgewicht und ist somit ineffizient.

"Leider" gibt es in der Politik neben dem wirtschaftlichen Wohlergehen auch andere Bestimmungsgründe. Dazu zählt die Vielfalt bzw. in diesem Fall die Meinungsvielfalt - und das ist natürlich auch gut so!! Es stellt sich aber die Frage, inwiefern, im Zuge immer besser werdender Kommunikationsmöglichkeiten, die Meinungsvielfalt, auch vor dem Hintergrund politischer Eigeninteressen und sich den daraus ergebenden Gefahren für opportunistisches Verhalten, staatlich geschützt werden muß.

Meinungen erreichen uns heute schliesslich nicht nur durch Zeitungen, Fernsehen und Radio. Inzwischen bietet das Internet praktisch jedem Individuum die Möglichkeit die eigene Meinung im wahrsten Sinne des Wortes zu publizieren. Das kann rudimentär dadurch erfolgen, daß man Beiträge bei W:O postet bzw. liesst. Jeder hat aber, bei immer niedriger werdenden technischen und finanziellen Barrieren, sogar die Möglichkeit einen "Fernsehsender" im Internet zu starten. So hat beispielsweise auch der konentionelle Fernsehsender RTL die Möglichkeit ihren Content nicht nur in die Kabelnetze und Satelliten einzuspeisen, sondern kann zudem mit wachsender Breitbandkapazität und Verbreitung des Internet auch über das WWW übertragen. N-TV betreibt dies sogar schon seit längerem mit ihren (Live-)Video-Streams.

Die Gegebenheiten der 60er/70er Jahre existieren also (bald) nicht mehr. Ein Medienrat ist vor diesem Hintergrund eigentlich weitgehend überflüssig.
Aber, wie schon Nullgesicht treffend meinte, sind die Medienräte zu einem komfortablen Refugium für altgediente Politiker und Funktionäre geworden und haben dadurch eine sehr starke Lobby, so daß es also langfristig Sache der Europäischen Union sein wird, die längst fällige Deregulation der Medien voranzutreiben.


Soviel zur Regulierung des Medienmarktes. Kommen wir zur - aktuell gegebenen - Regulierung des Telekommunikationsmarktes: Hier geht es nur indirekt um Vielfalt. In Deutschland - aber auch in vielen anderen europäischen Ländern - haben sich originär staatliche Monopole gebildet. Ihre Existenz stellte eine derart hohe Marktzutrittsbarriere dar, daß hier temporär(!) regulierend interveniert werden muss, um erst einen Markt zu schaffen.

Die Deutsche Telekom ist inzwischen ein privatrechtliches Unternehmen. Eine Regulierung ist nur solange zulässig wie die Telekom eine marktbeherrschende Stellung innehat.

Erhält die Telekom im Ortsnetz, z.B. durch Kabelnetzunternehmen wie Primacom, eine schlagkräftige Konkurrenz werden die Regulationen mit sinkendem Marktanteil sukzessive abgebaut werden müssen.

Beispielsweise Call-By-Call und Preselection stellen solche Regulationen dar. Konkurrenzunternehmen wie Arcor und Mobilcom müssen ihren (Anschluss-)Kunden (bei vollem Anschlusswechsel, also im Falle eines eigenen Ortsnetzes) diese Optionen nicht anbieten !- und zumimndest Arcor tut dies im Übrigen auch nicht!!! Es ist nicht möglich mit einem Arcor-ISDN-Anschluss Call-By-Call oder Preselection zu nutzen. M.a.W.: TelCo`s wie Arcor müssen ihre Netze nicht der Konkurrenz öffnen !

Primacom wird dementsprechend ihr Kabelnetz in Bezug auf Telefonie und Internet auch nicht für Konkurrenten öffnen müssen - im Gegenteil - die Telekom wird mittel- bis langfristig ihre marktbeherrschende Stellung verlieren und darf dann ebenfalls auf Call-By-Call und Preselection verzichten.


Zu dem geposteten Artikel aus den Niederlanden:
Kleinere Anbieter wie Casema haben mit dem genannten Gesetzesentwurf sicher geringere Probleme. Schließlich bezieht sich ihre Kernkompetenz auf Durchleitung und nicht Schaffung von Inhalten. Spezialisierte Anbieter können dies wesentlich effizienter leisten. Der europaweit größte Kabelnetzbetreiber UPC sieht dies freilich wesentlich kritischer. Schliesslich haben sie mit ihrem Tochterunternehmen Chello einen sehr erfolgreichen Internet-Service-Provider unter ihrem Dach - Konkurrenz wäre da nur lästig.
Primacoms Multikabel hat im Übrigen gerade erst vor kurzem diesen Sektor vollständig integriert und offensichtlich in ganz erheblichem Maße sog. Transaktionskosten eingespart.

Auch in NL wird eine Regulation mit zunehmender Verbreitung und Bandbreite von Internet weder im Markt für Telefonie, noch in den Märkten für Internet oder Fernsehen notwendig sein.
Es stellt sich, neben der Frage ob hier angesichts von DSL-Konkurrenz überhaupt ein wettbewerbliches Problem besteht, die Frage, ob es überhaupt legitim ist, nicht ein staatliches (wie oben geschildert) - sondern ein natürliches Monopol zu regulieren. Schliesslich sind sog. Monopolrenten - vergleichbar mit Patenten - ein Anreiz um überhaupt zu investieren.

Ich kenne die Beweggründe der niederländischen Politik nicht, aber übertragen auf deutsche Verhältnisse wäre die Situation geradezu perfide (und verfassungswidrig): Einerseits sollen die Kabelnetzunternehmen mit einem enormen finanziellen Einsatz (über 800 Mio. Schulden bei Primacom) und unternehmerischem Risiko (sh. Aktienkurs) die Infrastruktur schaffen und andererseits beeinträchtigt die Öffentlichkeit die Refinanzierung und die Abschöpfung von Gewinnen - das wird so nicht gehen. Die sog. Sozialbindung des Eigentums in Deutschland ermöglicht es zwar in Grenzen, das Selbstbestimmungsrecht des Unternehmers einzuschränken (z.B. Kollusion der Grundrechte Eigentum und Meinungsfreiheit), eine solche Maßnahme würde allerdings nicht zuletzt in- wie ausländische Investoren (Liberty !) abschrecken und das wäre nicht im öffentlichen Interesse.




Es ist meine Überzeugung, daß hier spätestens am Ende dieses Jahrzehntes nicht mehr von unterschiedlichen Märkten die Rede sein wird, Regulierungen zum Zwecke der Sicherung der Meinungsvielfalt überflüssig werden, und sich die besten Übertragungstechnologien durchsetzen werden - und diese werden UMTS und das Kabelnetz sein, wobei beide Übertragungswege weitgehend unterschiedliche Märkte bedienen werden, deren Abgrenzung anhand technischer Kriterien determiniert werden kann (UMTS für mobile Anwendungen, Kabelnetz für Breitbandanwendungen).

Wie man sieht ist hier einiges in Bewegung - und wir sehen erst die einsetzenden Wehen zu Beginn des Informations- bzw. Kommunikationszeitalters und Primacom ist mitten drin.


(c) meryll.


Lehne mich jetzt mal zurück und erwarte Eure Stellungnahmen.



P.S.
Zur Regulierung in Deutschland:
http://www.regtp.de/behoerde/02308/01/
Insbesondere Punkt 9 Satz 2.
[urlhttp://www.bmwi.de/Homepage/download/telekommunikation_post/… [/url]
 
aus der Diskussion: PRIMACOM THREAD 100
Autor (Datum des Eintrages): meryll  (15.12.01 15:31:39)
Beitrag: 21 von 192 (ID:5127471)
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