Fenster schließen  |  Fenster drucken

FOKUS 1 - Plünderungen und Krawalle erschüttern Argentinien

Buenos Aires, 19. Dez (Reuters) - Das in einer tiefen Wirtschaftskrise steckende Argentinien ist am Mittwoch erneut von schweren Tumulten erschüttert worden. In der Hauptstadt Buenos Aires und im Nordosten des lateinamerikanischen Landes ging die Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen gegen Plünderer vor, während wütende Demonstranten vielerorts gegen die Sparmaßnahmen der Regierung und die zunehmende Verarmung protestierten. Um die aufgebrachte Bevölkerung zu beruhigen, wies die Mitte-Links-Regierung mittlerweile Lebensmittelhilfen in Höhe von sieben Millionen Dollar (etwa 15,2 Millionen Mark) an.

In der Nacht zum Mittwoch stürmten Hunderte von Argentiniern mindestens sechs Supermärkte im Norden und Westen von Buenos Aires und stahlen Waren von Fernsehern bis hin zu Textilien. Auch nach Sonnenaufgang kam es in den Vororten der Hauptstadt zu sporadischen Raubzügen. Beobachter sprachen von einer der schwersten Ausschreitungen, seit Präsident Raul Alfonsin 1989 über die Lebensmittel-Krise stürzte. Offiziellen Angaben zufolge wurden fünf Polizisten in den Auseinandersetzungen verletzt. Wie viele Demonstranten und Plünderer verletzt oder verhaftet wurden, wurde nicht bekannt.

In Argentiniens zweitgrößter Stadt Cordoba lieferte sich die Polizei Straßenschlachten mit städtischen Beschäftigten, die gegen Lohnrückstände demonstrierten und Protestlieder sangen. Die Polizei schoss mit Gummigeschossen auf die Demonstranten, aus den städtischen Büros quoll Berichten zufolge Tränengas. Aus den meisten anderen Provinzen des Landes wurden vereinzelte Zwischenfälle gemeldet. Auch das Zentrum von Buenos Aires blieb den Berichten zufolge ruhig.

In der nordöstlichen Provinz Entre Rios sahen Sicherheitskräfte hilflos zu, wie Hunderte von Plünderern im Schutz brennender Autoreifen mit ihrem Diebesgut flüchteten. "In unserer Nachbarschaft verhungern Menschen", sagte ein wütender Plünderer. "Wir nehmen uns nur Lebensmittel, das ist nicht zuviel verlangt." Gegen Tagesanbruch übertrug das argentinische Fernsehen aus Geschäften Bilder von zerrissenen Lebensmittelverpackungen und zerbrochenen Schaufensterscheiben.

Während die Regierung nach eigenen Angaben unter den Demonstranten Agitatoren ausmachte, klagten die Protestler selbst, darunter Mütter mit Kindern, über Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit. Die Krawalle gelten als weiterer Schlag gegen Präsident Fernando de la Rua, dessen Popularität Meinungsumfragen zufolge ihren Tiefststand erreicht hat. De la Ruas Regierung kämpft mit einem Schuldenberg von 132 Milliarden Dollar, einer seit vier Jahren andauernden Rezession und einer Arbeitslosenquote von 18,3 Prozent.

Protestmärsche und zumeist friedliche Straßensperren sind an angesichts der Verarmung inzwischen an der Tagesordnung. Argentinischen Studien zufolge rutschen täglich rund 2000 Menschen unter die Armutsgrenze. Seit die Regierung Anfang des Monats aus Sorge vor einem Bankensturm Barabhebungen von Privatkunden auf 250 Dollar pro Woche begrenzte, haben die Proteste weiter zugenommen.

Beobachter sprechen von einer "Misstrauenswelle" im Land, Produktion und Konsum würden durch die Krise im Finanzsektor gebremst. Die meisten Volkswirte sehen Argentinien inzwischen auf eine katastrophale Zahlungsunfähigkeit und auf die Abwertung des an den US-Dollar gebundene Peso zusteuern. Dieser Bruch könnte jedoch für Tausende Menschen den Bankrott bedeuten.
:(
 
aus der Diskussion: 20.12.01 + 21.12.01: Lasset die Hexen mit dem Christkind tanzen!
Autor (Datum des Eintrages): germanasti  (20.12.01 06:11:59)
Beitrag: 3 von 1,123 (ID:5191648)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE