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Der große Puppenspieler

Der große Puppenspieler hat viel zu tun: sämtliche Menschen auf der Erde hängen an seinen Fäden, die wiederum an seinen Händen hängen. Jeden einzelnen Menschen bewegt er - das kann man sich gar nicht vorstellen! So hat der große Puppenspieler jeden Tag alle Hände voll zu tun und noch nicht einmal nachts kann er schlafen. Denn auch nachts müssen Menschen bewegt werden. Ob das in Afrika, Europa oder Australien ist: wenn ein Mensch zum Bus geht oder zu Hause ein Programm seines Fernsehers wechselt oder im Wald ein Tier erlegt - das alles macht er, der große Puppenspieler! Auch wenn ein Mensch nickt oder mit dem Kopf schüttelt macht er das. Ja, auch die Lippen bewegt er.
"Was macht der da?" lässt er ganz oft seine Puppen fragen. Aber nur sehr wenige hören die Frage, die sie sich selbst stellen. Und noch weniger Menschen stellen die nächste Frage: "Wir können keine Fäden sehen, an denen wir hängen, großer Puppenspieler. Was sind sie?"
"Ich ziehe euch alle mit Liebe" antwortet da der große Puppenspieler unwillig "und stoße euch mit dem Schrecken."
Sehr erschrocken sind die Menschen dann immer und immer zieht es sie dann zur Liebe.
Doch einmal, da ließ sich ein Jüngling nicht stoßen. Und er merkte, dass auch nichts ihn mehr zog. Er konnte nur die Fäden sehen, an denen alle Menschen hingen. Eilig rannte er durch die Welt und sagte hastig zu allen "Passt auf, ihr werdet euch gleich so oder so bewegen!". Zu vielen Menschen sagte er das und viele bewegten sich so, wie er das gesagt hatte. Er sah die Fäden und er sah die Menschen, wie sie sie zogen und stießen. Aber die Menschen hörten ihn nicht, weshalb er nach einiger Zeit ein einsames Leben führte. Dabei wurde er mindestens so einsam, wie der große Puppenspieler, der ihn nicht mehr bewegte.
"Was machst du da?" fragte der Jüngling, der inzwischen schon etwas älter geworden war, den großen Puppenspieler. "Ich kann deine Fäden sehen, an denen sie hängen." fuhr er fort.
"Ich ziehe euch alle mit Liebe" antwortete der große Puppenspieler überaus sanft "und stoße dich mit dem Schrecken!"
`Sinnlos` dachte sich da der Jüngling `den Alten noch weiter zu fragen.` Alt mußte er wirklich schon sein, der große Puppenspieler. Mindestens so alt, wie die Menschen, wenn nicht noch älter. Und so vielbeschäftigt!
"Es ist wohl besser ich nenne dich künftig nicht mehr den `großen`, sondern den `alten` Puppenspieler." sprach der Jüngling und ging seiner Wege.
Da erschrak der alte Puppenspieler bis ins Mark seiner großen Knochen! Doch darüber, dass er überhaupt erschrecken konnte, erschrak er noch viel mehr: Bin ich selbst zur Puppe geworden? Ich, der große Puppenspieler - gelenkt von einem noch größeren Puppenspieler? - Das konnte nicht sein!
Aber es war so: der Jüngling lachte, obwohl er sehr weit weg von dem Alten war, so laut er konnte durch alle Wälder und Täler und durch alle Städte und Strassen auf der Erde, die gerade in seiner Nähe waren und er war sicher, dass der Alte ihn hören konnte. "Du hängst jetzt an meinen Fäden, Alter!" schmetterte er donnernd seinem Lachen hinterher und auch das hörte der alte Puppenspieler.
Jetzt verging eine lange, sehr lange Zeit, in der nichts Nennenswertes passierte. Der Alte hatte wie immer alle Hände voll zu tun und der Jüngling lebte sein einsames Leben. Ohne dabei zu erschrecken fiel dem Jüngling eines Tages ein, dass noch niemals irgendjemand den großen Puppenspieler ausgelacht hatte. Und obwohl man sich das nicht vorstellen kann, liebte ihn der einsame Puppenspieler dafür. Er umgarnte ihn mit Menschenpuppen, die ihm jeden Wunsch von den Augen ablasen. Das ging so weit, dass sich der Jüngling manchmal wünschte, nicht mehr wünschen zu können, weil alles so geschah, wie er das wollte, was man sich auch nicht vorstellen kann. Aber auch den Wunsch, nichts mehr wünschen zu können, lasen ihm die Menschenpuppen von den Augen ab und sie taten in dieser Zeit alles noch sehr viel eifriger, weil sie dachten, ihr Jüngling wäre nicht zufrieden mit ihnen.
`Nachdem der Alte immer mehr zur Puppe und ich immer mehr zum Puppenspieler werde` dachte der Jüngling in einer klaren Nacht `fliehe ich lieber in meine Eisamkeit` und verschwand im dunkelsten und größten Wald, in dessen Nähe er sich zufällig befand. `Ich will nur noch weg von den Menschenpuppen` war sein letzter Gedanke.
Der Alte erschrak sehr:"Er flieht vor seinen eigenen Wünschen!". Erst wurden nur einige Menschenpuppen in Bewegung gesetzt, um den Jüngling wieder zu finden. Schließlich hatte er die Einsamkeit des alten Spielers und Lenkers beendet. Lange Jahre suchten viele viele Menschen nach ihm und jedes Jahr wurden es mehr, bis endlich alle Menschen nach ihm suchten. Im dunkelsten und größten Wald, aber auch in anderen Wäldern und Städten suchten sie nach ihm. Sogar im Wasser der Flüsse wurde nach ihm gesucht. Der Jüngling blieb jedoch verschwunden.
Einen Trost hat die Geschichte dennoch: Endlich wissen wir, was der `große` Puppenspieler da macht...



(Mein Name tut nichts zur Sache. Ich hätte mich auch anders nennen können.)
 
aus der Diskussion: Met@boxismus - Hypothesen zur Freien Marktverweigerung
Autor (Datum des Eintrages): Tierhaendler  (10.01.02 05:33:03)
Beitrag: 43 von 55 (ID:5297844)
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