Fenster schließen  |  Fenster drucken

1993, Focus:

IG FARBEN

Wenn die Falle zuschnappt


Mit publicityscheuen Bankiers hatte es der Hamburger Vermögensverwalter Bernd Günther zu tun, als er in den 70er Jahren die IG Farben unter sein Kommando nahm. Die Banken fürchteten wegen der von den Alliierten zerschlagenen IG Farben international um ihren guten Ruf.

So zimperlich war Günther nicht. An der Hamburger Börse galt er früh als »Rittmeister der Nebenwerte«. Als Finanziers dienten sein Hamburger Studienfreund Karl Ehlerding und der Bremerhavener Friedrich Dieckell.

Das Erfolgsrezept des Trios: Es kaufte Aktienpakete auf Kredit, übernahm Firmen, verschmolz sie, nutzte alte steuerliche Verlustvorträge und schuf neue. Die Manövriermasse wurde für neue Transaktionen verpfändet. Es häuften sich Aktiengeschäfte und Vermögensverschiebungen aus den Firmen in die Privatsphäre und retour, kurzum: Die Kleinaktionäre staunen und der Fiskus wundert sich.

Das Imperium wucherte schnell. An der Spitze die IG Farben in Liquidation - eine stets von Gerüchten umrankte und mit Tradition behaftete Gesellschaft. Allerdings widerspricht der Firmenzweck »Liquidation« dem, was in der Firma vorgeht.

»IG Farben in Spekulation sollten die heißen«, klagt denn auch ein Kleinaktionär. Die Beschwerdeliste verlängert sich alljährlich. Auf der Hauptversammlung am 16. Juli wird es für die Drahtzieher zum erstenmal richtig ernst. Der Würzburger Wirtschaftswissenschaftler und streitbare Verfech- ter von Aktionärsrechten Ekkehard Wenger sorgte für die entscheidende Erweiterung der Tagesordnung. Er beantragte die Abberufung der drei Aufsichtsräte und eine Sonderprüfung diverser Transaktionen.

Zum Beispiel des vorgetäuschten Verkaufs der damaligen Tochter WCM (einst Württembergische Cattun Manufaktur genannt und heute eine Immobiliengesellschaft) an die Hamburger Wünsche-Gruppe. Das Paket wurde nur drei Jahre lang bei einer Wünsche-Tochter geparkt. Wo jedoch eine dicke Sonderdividende verblieb, ist bis heute unklar.

Sodann fühlen sich die Anleger bezüglich der Rückgabeansprüche in der ehemaligen DDR desinformiert. Insbesondere Aufsichtsratschef Ernst C. Krienke log so inkonsistent, daß ihm ein Widerspruch zwischen offiziellen Verlautbarungen und einem Fernsehinterview unterlief. Krienke protestierte, das Interview sei durch Kürzung verfälscht worden - eine Sichtung des Sat.1-Rohmaterials beweist jedoch das Gegenteil.

Der delikateste Punkt umfaßt eine komplexe Transaktion um die WCM und deren Aufsichtsrat Karl Ehlerding. Dieser hatte eine private Beteiligung an der Gladbacher Aktienbaugesellschaft (GAB) aufgebaut und dann gut verdeckt über einen Treuhänder als Sacheinlage in die WCM eingebracht.

Im Zuge dieser Transaktion verzichtete die IG Farben auf ihr Bezugsrecht und verlor die WCM-Mehrheit. Wie sich bald herausstellte, an den Ehlerding-Clan. Als ein Kleinaktionär auf der WCM-Hauptversammlung 1992 angefragt hatte, ob Ehlerding hinter dem Buchholzer Treuhänder Georg Baare-Schmidt stünde, ließ dieser sich noch von der Verwaltung kalt lächelnd verleugnen.

Den Persilschein für diese Transaktion stellte die Hamburger Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Hansa aus, die auffälligerweise die bekannte BDO Deutsche Warentreuhand als IG-Prüfer verdrängte. Die neue Haus-und-Hof-Gutachterin der IG Farben schätzte den Wert der Sacheinlagen auf der Basis einer internen Zwischenbilanz und legitimierte so den Verzicht auf das IG-Bezugsrecht.

Ob diese Bewertung einer Sonderprüfung standhält, bleibt fraglich. Wie auch, ob der deutsche Fiskus an der GAB ein Interesse haben sollte. Eine Steuerlücke erlaubte es, 1991 ehemals gemeinnützige Wohnungen auf den angeblichen Verkehrswert von 740 Millionen Mark hochzuschreiben. Das bewirkte eine wundersame Eigenkapitalvermehrung und fette Steuerersparnisse für die nächsten Jahrzehnte.

Seitdem schwärmt Ehlerding - bevorzugt im Manager-Magazin, das WCM zur Aktie des Jahres gekürt hatte - von der neuen WCM-Immobiliensubstanz. Viel nüchterner urteilt ein Interessent, der die Immobilien vor Ort in Augenschein nahm: Das ganze sei »Schrott, bestenfalls drittklassig«.

SPIELBALL VON SPEKULANTEN: Häufig wechselten Ansprüche und Vermögenswerte der IG Farben den Besitzer - die Manipulationen der gegenwärtigen Mehrheits- aktionäre will der Wirtschaftswissenschaftler E. Wenger in dieser Woche aufdecken
 
aus der Diskussion: IG FARBEN AG IN AUFLÖSUNG
Autor (Datum des Eintrages): TECHNOBOY  (21.01.02 16:37:08)
Beitrag: 3 von 3 (ID:5388563)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE