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Aus Aktuellem Anlass hier ein Artikel aus der SZ-Online:


Beirut


Autobombe tötet Ex-Geheimdienstchef

Elie Hobeika soll für Massaker 1982 in palästinensischen Flüchtlings-Lagern verantwortlich sein.
Von Heiko Flottau



(SZ vom 25.01.2002) – Der frühere Kommandant der maronitisch-christlichen Bürgerkriegsmilizen im Libanon, Elie Hobeika, ist am Mittwoch in Beirut einem Autobombenanschlag zum Opfer gefallen. Bei dem Attentat kamen mindestens drei weitere Libanesen, unter ihnen Hobeikas Leibwächter, um.

Der 45-Jährige gilt als einer der Verantwortlichen für das Massaker 1982 in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila, bei dem die Christenmiliz Forçes Libanaises (Libanesische Streitkräfte) bis zu 800 Menschen massakriert hat.

Im Frühjahr 1982 war die israelische Armee unter der Führung von Verteidigungsministers Ariel Scharon bis nach Beirut vorgedrungen, um die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) und Jassir Arafat aus der libanesischen Hauptstadt zu vertreiben. Die PLO führte damals vom Libanon aus einen Guerillakrieg gegen Israel.

Nach der israelischen Invasion lag die Kommandogewalt über Beirut bei Scharon. Die christlichen Milizen unter Hobeika standen unter der direkten Aufsicht der israelischen Armee und damit Scharons. Überlebende des Massakers haben Scharon wegen Mitschuld an den Morden vor einem belgischen Gericht in Brüssel verklagt. Das Gericht will bis Ende März entscheiden, ob es den Fall annimmt.

Drei Tote in Autonomiegebieten

Hobeika hatte kurz vor seinem Tod eine Delegation belgischer Politiker empfangen und ihnen gegenüber seine Unschuld beteuert. Er sei aber bereit, hatte Hobeika gesagt, beim Prozess in Brüssel auszusagen. Nach Ansicht der libanesischen Regierung hat der israelische Geheimdienst Mossad den Mord organisiert, um einen für Scharon unliebsamen Zeugen auszuschalten.

Scharons Sprecher David Baker sagte, die israelische Regierung reagiere nicht auf den Fall Hobeika. Andere machen Palästinenser für das Attentat verantwortlich, die sich für das Massaker rächen wollen.

Der Mord an Hobeika erinnert an die schlimmsten Zeiten des libanesischen Bürgerkrieges (1975 bis 1990). Nach der israelischen Invasion im Frühjahr 1982 waren am 21.August 1982 die PLO und Arafat über die nordlibanesische Stadt Tripolis nach Tunis gebracht worden. Damit hatte Scharon sein Kriegsziel erreicht. Nach Ansicht Scharons blieben aber in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila „Terroristen“ zurück.

Bei einem Treffen mit Israels Verbündeten, dem christlich-maronitischen Staatspräsidenten Pierre Gemayel und dessen Sohn Baschir Gemayel hatte Scharon nach Informationen der britischen Zeitung Guardian folgende Forderung erhoben: „Sie müssen handeln, damit es keine Terroristen mehr gibt. Sie müssen die Lager säubern.“

Kurz nach diesem Treffen, im September 1982, wurde der inzwischen zum Präsidenten gewählte Baschir Gemayel vermutlich im Auftrag Syriens ermordet. Scharon beschuldigte die Palästinenser des Attentates auf seinen Verbündeten. Kurze Zeit später drangen die Forçes Libanaises unter ihrem Geheimdienstchef Hobeika in die Lager ein.

Unterdessen dreht sich die Spirale der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern weiter. In den Autonomiegebieten wurden am Donnerstag drei Palästinenser getötet – zwei von ihnen starben bei einem versuchten Selbstmordattentat in der Nähe einer jüdischen Siedlung im Gazastreifen. Zu dem versuchten Attentat, bei dem die Bombe offenbar zu früh zündete, bekannte sich die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP).

In einer Erklärung hieß es, die Aktion sei die Antwort auf die israelische Besatzung, die Blockade der palästinensischen Städte und die Tötung von vier Hamas-Mitgliedern. Bei einem Gefecht zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern in Ramallah starb zudem ein Mitglied der palästinensischen Sicherheitskräfte. In den letzten Jahren hatte er sich aus dem öffentlichen Leben zurück gezogen.
 
aus der Diskussion: Gleich um 22:30 Uhr im WDR- Fernsehen:Scharon, der Schlächter von Beirut
Autor (Datum des Eintrages): Punk24  (25.01.02 12:51:16)
Beitrag: 58 von 59 (ID:5427950)
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