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Story [ 06.02.2002 10:23:13 ]


HINTERGRUND - Kirch-Beteiligungen für Konkurrenten interessant
- Von Elke Ahlswede -
Hamburg, 06. Feb (Reuters) - Angesichts der kritischen
Finanzlage beim Münchener Medienkonzern Kirch[KRCH.UL] sehen
manche Branchenexperten bereits einen Umbruch der gesamten
deutschen Medienlandschaft kommen. Analysten machen gleich
mehrere Firmen aus, die Interesse an der Kirch-Sendergruppe
ProSiebenSat.1 Media<PSMG_p.F> oder dem 40-prozentigen
Kirch-Anteil am Springer-Verlag (SPRGn.DE) haben könnten. "Da
würden sich einige die Finger nach lecken", sagt etwa Oliver
Rupprecht von M.M. Warburg. "Aber wir haben in Deutschland ein
strenges Mediengesetz", schränkt er ein. Das macht Übernahmen
schwierig, und sowohl der Presse- als auch der Rundfunkmarkt
sind derzeit klar aufgeteilt. Damit haben deutsche
Medienkonzerne im Inland nur wenig Expansions-Chancen.
Verlagsgruppen wie die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung"
(WAZ) und Holtzbrinck hätten mit Sicherheit Interesse an dem
Springer-Paket, sagt Rupprecht. Auch die News Corp<NCP.AX> des
Australo-Amerikaners Rupert Murdoch sei bestimmt an Springer
interessiert, ebenso wie an ProSiebenSat.1. An der Fernsehgruppe
könnten aber auch andere internationale Konzerne wie Vivendi
Universal (V.N) aus Frankreich oder Mediaset<MS.MI> aus Italien
Gefallen finden. "Wer schnell einen Fuß in den deutschen Markt
bekommen möchte, dem bietet sich eine seltene Gelegenheit", sagt
Rupprecht. Realistisch sei diese Möglichkeit allerdings nur,
wenn Kirch noch massive Probleme bekomme. "Die sehe ich im
Moment noch nicht, auch wenn es schwierig wird für Kirch."
Aus der Finanzbranche kann die mit sechs Milliarden Euro
verschuldete Kirch-Gruppe offenbar keine weiteren Kredite
erwarten. Zudem drohen durch Optionen des Springer-Verlags und
der News Corp für den Verkauf von Anteilen an Kirch-Töchtern an
Kirch weitere Zahlungsverpflichtungen in Milliardenhöhe. Doch
selbst wenn Konkurrenten in Deutschland öffentlich Interesse an
Anteilsübernahmen bei Kirch erklärten, wären ihren Bestrebungen
enge Grenzen gesetzt. Schließlich wachen das Bundeskartellamt
und die Landesmedienanstalten darüber, dass kein Medienkonzern
mit seiner Marktmacht die Meinungsvielfalt einschränkt.
So gibt es im Kartellrecht die so genannte
Presserechenklausel, die Übernahmen im Mediensektor schon bei
einem weltweiten Jahresumsatz von 25 Millionen Euro zur Prüfung
vorschreibt. In anderen Branchen liegt die Schwelle bei 500
Millionen Euro. Auch auf Grundlage dieser Klausel prüften und
verboten schließlich die Bonner Wettbewerbshüter 1998 das
Vorhaben der Medienriesen Kirch und Bertelsmann<BTGGga.F>, den
Bezahlsender Premiere zu einem Gemeinschaftsunternehmen zu
machen. Auch vor der EU-Kommission in Brüssel scheiterte der
Schulterschluss der Rivalen beim Pay-TV. Bei Bertelsmann wurde
ein Einstieg ins Pay-TV dann gänzlich gestoppt - ein Schritt,
über den man sich bei der Bertelsmann-Tochter RTL Group
<AUDKt.BR>und in der Gütersloher Zentrale angesichts des
schleppenden Starts beim Bezahlfernsehen und der
Premiere-Defizite noch heute freut.
Doch die Medienbranche wird auch noch über den
Rundfunkstaatsvertrag reguliert, nach dem kein Medienkonzern mit
seinen Fernsehprogrammen einen Marktanteil von mehr als 30
Prozent erreichen darf. Bertelsmann mit RTL, RTL2, Super RTL und
Vox sowie Kirch mit ProSieben, Sat.1, Kabel 1, DSF, Neun Live
und Premiere liegen mit je rund 26 Prozent knapp unter dieser
Grenze.
"Wenn RTL Interesse an Kirch-Sendern hätte, kämen sie
deshalb mit Sicherheit in Schwierigkeiten", sagt der
Geschäftsführer der für die Kontrolle zuständigen Kommission zur
Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, Bernd Malzanini.
Medien-Unternehmer Murdoch, der bereits an Premiere beteiligt
ist, könnte dagegen mit seiner News Corp theoretisch die ganze
Kirch-Gruppe übernehmen. Die Marktanteilsverteilung würde dies
nicht verändern, sondern nur den "Besitzer" der Marktanteile.
"Das halte ich aber für unwahrscheinlich", fügt Malzanini hinzu.
Nicht nur, weil viele in der Branche weiter von einer
Rettung der Kirch-Gruppe ausgehen, ist ein Einstieg
internationaler Konzerne in den deutschen Markt noch wenig
wahrscheinlich. Auch die bisherigen Erfahrungen dieser Firmen in
Deutschland seien nicht übermäßig positiv, heißt es in
Branchenkreisen. So habe Murdoch selbst wiederholt den Einstieg
versucht, seine Anteile an Sendern wie Vox dann aber wieder
abgestoßen. Auch der französische Konzern Vivendi habe seine
Anteile an Vox wieder verkauft, und ein Weltkonzern wie Disney
(DIS.N) habe es bisher nur auf Minderheitsbeteiligungen bei
Sendern wie SuperRTL und RTL2 gebracht.
ahl/zap/rbo
 
aus der Diskussion: met@box +++ infos and everything else +++ 020101 - 239
Autor (Datum des Eintrages): flyfish  (06.02.02 10:38:20)
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