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[posting]56435489[/posting]Danke für deine Gedankengänge zum Bitcoin, ich möchte diesen zwar hier nicht zum Hauptthema machen, nehme aber gerne einmal die Gegenposition ein.

Bitcoin in seiner jetzigen Form ist nicht geeignet für Transaktionen und eine riesengroße Verschwendung von Elektrizität aufgrund des Proof-of-Work Konzeptes. Für Transaktionen ist es unglaublich langsam (im Vergleich zu den großen wie V, MA, PYPL ein Witz) und zu Spitzenzeiten wie zB Ende letzter Woche auch unglaublich teuer ($1‘000 Gegenwert für eine Fee von $20 transferieren? Da lachen sich die SEPA Mitglieder sicher schlapp). Dazu kommt das es aufgrund der hohen Preisvolatilität und den technischen Hürden für viele gar nicht interessant sein dürfte. Wer gibt Geld aus wenn er weiß das es morgen 20% mehr wert ist? Die ersten großen und seriösen Akzeptanzstellen springen schon ab (Valve mit Steam!). In seiner jetzigen Form kann Bitcoin keine echte Währung ersetzen, ein Block enthält ~2‘000 Transaktionen bzw. 12‘000 Transaktionen pro Stunde können durchgeführt werden. Es gibt innerhalb der Mining-Community Bestrebungen dies zu ändern und manche Bitcoin Forks sind schneller; auch Litecoin erfüllt die Transaktionskomponente eher. Aber zum Vergleich: Visas Netzwerk kann 56‘000 Transaktionen durchführen… pro Sekunde!

Bitcoin basiert auf einer Ideologie die Anfangs mit denen der Gold Bugs vergleichbar war, ist mittlerweile aber zum reinen Spekulationsobjekt verkommen. Bitcoin Transaktionen sind nicht vollkommen anonym. Es ist ein leichtes IP Adressen nachzuverfolgen und auch jede Bitcoin Transaktion ist für immer öffentlich einsehbar in der Blockchain gespeichert. Bargeld ist wesentlich anonymer. Es gibt auch keine echte Dezentralisierung, da der Großteil der Miner in China sitzt. Die maximale Summe der mit 21 mln, abzüglich derer die in Wallets mit verlorenen Keys oder Datenträgern gespeichert sind, ist zwar theoretisch begrenzt und sorgt für eine nette Nachfrage>Angebotsspekulation, aber letzten Endes obliegt die Obergrenze dem Konsens der Miner und durch Forks (=Splits) werden auch wieder neue Abkömmlinge geschaffen, die wiederum eine abgespaltene Blockchain mit 21 mln Einheiten kreieren. Schon während des Internethypes haben wir gelernt das der Preis einer Aktie sich weniger halten kann je mehr Angebot für das Börsengeld auf den Markt kommt, was mich zum Punkt bringt das es aktuell über 1‘300 verschiedene Cryptocurrencies gibt und jedes drittklassige Unternehmen einen ICO (=Coin IPO) plant. Diese ganzen Altcoins sind größtenteils offener Betrug (am Besten finde ich ja den PonziCoin :D). Das trifft mEn jedoch nicht auf Bitcoin zu, Ziel war es ein dezentrales P2P Zahlungsnetzwerk zu erschaffen, was ihnen gelungen sein dürfte. Effizienz stand allerdings nicht oben auf der Prioritätenliste…

Im Bitcoin involviert sind auch viele Personen mit fragwürdigem Hintergrund, es wird für illegale Aktivitäten genutzt, Betrug steht Tür und Tor geöffnet. Interessant finde ich die ganzen Verlustträchtigen börsennotierten Companys die sich nur in Blockchain XY umbenennen oder eine ad hoc 'wir machen jetzt in Crypto und verkaufen Token' herausbringen müssen um den Kurs um mehrere 100% in wenigen Tagen explodieren zu lassen (im Internethype hat man einfach .com an den Unternehmensnamen drangehangen). Ganz witzig fand ich vor kurzem diese Meldung:

Biotech company Bioptix Inc. (NASDAQ: BIOP) saw its stock surge following the announcement that it would rebrand as Riot Blockchain and shift its focus to cryptocurrency and blockchain-based investments.

'Bio' im Namen geht den Ankerinvestoren nicht schnell genug…

Ich sehe (wie immer mal wieder in Klammern erwähnt) viele Parallelen zur dot-com Bubble, es gibt jedoch auch einige wesentliche Unterschiede: damals bekam man für sein Geld echte Assets, Unternehmensanteile, Mitarbeiter, Markennamen. Wer heutzutage in ICOs oder Cryptos investiert der bekommt nichts, nada, heiße Luft und hat die Hoffnung das es zu einem späteren Zeitpunkt noch jemanden gibt der mehr Geld für dieses 'Nichts' bereit ist zu zahlen. Auch der Investorenkreis ist anders, früher waren Retail und Insti-investoren gleichermaßen berauscht, heutzutage kommt nun eine Anlegergeneration die in Bitcoin und anderen Cryptocurrencies 'investiert' hinzu die noch nie einen Crash mitgemacht haben und die ihre eigene Verlusttoleranz gar nicht kennen. Die meisten Bitcoin liegen noch in der Hand weniger, gefühlt durch Werbung, Berichte und Zeitungsartikel - auch SeekingAlpha ist voll davon - sind wir mittlerweile in der nach klassischer Börsenweisheit Distributionsphase angelangt und man erreicht das breite Publikum um einzucashen. In meinem Umfeld gibt es mehr und mehr Menschen die Aktien nicht mit der Kneifzange anfassen möchten, aber bei Cryptos gerne dabei sind. Bei der dot-com Bubble ging es schnell, wenn beim Bitcoin und anderen Crypots alle zur Tür rausmöchten könnte es noch deutlich schneller gehen. Viel Spaß den Investierten wenn die Börsen wieder zusammenbrechen, oder wieder gehackt werden, oder Zahlungsunfähig sind, oder von den Regulierern geschlossen werden, oder oder oder…

Davon losgelöst zu sehen ist die Blockchaintechnologie, die sich in Teilen der Finanzwelt sicherlich durchsetzen kann, dafür braucht es aber keinen Bitcoin. Ich gehe davon aus das uns der Bitcoin erhalten bleibt, neben anderen wie Litecoin, Iota, Ethereum, Ripple; den Wert kann ich nicht bestimmen, den Preis mit technischer Analyse schon viel eher (siehe Punkt Anleger). Der aktuelle Runup im Bitcoin und Co. kann sehr schön mit 'greater fool', 'fear of missing out', oder 'positive feedback loop' beschrieben werden. Euphoriegetriebene Spekulationsblasen können sehr lange dauern, mal schauen wann der Trend bricht und was der Auslöser sein wird. Ich tippe auf Al Gore und die Grünen, sollten sie je herausbekommen das Cryptomining früher oder später das Klima killt. :p

Cheers,
Larry

PS und jetzt für den Leser das Überraschende: den Original Bitcoin Client hatte ich mir aus Neugierde schon vor ~7 Jahren heruntergeladen, ich wollte das Mysterium für mich verstehen und entschlüsseln…
 
aus der Diskussion: Gewinnerbranchen der Jahre 2006 bis 2040
Autor (Datum des Eintrages): Larry.Livingston  (13.12.17 09:00:31)
Beitrag: 82,497 von 94,068 (ID:56436387)
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