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Ein Auszug aus dem Ariva Forum

Danke an Garion
Quelle: https://www.ariva.de/forum/steinhoff-international-holdings-…

Vorweg: Dieses längere Posting legt meine Sichtweise auf Ursachen und Struktur der Steinhoff-"Cash-Probleme" dar. Ich bin aber weder Insider noch der Master of the Universe. Ich kann mich irren, wichtige Punkte übersehen usw. Bitte dieses Posting daher entsprechend einordnen und nicht unhinterfragt entgegen nehmen!

Zitat: "Da es scheinbar einige Cash-Probleme gibt stelle ich mir eigentlich mehr die Frage, ob nicht das Fremdkapital durch die Fehlbilanzierung massiv unterbewertet wurde und Schulden schlicht nicht ausgewiesen wurden. Fehlende Abschreibungen / Überbewertungen von Vermögensgegenstände sind eigentlich kein Auslöser für derartige Cash-Situationen, wie sie sich nun darstellen."

Du stellst die falschen Fragen bzw. stellst deine Fragen nicht genau genug. Es gibt kein allgemeines "Cash-Problem" in der gesamten Gruppe. Es gibt bisher nur 3 bekannte "Cash-Probleme":

Steinhoff Europe AG
Steinhoff Finance Holding GmbH
Kika/Leiner


Wo kommen diese "Cash-Probleme" nun her? Offenbar haben viele hier vergessen, dass im Zuge des aufgekommenen Bilanzskandals aus nicht näher erläuterten Gründen das Cash Pooling im gesamten Steinhoffkonzern eingestellt wurde (Quelle habe ich grade nicht zu Hand, vielleicht kann das jemand nachliefern). Vorher haben alle Töchter ihre Cash-Position in einen großen Topf geworfen und jede Tochter durfte sich daraus nehmen, was sie grade brauchte. Das Group Treasury hat das natürlich gesteuert und überwacht. Dieses System liegt nun schon seit etlichen Monaten auf Eis.

Wichtige Frage Nr. 1: Welche Folgen hat das beendete Cash Pooling?

Diejenigen Töchter, die Cash generieren (und in der Vergangenheit den gemeinsamen Cash Pool eher gefüllt als angezapft haben), haben keinerlei Probleme. Denen steht ihr eigener Cashflow zur Verfügung, den sie nicht mehr in irgendeinen Cash Pool zahlen müssen.
Welche Töchter müssten das theoretisch sein? Diejenigen, die Handelswaren an Endkunden verkaufen und dabei mehr Geld einnehmen, als sie für die Waren und ihre Ladenmieten/Löhne/Strom usw. bezahlen müssen, also diejenigen mit nem positiven Ebitda -> Poundland, Conforama, STAR und andere. Und siehe da: Genau diese Töchter sind von dem ganzen Schlamassel bisher vollkommen unberührt geblieben und wirtschaften fröhlich vor sich hin.
Und welche Töchter müssten theoretisch ein Problem bei ausbleibendem Cash Pooling haben? Diejenigen, die für ihre Handelsware weniger Geld einnehmen, als sie für Wareneinkauf/Mieten/Löhne/Strom usw. bezahlen müssen, also diejenigen mit nem negativen Ebitda -> Kika/Leiner. Und siehe da: Genau diese Tochter stand nach ein paar Monaten ohne Cash Pooling kurz vor der Insolvenz. Und das war im Nachhinein keinerlei Überraschung, das hätte man schon vor Monaten sehen und prophezeien können!

Wichtige Frage Nr. 2: Warum haben auch SEAG und Steinhoff Finance Holding "Cash Probleme"?

Als vor ca. 6 Monaten die (angebliche?) Bilanzfälschung an die Öffentlichkeit kam, ist noch etwas anderes passiert als das Einstellen des konzernweiten Cash Poolings. Es haben nämlich sämtliche Banken ihre Kreditlinien an sämtliche Steinhoff-Töchter gestrichen oder eingefroren (eine direkte Quelle für diese Behauptung gibt es nicht, aber in Presseartikeln war das am Rande zu lesen, und es ist nur logisch, dass Banken das machen, um sich selbst und ihre Aktionäre vor weiterem Schaden zu schützen). Und an die Neuemission irgendeiner Anleihe war ab diesem Zeitpunkt natürlich auch nicht mehr zu denken.
Und wo liegt der Großteil der Schulden des Gesamtkonzerns? Bei SEAG und Steinhoff Finance Holding (siehe letzte Unternehmenspräsentation).
Und wie tilgen Großkonzerne ihre Schulden? Große Überraschung: Sie tilgen sie gar nicht! Denn sie nehmen lediglich neue Schulden auf und bezahlen damit alte ab. Die Menge das Fremdkapitals bleibt bei einem wachsenden oder zumindest nicht schrumpfenden Unternehmen nämlich in aller Regel mindestens konstant, wächst oft sogar. Neue Anleihen lösen alte Anleihen ab. Neue Bankkredite lösen alte Bankkredite ab. Wächst das Unternehmen profitabel, ist das alles keine Problem.
Und jetzt führen wir mal alle Überlegungen zusammen und fragen, wie wohl SEAG und Steinhoff Finance Holding in der Vergangenheit Zins und Tilgung geleistet haben? Die anstehenden Zinszahlungen haben sie mMn aus dem Cash Pooling entnommen. Sofern das Ebitda der handelnden Konzerntöchter nämlich größer als die auflaufenden Zinsen ist, und gleichzeitig der Umsatz der handelnden Konzerntöchter größer ist als der Schuldenberg, dann funktioniert das reibungslos! Und die anstehenden Tilgungen haben sie mit neuen Schulden quasi "gerollt".
Und nun die alles entscheidende Frage: Wie sollen SEAG und Steinhoff Finance Holding Zins und Tilgung leisten, wenn es kein Cash Pooling mehr gibt und sie keine neuen Kredite bekommen und auch keine neuen Anleihen emitieren können? Große Überraschung: Gar nicht! Das geht nicht! SEAG und Steinhoff Finance Holding schlittern absehbar in die Insolvenz, sobald der nächste Zinszahlungs- oder gar Tilgungstermin kommt und die Konzernmutter nicht doch irgendwie Geld zur Verfügung stellt. Und siehe da: Genau das ist die aktuelle Situation!

Meine Schlussfolgerung, die im krassen Gegensatz zu der von Blumentopf0815 steht: Es braucht weder eine massive Schwindelei auf der Aktivseite der Bilanz (wozu es bisher keine Informationen gibt), noch braucht es eine massive Schwindelei auf der Passivseite der Bilanz (wozu es genauso wenig Informationen gibt), um erklären zu können, warum die drei eingangs genannten Steinhoff-Töchter "Cash-Probleme" haben.

Und jetzt argumentiere ich mit dem berühmten "Ockhams Rasiermesser" (Wer das nicht kennt, sollte sich schleunigst schlau machen -> Wikipedia) und sage: "Mir ist diejenige Hypothese, die die "Cash-Probleme" der drei Steinhoff-Töchter erklärt, am liebsten, die nur mit bekannten Variablen operiert statt mit unbekannten".
Meine Erklärung benötigt lediglich das eingefrorene Cash Pooling und gesperrte Kreditlinien. Beides sind Fakten. Blumentopfs Erklärungsansatz benötigt einen erheblichen Bilanzbetrug, wofür es bisher keinen mir bekannten Beleg gibt. Und es stellt sich bei seinem Erklärungsansatz überdies die Frage, warum dieser erhebliche Bilanzbetrug bisher nicht auch bei andere Steinhofftöchtern zu "Cash-Problemen" geführt hat (man verhandelt bekanntlich derzeit nur mit den Gläubigern von SEAG und Steinhoff Finance Holding). Ein Bilanzbetrug als Ursache für die Probleme der eingangs genannten Steinhoff-Töchter ist für auf meinem aktuellen Informationsstand nicht schlüssig!

Und noch ein paar Zusätze, weil es wichtig ist:

1.) Dass es möglicherweise keine erhebliche Bilanzfälschung gab (und von konkreten Zahlen und Betrugsmechanismen konnten wir bisher nichts lesen), bedeutet nicht, dass Steinhoff nicht etliche Milliarden auf der Aktivseite der Bilanz wird abschreiben müssen. Die PwC-Prüfung wird nämlich insbesondere den dort aktivierten Goodwill genauestens unter die Lupe nehmen und auf den konservativst möglichen Bewertungsansatz pochen. Den wird Steinhoff bisher nicht verwenden, was in saftige Abschreibungen münden könnte. Auch bleibt die Frage, wie bisher POCO, Kika/Leiner und deren Läden in der Bilanz bewertet wurden. Alle diese Dinge wurden inzwischen verkauft. Ist der "Netto-Verkaufspreis" geringer als der bisherige "Netto-Bilanzansatz", dann kommen die nächsten Abschreibungen. Und ich schließe nicht aus, dass PwC nicht auch noch beim Wertansatz anderer Aktiva und Passiva was zu mäkeln findet. Das bilanzielle Eigenkapital könnte also durchaus empfindlich schrumpfen, auch wenn es den großen Bilanzbetrug vielleicht gar nicht gegeben hat.

2.) Wenn man meine Überlegungen konsequent weiter spinnt, dann wäre der nächste absehbare Brandherd Matress Firm, die ebenfalls kein positives Ebitda haben (siehe letzte Unternehmenspräsentation). Dieser Brandherd entzündet sich allerdings nur, wenn man sich vorher nicht mit den Gläubigern von SEAG und Steinhoff Finance Holding einigt und infolgedessen wieder ein bisschen Zugang zum Kapitalmarkt bekommt und dann vielleicht auch wieder ein zaghaftes Cash Pooling startet.

3.) Wenn mein Erklärungsansatz halbwegs die tatsächliche Situation trifft, dann müsste es eine übergroße Zustimmung der Gläubiger von SEAG und Steinhoff Finance Holding zur Verlängerung des Stillhalteabkommens und zum vorliegenden Restrukturierungsplan geben. Auch müssten die morgen erwarteten Zahlen des Gesamtkonzerns ein bilanzielles Eigenkapital von >=4 Mrd. Euro ausweisen. Wenn mindestens eine dieser Prognosen nicht eintritt, dann stimmt mein hier lang und breit dargelegter Erklärungsansatz nicht! Dann ist er entweder falsch oder es fehlen noch wichtige Elemente!
 
aus der Diskussion: Steinhoff International
Autor (Datum des Eintrages): MagGueMue  (28.06.18 19:04:50)
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