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Hat hier im Forum jemand das Buch „Flash Boys“ gelesen? Es geht darum, dass Information, die ein paar Millisekunden früher existieren, einen entscheidenden Vorteil bringen. Ich versuche das Thema in einfachen Worten zusammenzufassen. Ein großer Investor gibt in New York (NYSE) eine Verkaufsorder über 100.000 Microsoft-Aktien auf. Diese Order gelangt an alle US-Börsen, denn es gilt der Grundsatz, dass die beste Ausführung gewährleistet sein soll. Von der NYSE gelangt der Verkaufsauftrag an die NASDAQ, AMEX, BATS, OTC/Pink Sheets usw. Es gab nun anscheinend ein paar kluge Köpfe, die über „schnellere Leitungen“ verfügten. Wie genau, ist ein Thema für Kommunikationsexperten, nicht für Aktienanleger. Sie hatten die Informationen an der AMEX, bevor andere sie hatten. Nur ein paar Millisekunden früher, aber immerhin. Dort konnten sie, alles vollautomatisiert, eine Verkaufsorder in den Markt stellen (Leerverkauf), bevor die 100.000 Microsoft-Aktien-Verkaufsorder dort ankam. „Frontrunning“ war eine Zeit lang ein unglaublich lukratives Geschäft für die „Flash Boys“. Natürlich hat auch jemand Geld verloren, nämlich die Investoren.

Wie betrifft das nun Wikifolio?

Die Informationen zu den Wikifolios sind frei zugänglich. Natürlich, man muss bei registriert sein, aber das stellt kein Problem dar. Wie verändert nun die Existenz dieser Informationen den deutschen Börsenhandel? Erinnert sich noch jemand an „IREX“? Zu Spitzenzeiten waren dort über 10 Millionen Euro investiert. Diese 10 Millionen konkurrierten mit dem DAX-Future-Handel, denn „IREX“ investierte in stark gehebelte Produkte. 10 Millionen Anlegergeld haben circa 100 Millionen Euro bewegt. Die Händler dort hatten natürlich spätestens zu diesem Zeitpunkt „IREX“ auf dem Radar. Der Wechsel von Long auf Short und umgekehrt hat den DAX-Future-Handel definitiv stark beeinflusst. Ich erinnere mich noch an Kurssprünge im DAX von 20 bis 30 Punkten am späten Nachmittag, obwohl der US-Handel keine entsprechenden Impulse gab. Der Rest ist Geschichte. Die über 10 Millionen Anleger-Euro sind an irgendwelche Cracks geflossen. War „IREX“ an diesem Desaster schuld? Vermutlich zu einem Großteil, aber nicht nur. Die oben beschriebenen Faktoren haben den Misserfolg sicher stark beeinflusst.

Es gibt andere Wikifolios, die in marktenge Werte investieren. Auch hier wird der Markt die Informationen nutzen. Dieses Problem zu lösen, ist natürlich hochkompliziert. Es beginnt vermutlich damit, dass man nicht zu viele Informationen an den Markt gibt. In diesem Fall ist nämlich Transparenz eher schädlich.

Ich hoffe, dass es bei Wikifolio Finanzexperten gibt, die sich dieser Faktoren bewusst sind. Mein Gefühl sagt mir allerdings, dass man eher auf Marketing- und Computerexperten setzt.

Ich will aber nicht nur Kritik üben, sondern auch einen Lösungsweg aufzeigen. Die Zusammenarbeit zwischen Wikifolio und Lang & Schwarz müsste intensiviert werden. Es muss um jeden Euro Anlegergeld gekämpft werden. Nur die Rendite entscheidet. Hat man ein Weltklasseprodukt, verkauft es sich fast von selbst. Ist das Produkt aber nicht konkurrenzfähig, kann man noch so viele Millionen in das Marketing stecken, man wird trotzdem keinen Erfolg haben. Selbst eine Zertifikategebühr von 0,95% ist zu hoch, aber es gibt natürlich größere Baustellen als diese.
 
aus der Diskussion: wikifolio.com - Feedback/Kritik/Anregungen
Autor (Datum des Eintrages): ARMEGAS  (10.11.18 12:12:37)
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