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Ich möchte nicht über die Inhalte des Videos von Rezo reden – das haben andere getan, und das Video hat seine bekannten Stärken und Schwächen. Interessanter sind die Reaktionen darauf. Zunächst mal, wie unbeholfen die CDU (und die CSU) darauf reagieren. Man sollte meinen, da gibt es Medienprofis. Angemessen gewesen wäre, das Video zu ignorieren – die billigste Lösung. Oder man hätte einen flotten 10-Minten-Spot dagegen setzen können, in dem man thematisiert, dass verantwortliche Politiker die verschiedenen Interessen ausgleichen müssen – Umwelt, Arbeit, Wirtschaft, und dass Klimapolitik nicht nur in Deutschland stattfinden kann, sondern auf Verträgen aufbauen muss. Man hätte dabei auch zugeben können, dass man einiges noch besser machen muss und man noch über die richtigen Wege dazu diskutiert – das wäre dann ehrlich gewesen. Vielleicht hätte man ergänzen können, dass Bildungspolitik Ländersache ist, und hier ist nun wirklich jede mögliche Parteienkonstellation an dem Ergebnis beteiligt gewesen, das wir jetzt haben.

Das Problem ist aber ein anderes. Rezos Video ist Wahlwerbung für die Grünen, ohne dass dies offen zugegeben wird. Rezo thematisiert Kernthemen des Grünen Wahlkampfs, erklärt nur diese für wichtig, und ruft dazu auf, die wichtigsten Konkurrenten der Grünen – Union, SPD und AfD – nicht zu wählen. Wäre das eine Anzeige in einer Zeitung, wäre das Parteienwerbung und es stünde die Frage im Raum, ob hier verdeckte Parteienfinanzierung stattfindet. Die Debatte über diesen Punkt kommt mir naiv vor.

Nun hat Kramp-Karrenbauer mit gewisser Verzögerung gewittert, dass hier etwas nicht stimmt und hat mit perfektem falschem Timing und maximal ungeschickter Formulierung einen Shitstorm provoziert. Ja, es ist richtig – wenn viele Zeitungsredaktionen wenige Tage vor der Wahl einen Wahlaufruf starteten, der eine Partei begünstigt, wäre das sehr fragwürdig – die Medien würden Partei, die Ausgewogenheit der Medienlandschaft wäre in Gefahr, es drohten Verhältnisse wie in Ungarn, der Türkei oder Russland.

Bei den alternativen Formaten ist dieser Übergang vom privaten Kanal zum Massenmedium allerdings fließend und nicht zu greifen. Der Shitstorm besteht aus künstlicher Hysterie darüber, dass Kramp-Karrenbauer angeblich die Meinungsfreiheit bedroht. Nun ist auch sie an das Grundgesetz gebunden, daher ist die Hysterie nicht berechtigt. Und auch eine Kramp-Karrenbauer darf ihre Meinung äußern. Die Rücktrittsforderung aus der Partei die Linke ist politischer Opportunismus zur Ausnutzung des Shitstorms, aber wenn jeder Politiker gleich zurücktreten müsste, wenn er eine Trivialität zum falschen Zeitpunkt und mit falscher Betonung äußert, wären unsere Parlamente leer.

Wir haben ein ungelöstes Problem. Rezo sagt, er äußere nur seine Meinung. Ich äußere auch nur meine Meinung. Aber Rezo hat hunderttausende Follower und über 2 Millionen Klicks und ich nicht. Also sind wir nicht gleich. Rezo ist ein Profi, der mit seinem Kanal Geld verdient. Jetzt hat er kostenlose Wahlwerbung an die Grünen gespendet, ohne das so zu nennen und ohne, dass die Grünen das deklarieren müssen. Und dann haben ihn 70 andere Youtuber dabei unterstützt. Etwas mit dieser Methode hätte auch eine Aktion zur Wahlbeeinflussung durch Russland sein können und die begünstigte Partei die AfD. Wenn man diskutiert hätte, dass das problematisch ist, hätte es dann auch einen Shitstorm gegeben? Man soll es sich hier nicht zu einfach machen. Und die Union sollte sich endlich mal besser im „digitalen Neuland“ vernetzen und sich von Profis beraten lassen. Nach dem, was Frau Kramp-Karrenbauer bisher gezeigt hat, wird man wohl bald Frau Merkel nachtrauern, die wusste wenigstens noch selbst, was sie nicht kann.
 
aus der Diskussion: CDU unter Beschuss - mit Recht!!!
Autor (Datum des Eintrages): for4zim  (28.05.19 09:33:48)
Beitrag: 31 von 58 (ID:60676496)
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