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Wann platzt die Blase?
Verunsicherte Anleger lenken immer mehr Geld in Immobilienfonds. Doch gleichzeitig herrscht Flaute am Büromarkt. Eine brisante Situation bahnt sich an

Bei Immobilien kündigen sich ge-fährliche Leerstände an Foto: ddp
Von Frank Stocker und Michael Höfling
Frankfurt/Berlin - Stau am Frankfurter Westkreuz - wie jeden Tag. Zeit, sich ein wenig umzusehen. Neuerdings treffen die Blicke der Autofahrer dabei auf einen Wald. Einen Schilderwald, der die Bürovorstadt Niederrad überwuchert. "Büroflächen zu vermieten", "Mieter gesucht" oder - ganz innovativ - "miet me".

Mittendrin das ehemalige Fiathochhaus. Seit Monaten steht es leer. Neue Mieter auch hier dringend gesucht - von der Deka. Denn das Gebäude gehört zu den Liegenschaften des Deka Immobilienfonds. Nicht besser sieht es bei den anderen Immobilienfonds aus. Die HypoVereinsbank-Tochter iii-Fonds sucht beispielsweise für ihre Ladenflächen beim Frankfurter Hauptbahnhof Nachmieter - bislang ebenfalls erfolglos.

Es herrscht Flaute am Büromarkt, selbst in Toplagen. Immobilien sind ganz offensichtlich zurzeit keine lohnende Anlage. Doch viele vom endlosen Börsenabsturz verschreckte Anleger scheinen davor die Augen zu verschließen: offene Immobilienfonds verzeichnen Rekordzuflüsse. Fast acht Milliarden Euro sind von Januar bis April in die 19 Fonds in Deutschland geflossen - mehr als im ganzen Jahr 2001.

"Die Anleger sind dabei, denselben Fehler zu machen wie in der Boomphase der Aktienmärkte", glaubt daher Rüdiger von Nitzsch, Wirtschaftsprofessor an der Universität Aachen. Sie suchen derzeit nach sicheren Anlagen. "Fatalerweise glauben sie, diese in den Immobilien gefunden zu haben", so der Experte für Behavioral Finance, dem Verhalten der Anleger an den Kapitalmärkten. Schließlich hat noch nie ein Immobilienfonds auf Jahresbasis einen Verlust ausgewiesen. "Die Investoren verkennen dabei aber, dass sich auch hier nachfragegetrieben eine Blase bilden kann. Und wenn die platzt, kann das Geld auch zu einem großen Teil weg sein", warnt Nitzsch.

Warnsignale gibt es genug. Nur noch 400.000 Quadratmeter Bürofläche wurden im ersten Quartal in den deutschen Großstädten vermietet. Das sind fast 50 Prozent weniger als im Vorjahr. Gleichzeitig kommen in den nächsten Monaten über eine Million Quadratmeter an spekulativ errichteten Flächen auf den Markt. Die Immobilienberater von Jones Lang Lasalle rechnen daher, dass die Leerstandsquote bis Ende des Jahres um über die Hälfte auf rund fünf Prozent explodiert. Auch Fonds werden davon betroffen sein: Rund zwölf Prozent ihrer Mietverträge laufen bis Ende des Jahres aus. Bis Ende 2003 kommen weitere zehn Prozent dazu.

Noch rechnet niemand mit den Leerstandsquoten von acht bis neun Prozent, wie sie Anfang der neunziger Jahre herrschten. Doch nicht nur der Leerstand bereitet den Fondsmanagern Sorgen. Ein weiteres Problem ist ihr Erfolg. Die Fonds dürfen über höchstens 49 Prozent Cash verfügen. Wegen der immensen Mittelzuflüsse müssen sie daher investieren. "Das hat zu einer Angebotsverknappung von 1-a-Immobilien geführt", erklärt Detlef Glow, Leiter Fondsresearch bei der tecis Asset Management. "Dadurch müssen immer häufiger auch Objekte in nicht ganz optimaler Lage, mit schlechterer Vermietbarkeit und Mietern von eher unsicherer Bonität gekauft werden", berichtet er. Und so lange das Geld nicht investiert ist, schlummert es auf niedrig verzinsten Geldmarktkonten - auch das drückt auf die Rendite.

Die Deka versucht die Angebotsverknappung auf dem deutschen Markt zu umgehen, indem sie verstärkt im Ausland investiert. "Internationale Märkte bieten zurzeit höhere Renditen als der deutsche", erklärt Christian Fischer, Direktor Immobilien Research Marketing. Das vierte Finanzmarktförderungsgesetz, das soeben verabschiedet wurde, greift der Fondsgesellschaft dabei unter die Arme. Die Grenze von maximal 20 Prozent Investitionen im Nicht-EU-Ausland wurde gekippt. Fischer schaut sich zurzeit vor allem bei den EU-Beitrittskandidaten in Osteuropa um. Außerdem hat die Deka soeben erstmals ein Objekt in Tokio erworben.

Doch auch der Gang ins Ausland bietet keine Gewähr vor Renditerückgängen. Die Büromarktkrise ist international. In London ist das vermietete Volumen um 70 Prozent zurückgegangen, in Paris um 55 Prozent. Und in Stockholm sind die Spitzenmieten schon um 25 Prozent gefallen.

Richtig ungemütlich könnte es für die Immobilienfonds aber werden, wenn die Stimmung an den Börsen dreht. "Ich bin mal gespannt, was passiert, wenn die Aktienmärkte wieder anspringen und die Anleger massenweise ihre Anteile an Immobilienfonds auf den Markt werfen", sagt Adriaan Bonauer vom Fondsanalysehaus Morningstar.de. "Eine Immobilie lässt sich nun mal nicht von heute auf morgen verkaufen, und wenn, dann sicher nur weit unter Marktwert", gibt er zu bedenken.

Deka-Spezialist Fischer sieht dies allerdings gelassen. "Die meisten Anleger denken nach unserer Erfahrung langfristig und gehen auch entsprechend an ein Investment im Bereich Immobilienfonds heran", glaubt er. Adriaan Bonauer rät verunsicherten Anlegern dennoch, derzeit statt auf die teuren Immobilienfonds lieber auf Rentenfonds zurückzugreifen. "Das bisschen Mehr an Rendite wiegt die Nachteile nicht auf", glaubt er. Und für "Schwachsinn" hält er es, "wenn Leute, die eine Eigentumswohnung besitzen, zusätzlich in Immobilienfonds investieren". Alles in allem genug Stoff zum Nachdenken im nächsten Stau.
 
aus der Diskussion: Wann platzt die Immobilienfonds-Blase?
Autor (Datum des Eintrages): KimJennifer  (16.06.02 02:02:15)
Beitrag: 1 von 48 (ID:6647248)
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