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@ MrZehndausend

wer glaubt denn heute noch den sog. Bankempfehlungen?


FAZ: Der Häusermarkt bleibt der Lichtblick in Amerika

Die Preise steigen inzwischen etwas langsamer / Spekulationsblasen gibt es allenfalls regional


dri. NEW YORK, 21. Juni. An der Wall Street sind die Aktienkurse in dieser Woche auf ein Jahrestief gesunken. Gleichwohl fallen die amerikanischen Verbraucher nicht in tiefe Depression. Denn ihr größter Vermögensbaustein, das Hauseigentum, gewinnt weiterhin an Wert. In den zwölf Monaten bis Ende März sind die Häuserpreise in Amerika nochmals um durchschnittlich 6 Prozent gestiegen, ist dem Häuserpreisindex des staatlichen Office of Federal Housing Enterprise Oversight (OFHEO) zu entnehmen. Die Preisdynamik hat sich damit zwar etwas verlangsamt. Für die vergangenen zwei Jahre zeigt der Index, der nach Einschätzung vieler Ökonomen die Preisentwicklung sehr gut nachzeichnet, aber immer noch einen stattlichen Wertzuwachs von 16 Prozent.

Während der gleichen Periode sind die Aktienkurse, gemessen am Leitindex von Standard & Poor`s (S&P 500), um knapp ein Viertel gefallen.<BR/><BR/>Die Misere am Aktienmarkt muß deshalb zunehmend als Erklärung für die fortgesetzte Begeisterung über Wohneigentum herhalten. Der Mangel an attraktiven Anlagealternativen hat in der Tat die Neigung vieler Amerikaner erhöht, mehr Geld in Immobilien zu investieren - indem sie ihre Häuser renovieren oder eben von Miete auf Eigentum umsteigen. Inzwischen wohnen 68 Prozent aller Haushalte in ihren eigenen vier Wänden, mehr als je zuvor. Doch der Häuserboom hat schon vor der Baisse am Aktienmarkt eingesetzt. Die eigentliche Erklärung für die Hausse im Häusermarkt dürfte daher in der demographischen Entwicklung und beim Zinsniveau zu suchen sein. Häuserfinanzierungen sind inzwischen so billig wie zuletzt in den sechziger Jahren.

Nachdem das wechselhafte Konjunkturbild die Wahrscheinlichkeit von Zinserhöhungen in diesem Jahr zunehmend sinken läßt, ist der Zins für die in Amerika gängigen Hypotheken mit 30 Jahren Laufzeit zuletzt bis auf 6,6 Prozent abgeschmolzen. Nach den Terroranschlägen auf Amerika hatten die Preise für Wohneigentum vorübergehend stagniert. Doch seit Beginn dieses Jahres steht der Markt wieder unter Feuer - selbst in einigen Hochburgen des Silicon Valley, wo das Platzen der "Dot.com-Blase" bei höherwertigen Immobilien einen beträchtlichen Preisverfall nach sich gezogen hatte. Vor allem an der amerikanischen Ostküste - im Einzugsgebiet von New York, Boston und Washington - sind die auf das Jahr umgerechneten Wertzuwächse wieder im zweistelligen Bereich. Zögerliche Käufer haben oft schlechte Karten. Es ist keine Seltenheit, daß für Häuser nur wenige Stunden nach Beginn der Vermarktungsphase gleich mehrere Angebote auf dem Tisch liegen. Käufer sehen sich zuweilen gezwungen, Offerten in Millionenhöhe abzugeben, nachdem sie ihr Objekt nicht einmal eine halbe Stunde lang in Augenschein genommen haben. Zwar kann der Käufer im Zuge der später folgenden Hausinspektion immer noch die Flucht durch die Hintertür antreten.

Der König ist aber der Verkäufer. Er darf obendrein bis zu 500000 Dollar seines Veräußerungsgewinnes steuerfrei am Fiskus vorbeischleusen. Der Wettlauf der Käufer und die ansehnlichen Preiszuwächse lassen bei manchen Ökonomen die Befürchtung aufkommen, daß es sich bei dem Häusermarkt um eine weitere Spekulationsblase handeln könnte. Auch in Japan seien die Immobilienpreise schließlich erst wenige Jahre nach dem Platzen der "Bubble" am Aktienmarkt eingebrochen, warnen Kassandrarufer. Statistisch läßt sich diese Befürchtung allerdings schwerlich untermauern.

Regional ist es zweifellos zu Übertreibungen gekommen. Im großen Gesamtbild gehen diese "Spekulationsbläschen" aber unter. Der Wertzuwachs von rund 25 Prozent, der sich nach dem Preisindex des OFHEO seit Ende 1998 für den gesamten Häusermarkt errechnet, ist im Grunde genommen nur eine Folge der trägen Preisentwicklung über den Großteil der neunziger Jahre hinweg. In den zehn Jahren von 1989 bis 1998 waren die Preise um nur durchschnittlich 2,9 Prozent gestiegen. Die Preise seien keineswegs außer Kontrolle geraten, sagt James Glassman, Ökonom bei der Großbank J. P. Morgan Chase.

Die wirkliche Überraschung sei vielmehr, wie schwach sich die Häuserpreise in einer Dekade des Wohlstandes, in der sich die Aktienmarktindizes mehr als verdoppelten, entwickelt hätten. Wenn die Häuserpreise schneller als die Einkommen steigen würden, wäre dies problematisch, sagt Glassman. Bemerkenswert an der Preisentwicklung der neunziger Jahre sei jedoch, wie sehr sie im Einklang mit dem Einkommenswachstum gestanden habe. Auch der Anteil des Wohneigentums am Gesamtvermögen der Haushalte steuere jetzt wieder auf den langfristigen Durchschnitt zu, nachdem Aktien vorübergehend stark an Bedeutung gewonnen hatten. Die Angst vor einem Kollaps der Häuserpreise hält sich unter Marktexperten daher in Grenzen, zumal das Wirtschaftswachstum wieder anzieht. Es ist schwer vorstellbar, daß der Immobilienmarkt ausgerechnet während einer Aufschwungbewegung in die Knie geht, nachdem er die jüngste Rezession unbeschadet gemeistert hat. Leichte Korrekturen werden allenfalls in solchen Regionen erwartet, wo die Wirtschaft stark vom verarbeitenden Gewerbe, insbesondere Hochtechnologieindustrien, abhängt und die Arbeitslosigkeit deutlich gestiegen ist. Dazu zählen neben den Silicon-Valley-Zentren Städte wie Portland (Oregon), Denver (Colorado), Salt Lake City (Utah), Phoenix (Arizona) und Seattle (Washington). Für den Gesamtmarkt rechnen Ökonomen in den nächsten Jahren wieder mit normalisierten Preissteigerungsraten von 3 bis 5 Prozent. Sollten die langfristigen Zinsen wider Erwarten dramatisch ansteigen, könnten die Preise aber auch stagnieren oder gar fallen, sagen Experten. Die Dynamik der Preisentwicklung hat sich schon jetzt verlangsamt. Den 6,1 Prozent Wertzuwachs, die das OFHEO für die zwölf Monate bis Ende März ermittelt hat, stand vor einem Jahr noch ein Wertzuwachs von 9,3 Prozent gegenüber.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.06.2002, Nr. 142 / Seite 21
 
aus der Diskussion: Wann platzt die Immobilienfonds-Blase?
Autor (Datum des Eintrages): BigLinus  (23.06.02 10:36:20)
Beitrag: 9 von 48 (ID:6704782)
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