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Auch der US-Immobilienmarkt droht zu kippen

Es ist an der Zeit zu fragen, was die geplatzte Börsenblase eigentlich für die Wirtschaft bedeutet. Wir reden dauernd über die Ungleichgewichte in den Staaten und tun so, als ob es nur eine Frage der Zeit sei, bis sie überwunden sind.

Doch wie das Beispiel Japan zeigt, hat das Platzen einer Spekulationsblase selbst bedeutende Konsequenzen für die Wirtschaft. Dabei hatte Japan 1990 nicht mit mangelndem Sparwillen und Leistungsbilanzdefiziten zu tun, wie die USA heute. Die Gemeinsamkeit besteht allerdings darin, dass der private Sektor hohe Schulden und Kapazitäten angehäuft hatte.

Es ist klar, dass der Rückgang der Kurse sowohl die Haushalte als auch die Unternehmen belastet. Hätte die Telekom heute noch einen Börsenwert von 300 Mrd. Euro, würde sie wohl kaum die Investitionen kürzen. Die Banken würden ihren Leuten nicht kündigen. Die Banker ihrerseits würden weiter munter Porsches kaufen - anstatt sie zurückgeben zu müssen, weil sie arbeitslos geworden sind, auf ihren Bonus verzichten müssen oder die Kredite zurückbezahlen, mit denen sie T-Aktien finanziert haben.

Die Optimisten sagen, dass die 4600 Mrd. $, die im S&P 500 seit der Spitze verbraten wurden (3350 Mrd. Euro im Stoxx), nicht so so viel ausmachen, weil in den USA ja der Immobilienmarkt brummt. Für die Konsumenten sei das Immobilienvermögen entscheidender, weil es als nachhaltiger empfunden wird. Außerdem betreffe der Aktienmarkt vor allem die Reichen.

In der Tat stimmt es, dass die durchschnittlichen US-Hauspreise seit 1995 um 47 Prozent gestiegen sind. Aber die Zuwachsraten lassen bereits nach, von 9,3 Prozent Anfang 2001 auf sechs Prozent im ersten Quartal 2002. Unterdessen betont Alan Greenspan ein ums andere Mal, dass es am Immobilienmarkt keine Blase gibt. Er weiß, was es hieße, wenn auch noch die Hauspreise nachgäben. Das wäre die dritte Parallele zu Japan.

Selbst die US-Regierung vermerkt, dass die Hauspreise nicht ewig deutlich schneller wachsen können als die allgemeinen Preise, weil das Angebot die Nachfrage letztlich unweigerlich übersteigen müsste. Schon im ersten Quartal wurden Angebotsüberhänge ausgemacht. Ohnehin folgen die Immobilienpreise tendenziell dem Wohl und Wehe der Börse, was theoretisch kaum überraschen kann. Bei einem Telekom-Kurs von 100 Euro entscheidet man sich eben eher für ein neues Eigenheim als bei 10 Euro je Aktie.

Die EZB muss es sich unter diesen Umständen sehr genau überlegen, ob sie die Zinsen tatsächlich anheben will. Im Gegenteil: Es laufen schon die ersten Wetten, dass die Leitzinsen in einem Jahr niedriger sind als heute. Das ist durchaus drin.

Financial Times Deutschland 24.06.2002
 
aus der Diskussion: Wann platzt die Immobilienfonds-Blase?
Autor (Datum des Eintrages): BigLinus  (24.06.02 20:37:25)
Beitrag: 12 von 48 (ID:6716795)
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