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Warum das neue Insolvenzrecht gut für Babcock ist Arbeitnehmer bekommen für drei Monate Gehalt von der Bundesanstalt für Arbeit - nach Eröffnung des Verfahrens
Nachdem alle Rettungsversuche für den Babcock-Konzern gescheitert sind, interessiert Arbeitnehmer und Gläubiger vor allem eine Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Babcock Borsig hatte bereits am späten Donnerstagabend beim zuständigen Amtsgericht Duisburg einen Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Das Gericht hat mit dem Duisburger Anwalt Helmut Schmitz einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Er muss jetzt prüfen, ob das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet oder mangels Masse abgelehnt wird. Das kann nach Auskunft eines Gerichtssprechers bei einem großen Konzern wie Babcock Borsig durchaus „einige Wochen“ dauern. Für Babcock und die Arbeitnehmer wäre ein Insolvenzverfahren vermutlich die beste Lösung. Denn das neue, seit Anfang 1999 geltende Insolvenzrecht gibt Pleite-Unternehmen bessere Rettungschancen als die alte Konkursordnung. „Ziel ist es, das insolvente Unternehmen nicht zu zerschlagen, sondern wesentliche Teile weiterzuführen und zu sanieren“, sagt der Essener Insolvenzanwalt Thorsten Snyders von der Kanzlei Heinemann & Partner. Früher war das anders: Im alten Konkursrecht ging es nach dem Eingang des Konkursantrags beim Amtsgericht darum, die Werte einer Pleitefirma möglichst schnell zu sichern, um sie dann nach einer gesetzlich festgelegten Rangfolge an die Gläubiger (Banken oder Lieferanten) zu verteilen. Das endete in der Regel mit der Zerschlagung des Unternehmens. Doch nach US-Vorbild, wo Firmen unter dem so genannten Chapter 11 oft jahrelang weitergeführt werden, können nach neuem Recht auch deutsche Firmen wie Babcock Borsig, die kein Geld mehr haben, um alle Verpflichtungen zu erfüllen, weiterleben.

Wird der Insolvenzantrag angenommen, wird entweder ein Insolvenzverwalter eingesetzt oder - wie bei Babcock - das Unternehmen in Eigenregie unter Aufsicht eines Sachverwalters weitergeführt. Bei Babcock wird voraussichtlich der Rechtsanwalt Horst Piepenburg neu auf den Chefsessel berufen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre das Unternehmen zunächst vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Kein Lieferant dürfte gelieferte Waren oder Maschinen abholen, keine Bank ihre Sicherheiten einfach realisieren. Der Insolvenzverwalter würde versuchen, Verlustbereiche zu verkaufen oder zu schließen, so dass am Ende ein kleineres, aber gesundes Unternehmen übrig bleibt.

Die Löhne der Babcock-Beschäftigten wären zumindest für die ersten drei Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesichert. Zahlen müsste die Bundesanstalt für Arbeit. Um die Zeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu überbrücken, können die Arbeitnehmer beim Arbeitsamt aber auch eine Vorfinanzierung beantragen. Das Geld bringt in der Regel eine Bank auf. Im Gegenzug treten die Arbeitnehmer ihre späteren Ansprüche gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit an die Bank ab. Für das insolvente Unternehmen hat das den Vorteil, dass es in den ersten drei Monate nach Eröffnung des Verfahrens die Lohnkosten spart - was die Chancen für eine Sanierung verbessert







Die beste Lösung für Babcock
Von Dieter Fockenbrock

Wer hätte das erwartet. Kaum steht die Insolvenz für Babcock Borsig fest, meldet sich auch schon der erste Interessent.
US-Investoren wollen das Babcock-Kerngeschäft, die Kraftwerkstechnik, kaufen. Sie glauben, dass man damit auch Geld verdienen kann. Babcock konnte es nicht. Der Aufschrei von Politikern und Gewerkschaftern war zu erwarten, sie fürchten die Zerschlagung des Oberhausener Konzerns. Doch was kann dem Unternehmen besseres passieren? Nichts wäre schlimmer, als dass Babcock so weiterwirtschaftet wie bisher.

Für die Arbeitnehmer mag es zynisch klingen: Die Insolvenz ist die beste Lösung. Weil das Unternehmen einfach nicht sanierungsfähig ist, jedenfalls nicht unter normalen Bedingungen. Bei Babcock kamen und gingen die Manager. Sie alle waren als (Konzern-) Weltverbesserer angetreten. Ergebnis: Dem Unternehmen geht es schlechter denn je.

Babcocks Probleme sind keine Frage der Konjunktur. Babcock leidet unter sich selbst. Das Management hat sich verzettelt, mit 150 Beteiligungsgesellschaften ist die Struktur immer noch viel zu kompliziert. Und: Gebäudetechnik hat nichts mit Kraftwerksbau gemeinsam, Müllverwertungsanlagen kann man auch ohne Dampfturbinen bauen. Die Insolvenz ist deshalb genau das Richtige. Für einzelne Teile werden sich jetzt leichter Käufer finden. Sie macht den Weg frei für einen radikalen Umbau, für die Auflösung des lästigen Konzernverbunds. Am Ende wird es weniger Arbeitsplätze geben, das steht schon jetzt fest. Aber die sind dann sicher und Babcock ist kein Dauer-Sanierungsfall mehr.
 
aus der Diskussion: Der Zock ist noch nicht vorbei!
Autor (Datum des Eintrages): donnerpower  (10.07.02 05:23:09)
Beitrag: 49 von 198 (ID:6839701)
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