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offenbar "bemüht" man sich schon, etwas zu machen:


Justiz und Gesetzgeber nehmen Manager stärker in Haftung

Staatsanwälte prüfen Insolvenzfälle / Schadensersatzpflicht ausgeweitet / "Kein Vorstand haftet für Erfolg"


jja. FRANKFURT, 10. Juli. Nun ist Klaus Lederer, bis vor kurzem Vorstandschef des taumelnden Babcock-Konzerns, auch ins Fadenkreuz der Justiz geraten: Die Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen wegen Insolvenzverschleppung. Schon zuvor wurde der Vorwurf der Untreue laut, weil Lederer den lukrativsten Teil der Firmengruppe - die HDW-Werft - verkauft und dort gleich selbst wieder angeheuert hat.

Dabei ist es gar nicht so selten, daß Vorstände und Geschäftsführer in unfreiwilligen Kontakt mit der Staatsanwaltschaft geraten. Denn das Wirtschaftsstrafrecht kennt manche Vorschriften, mit denen Manager recht schnell in Konflikt geraten können. So werden von Insolvenzgerichten die Akten auch zur Prüfung an die Anklagebehörde geschickt. Und die Schwierigkeiten, Unternehmensvermögen in einer Bilanz korrekt zu bewerten, führen zu einer erheblichen Grauzone bei der Frage, ob jemand seinen Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt hat. Noch größer ist angesichts schwammiger Formulierungen in dem einschlägigen Paragraphen die Unsicherheit, wann der Straftatbestand der Untreue beginnt. Nicht nur Verteidiger klagen, Manager stünden eigentlich stets mit einem Bein im Gefängnis. Denn wo das erlaubte Risiko bei vielversprechenden Geschäften endet und eine strafbare "Vermögensgefährdung" beginnt, weiß niemand genau. Freiheitsstrafen werden allerdings selten verhängt und die meisten Verfahren ohnehin eingestellt.

Aber auch die zivilrechtliche Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten ist in den vergangenen Jahren gewachsen; sie droht keineswegs nur bei vorsätzlichen Verstößen, sondern auch bei fahrlässigen Fehlern. Der Bundestag hat etwa mit dem Kontroll- und Transparenzgesetz (KonTraG) die Regreßschraube angezogen. Auch die Gerichte urteilen mittlerweile strenger. So verdonnerte das Landgericht Bielefeld ein früheres Aufsichtsratsmitglied der Schwindel- und Pleitefirma Balsam zur Zahlung von 5 Millionen DM Schadensersatz zuzüglich Zinsen, weil es nicht rechtzeitig Gerüchten über Luftbuchungen nachging.

Dennoch sind sich Wirtschaftsjuristen weitgehend einig, daß die Haftungsvorschriften auch in Deutschland - und nicht nur in den Vereinigten Staaten, wo Präsident Bush jetzt Verschärfungen angekündigt hat - noch immer einige Lücken aufweisen. Auf Vorschlag der Regierungskommission "Corporate Governance" ist zwar soeben mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz eine Ersatzpflicht der Gesellschaft für falsche Pflichtmitteilungen gegenüber ihren Aktionären geschaffen worden. Allerdings muß dann in erster Linie das Unternehmen selbst zahlen - die Anteilseigner entschädigen sich also gleichsam selbst. Ein Gutachten für den Deutschen Juristentag im Herbst fordert, diese Haftung auf andere Falschveröffentlichungen auszudehnen und zudem eine Art Sammelklage einzuführen (F.A.Z. vom 17. Juni). Und auch die sogenannte Innenhaftung - also die Schadensersatzpflicht von Vorständen und Aufsichtsräten zugunsten der Firmenkasse - soll ausgeweitet werden. Die Regierungskommission hat dazu vorgeschlagen, die Schwellenwerte zu senken, von denen an Minderheitsaktionäre die Einleitung von Zivilklagen gegen Bilanzfälscher und Finanzjongleure durchsetzen können.

Damit diese Haftungsregeln auch eine vorbeugende Wirkung auf das Verhalten der Firmenlenker haben, empfiehlt der neue Corporate-Governance-Kodex einen "angemessenen Selbstbehalt" bei den verbreiteten Haftpflichtversicherungen für "Directors and Officers". Daß deren Prämien mittlerweile drastisch gestiegen sind, zeigt, daß sie auch tatsächlich zunehmend in Anspruch genommen werden müssen. Denn nicht mehr alle Streitfälle werden aus Sorge um das Renommee der betroffenen Firma unter den Teppich gekehrt und die Sünder für ihre Fehltritte noch mit einem "goldenen Handschlag" verabschiedet.

Allerdings hat die Kommission auch davor gewarnt, die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der Vorstände durch allzu strenge Rechtsregeln zu lähmen. Das "unternehmerische Ermessen" müsse erhalten bleiben - für wirtschaftlichen Erfolg könne auch der beste Vorstand nicht garantieren.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.07.2002, Nr. 158 / Seite 14
 
aus der Diskussion: Wirtschaftsdelikte in Deutschland: Milde Strafen für große Kriminelle
Autor (Datum des Eintrages): clarus  (11.07.02 09:25:20)
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