Japan: Bereits 7 Pleiten in der Versicherungsbranche Wohin zu hohe Renditeversprechen von Lebensversicherern führen könnte, zeigte sich in jüngster Vergangenheit in Japan. Dort gingen seit 1997 sieben Konzerne Pleite, weil sie ihren Kunden höhere Renditen versprochen hatten, als sie tatsächlich erwirtschaften konnten. Die Ausschüttungen an Versicherte betragen zum Teil noch 5,5% und mehr für ältere Policen, während die Kapitalerträge z.B. beim Marktführer Nippon Life mit 2,27% nur noch die Hälfte dessen abdecken. Die Branche kann nur noch zu Lasten der Versicherten gegensteuern. Bei Nippon Life, Dai-Ichi-Life, Sumitomo Life, Meiji Life, Yasuda Life und Mitsui Life wurde die vertraglich garantierte Verzinsung im Juni 2001 von 1,5% auf 0,75% gesenkt. Die Problematik geht in Japan jedoch längst über die Frage der Verzinsung von Sparguthaben hinaus. Die Konkurse der Versicherungsgesellschaften wurden zwar durch den japanischen Staat aufgefangen, dennoch ergeben sich bereits für die gesamte Volkswirtschaft negative Auswirkungen. Durch die staatlich gedeckten Luftbuchungen wird die Problematik lediglich umverteilt und eine rasche und gründliche Bereinigung des Problems durch die Mechanismen des Finanzmarktes verhindert. Die Krise der Lebensversicherungen trägt dazu bei, dass Japan auch im Jahr 12 nach dem Ende der Aktien- und Immobilienblase noch immer unter Sachwertdeflation und schrumpfender Wirtschaft leidet. Strauchelnde Versicherer weltweit: Ist Deutschland sicher? Sind ähnliche Fälle auch in Deutschland denkbar oder wahrscheinlich? Eine Detailanalyse gestaltet sich aufgrund der Komplexität der Materie und der Vielfalt der involvierten Unternehmen schwierig. Deutsche Versicherer konnten ihre stillen Reserven lange Zeit wie Staatsgeheimnisse schützen. Die Höhe der Reserven wird zwar mittlerweile veröffentlicht und gerne dazu eingesetzt, um das Interesse von Anlegern und Aktienanalysten auf sich zu ziehen, andere Teile von Versicherungsbilanzen sind für Außenstehende jedoch unverändert schwer zu beurteilen. Die schwierige Informationslage sollte gleichwohl nicht davon abhalten, Tendenzen und Indizien zu überprüfen. Fragen kommen insbesondere auch im Zusammenhang mit der Überwachung von Versicherungsgesellschaften in Europa auf. Der Einbruch des Kartenhauses bei Equitable wurde in einem 286 Seiten starken Bericht der britischen Regierung untersucht. In dem Bericht, dessen Details nicht veröffentlicht wurden, kamen die Experten zu dem Ergebnis, dass die finanzielle Schieflage von Equitable möglich war, ohne dass die Versicherung gegen Regulierungsbestimmungen verstoßen hatte. Entsprechend ist die Diskussion über die Sicherheit von Lebensversicherungen in England bereits in vollem Gange. Nach dem Equitable-Desaster gibt es bei der Analyse des britischen Versicherungssektors keine Tabus mehr. Die britische Finanzaufsichtsbehörde FSA hat in einem unter Verschluss gehaltenen Bericht 200 der 900 britischen Lebensversicherer auf eine Risikoliste gesetzt. Die Rating-Agentur Fitch berichtete darauf hin, dass innerhalb der Versicherungsbranche vielfach die Meinung herrscht, dass die vorgeschriebene Kapitalausstattung britischer Lebensversicherer schon heute unzureichend sei und radikal reformiert werden müsse. Sind Verwerfungen, wie sie im EU-Land Großbritannien entstanden, auch in Deutschland möglich? Im Vergleich zu Versicherungen anderer europäischer Länder sind die deutschen Versicherungen im Branchendurchschnitt noch überdurchschnittlich gut mit Eigenkapital ausgestattet. Die deutsche Versicherungsbranche profitierte jahrzehntelang von einem gegen ausländische Konkurrenz abgeschottenen Markt und entsprechend hohen Margen. Der deutsche Versicherungssektor ist mit 138 Milliarden Euro Prämieneinnahmen der größte Europas. Die Tatsache, dass per 2001 in Deutschland 706 Versicherungen registriert waren, zeigt, dass es den meisten Gesellschaften bislang gut genug ging, um sich dem andernorts anzutreffenden Konzentrationstendenzen zu entziehen. Die Eigenkapitalbasis reichte bei den meisten Versicherern bislang aus, um die sich bietenden Expansionsmöglichkeiten im Alleingang zu finanzieren. Es gibt weitere Besonderheiten, die einen Vergleich der Entwicklung in Großbritannien mit der Situation in Deutschland erschweren. So dürfen britische Versicherungen bis zu 100% ihrer Anlagegelder in Aktien investieren. In Deutschland ist der Aktienanteil im Versicherungsportefeuille gesetzlich auf maximal 30% begrenzt. Die Studien der WestLB und der Consultinggesellschaft Tillinghast-Towers Perrin (siehe oben) deuten aber dennoch auf beachtliche Risiken in der deutschen Versicherungslandschaft hin. Innerhalb der Versicherungsbranche gibt es große Unterschiede in Art und Qualität der Finanzsituation. Alles hängt von einer Betrachtung des Einzelfalls ab. Dabei kam es bereits zu negativen Auffälligkeiten. Aus heutiger Sicht ist das deutsche Versicherungsgewerbe noch dazu in der Lage, etwaige Schieflagen bei einzelnen Anbietern branchenintern aufzufangen. Die öffentlichkeitsscheue Branche dürfte im Ernstfall versuchen, gemeinsam mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen hinter den Kulissen eine Lösung zu finden. Auswege könnten in der Übertragung des Kundenbestands oder einer kompletten Übernahme liegen. Branchensolidarität ist nicht unbeschränkt belastbar Ob sich aber für jeden in Schieflage geratenen Versicherer eine realisierbare brancheninterne Lösung finden lässt, ist indes fraglich. So hat sich auch für die Hannoversche Lebens bislang kein Käufer gefunden, obwohl das Unternehmen Merrill Lynch mit der Suche nach einem starken Partner beauftragt hatte. Die Hannoversche Leben ist als Gegenseitigkeitsverein organisiert, hat also keine Aktionäre und gehört den Kunden. Selbst Verhandlungen mit dem langjährigen britischen Partner Standard Life blieben erfolglos. Eine derartige Kapitalstrukur kann eine Auffangslösung schwierig gestalten oder auf Unternehmen ähnlicher Rechtsform beschränken. Beispiel: Hannoversche Leben Die Hannoversche Leben in guten Börsenzeiten zeitnah stille Reserven an die Versicherten weitergegeben. Auf diese Weise ließen sich die Ergebnisse für die Versicherten aufpolieren und neue Kunden gewinnen. Gleichzeitig führte die Strategie jedoch dazu, dass die Versicherung schon im Jahr 2000 einen Großteil ihrer Reserven aufgezehrt hatte. Die Hannoveraner hatten 2000 als Tabellenletzte bei der Nettorendite abgeschlossen und musste Wertpapierhändlern zufolge sogar Aktienzwangsverkäufe durchführen. Den Berichten zufolge hatte die Gesellschaft in engster Abstimmung mit der Versicherungsaufsicht Aktien verkauft, um wenigstens noch die garantierte Mindestverzinsung von 3,25% erreichen. Auch die seit mehreren Jahren zu beobachtende Auflösung der „Deutschland AG“ spricht dafür, dass Auffanglösungen für Versicherungen nicht immer so glatt gehen müssten, wie dies in der Vergangenheit zu erwarten war. Der Verkauf der Beteiligungen an der Allianz durch Münchner Rück und Deutsche Bank spricht auch dafür, dass innerhalb der Finanzbranche die Beteiligungen eher ab- als aufgebaut werden. Deutsche Finanzunternehmen stehen heute mehr denn je im Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen. Würde eine Rettungsaktion zu stark auf die eigenen Mittel und die Eigenkapitalrendite drücken, könnte die Solidarität unter deutschen Finanzunternehmen schnell bröckeln. Dies um so mehr, als Versicherer durch den Absturz der Aktienmärkte nicht mehr auf die reichlichen stillen Reserven zurückgreifen können und die Kosten einer Rettungsaktion tendenziell aus operativen Erträgen erbracht werden müssten. Das Entstehen einer solcher Situation bei einzelnen Versicherern dürfte eine reine Frage der Zeit sein. Durch die jüngsten Kursverluste an den internationalen Aktienmärkten befinden sich deutsche Lebensversicherer jetzt in der Doppelschere sinkender Aktienkurse und niedriger Zinsen – mit dem möglichen Effekt einer erheblichen Beschleunigung der Negativentwicklung. Staatsanleihen: Sicher, aber zu wenig rentabel, um die Renditeerwartungen der Versicherten zu erfüllen Die deutschen Versicherer haben rund zwei Drittel ihrer Mittel in Produkte investiert, deren Erträge an Zinsen gekoppelt sind. Seit Januar 2000 fiel die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen von 5,6 auf 5%. Bleibt die Zinswende aus, wird die Problematik der Renditeversprechungen von 7 bis 8% nur noch dringender. Die Lage wird besonders kritisch für jene Rentenpapiere, die in der Hochzinsphase zwischen 1990 und 1992 aufgelegt wurden und jetzt fällig werden. Seinerzeit lag das Zinsniveau bei 8 bis 9%. Die Versicherer müssen die freiwerdenden Mittel zu deutlich schlechteren Konditionen neu anlegen. Bei ihrer Strategie sind die Versicherer teilweise auch Sklaven einer von unrealistischen Erwartungen geprägten Öffentlichkeit: Nur die wenigsten Sparer können zwischen nominalem und realem Zins unterscheiden und boykottieren selbst in Zeiten niedriger Inflation Finanzprodukte mit niedriger nominaler Verzinsung. Angetrieben durch langjährige Investmentstatistiken aus den letzten zwei Jahrzehnten erwartet das Gros der Versicherten Erträge, die im eingetrübten Kapitalmarktumfeld nicht mehr bzw. nur noch unter Inkaufnahme höherer Risiken zu erwarten sind. Die Versicherer müssen hohe Zinseinnahmen erzielen, andernfalls wandert der Kunde zu einem Konkurrenten mit höherem Zinsversprechen. Die vertrackte Situation ist dazu geeignete, deutsche Versicherer dazu zu verleiten, kurzfristige Zinsmaximierung vor langfristige Kapitalsicherung zu setzen. Der Ausweg: Unternehmensanleihen - höhere Zinsen, jedoch auch viel riskanter Um der Zinsfalle zu entkommen, haben Versicherer in den letzten Jahren verstärkt in Unternehmensanleihen investiert. Staatsanleihen würden als Ausweichmöglichkeit eine zu niedrige Rendite bieten, nicht zuletzt da die Zinsen für Staatsanleihen in Ländern wie Italien durch die Einführung des Euro deutlich gesunken sind. Selbst bei guter Bonität des Emittenten können Unternehmensanleihen 0,5 bis 1% Prozentpunkt mehr bringen als vergleichbare Staatsanleihen. Die Pleiten von SwissAir und Enron haben jedoch gezeigt, dass auch sogenannte Qualitätsanleihen praktisch über Nacht wertlos werden können. Bei SwissAir standen Anleiheninhaber mit Papieren im Nominalwert von 4 Mrd Franken (2,77 Mrd Euro) im Feuer. Dabei hatten führende Rating-Agenturen der Airline noch zu Jahresanfang 2001 eine gute Bonität bescheinigt. SwissAir ist in Europa kein Einzelfall mehr. Auch die Anleihen der früheren Highflyer am Neuen Markt, Brokat und Carrier 1, sind durch einen Konkurs praktisch wertlos geworden. Die Bonds hatten verlockende Zinskupons von 11,5 und 13,25% geboten. Trotz des Desasters bei der SwissAir ist das Interesse an Unternehmensanleihen unverändert groß. Die Financial Times ortete bereits die größten Käufer im Markt: Nicht mehr Portfolio- Investoren, sondern europäische Versicherungen sind die größten Investoren im Markt für Unternehmensanleihen. Das Timing für den Erwerb von Unternehmensanleihen könnte sich bei den Versicherungen aber als überaus ungeschickt erweisen. Die Nachfrage nach Unternehmensanleihen ist auch ein Zeichen des Vertrauens der Käufer in einen baldigen Konjunkturaufschwung. Bleibt dieser jedoch aus, können selbst hochwertige Unternehmensanleihen zu Risikopapieren werden. Die Zeichen mehren sich, dass jene Versicherer, die zuletzt in großem Umfang in Unternehmensanleihen investiert haben, mit ihren verstärkten Anleiheninvestments in die nächste Falle gelaufen sind. Die Rating-Agentur Moody’s teilte Anfang 2002 mit, dass sich die Kreditwürdigkeit westeuropäischer Unternehmen im Jahr 2001 in einem “nie da gewesenen” Ausmaß verschlechtert hat und sich weiter verschlechtern werde. Der Senkung von 123 Ratings stand die Erhöhung von lediglich 16 Ratings gegenüber. Bedenklich: Extrem hoher Anteil von Anleihen aus dem Telekommunikationsbereich Hinzu kommt, dass die Struktur des europäischen Marktes für Unternehmensanleihen bedenklich einseitig ist. Rund 70% der europäischen Unternehmensanleihen stammen aus dem Telekom- oder Medienbereich – beides derzeit alles andere als Inseln der Sicherheit. Selbst bei Anleihen von Branchengrößen wie Deutsche Telekom und France Telecom müssen mittlerweile Fragen nach der Bonität gestellt werden. Die beiden ehemaligen Staatskonzerne sind mit 62 bzw. 60 Milliarden Euro verschuldet und bei bisherigen Versuchen zur Reduzierung der Schulden gescheitert. Während die Deutsche Telekom sich am Verkauf von Assets versucht, liefert sich France Telecom Grabenkämpfe mit der deutschen Mobilcom, an der die Franzosen eine rasant im Wert gesunkene Beteiligung halten. Das Risiko der europäischen Telekom-Schulden gewinnt im Kontext der amerikanischen Branchenzahlen eine beängstigende Note. Die amerikanische Wirtschaft hat 525 Mrd US$ Telekom-Schulden geschultert, umgerechnet rund 5% des amerikanischen Bruttosozialprodukts. Die rekordhohen Investitionen der amerikanischen Telekom-Branche müssen aus heutiger Sicht jedoch zum großen Teil als verfehlt eingestuft werden. Selbst während Spitzenzeiten sind die Kapazitäten amerikanischer Glasfaserbetreiber nur zur Hälfte ausgelastet. Im Durchschnitt liegt die Ausnutzung des amerikanischen Glasfasernetzes sogar nur bei 5% der Kapazität. Weil es nicht Quartale, sondern Jahre braucht, bis die Kapazität jemals ausgelastet und rentabel sein wird, sind weitere Großausfälle im amerikanischen Telekombereich vorprogrammiert. Die Insolvenz von WorldCom lieferte bereits einen Rekord: Nur ein Jahr nach der Emission einer 11,9 Mrd US$ Anleihe ist diese durch die Finanzprobleme der Gesellschaft kräftig im Wert gefallen. WorldCom ist nicht der einzige traurige Negativrekord. Die Telekom-Branche hatte im Jahr 2000 weltweit einen negativen freien Cashflow von 60 Mrd US$. Noch nie zuvor in der Wirtschaftsgeschichte hatte einen Branche in einem einzigen Jahr einen derart hohen Verlust geschrieben. Die Zahlen für 2001 dürften noch dramatischer ausfallen und notiert nur noch mit einem Bruchteil des Nominalwerts - Totalverlust nicht ausgeschlossen. Die Risiken aus einem Kredit-Crash der amerikanischen Telekom-Branche sind enorm. Zum Vergleich hatte die Savings & Loan Krise in den achtziger Jahren nur 175 Mrd US$ bzw. 3% des amerikanischen Bruttosozialprodukts verschlungen. Insofern wundert es nicht, dass Standard & Poor’s für das Jahr 2001 erstmals in der Geschichte mehr als 200 Pleiten von Anleihenemittenten verzeichnete. Insgesamt ist ein Volumen von 115,4 Mrd US$ insolvent geworden. Der bisherige Rekord von 42,3 Mrd US$ aus dem Jahr 2000 wurde um annähernd das Dreifache übertroffen. Schuld ist nicht nur die schwache Wirtschaft, sondern auch eine strukturelle Veränderung der amerikanischen Bilanzen. 1982 lag die Verschuldung amerikanischer Unternehmen (exklusive Finanzbranche) bei ca. 32% des Bruttosozialprodukts. Für das Jahr 2001 lag die Vergleichszahl bei 47,4%. Die amerikanische Wirtschaft ist mit der höchsten jemals erreichten Schuldenlast in die Rezession eingetreten. Selbst während der Rezession 1990/91 hatte die Unternehmensverschuldung nur bei 42,6% des Bruttosozialprodukts gelegen. Die Last der Zinszahlungen in Prozent der Unternehmensgewinne hat fast den Rekordstand der letzten 40 Jahre erreicht. Dabei liegen die Zinsen heute (noch) extrem niedrig. Ein anhaltender Ausfall amerikanischer Telekom-Schulden würde unweigerlich auch in Europa zu einer Vertrauenskrise und zu einem Abzug von Geldern aus dem Sektor führen. Die tickende Zeitbombe amerikanischer Anleihen aus dem Telekom-Bereich und anderen Problembranchen könnte europäische Versicherer sogar stärker treffen als bislang angenommen. Durch den ausufernden Derivatemarkt können Ausläufer der Strukturverwerfungen Amerikas selbst jene Versicherer treffen, die nicht unbedingt die entsprechenden Anleihen im Depot haben. Kreditderivate: Wenn Versicherer im Kreditgeschäft schlauer als Banker sein wollen Ursache hierfür sind “Kreditderivate”: Künstlich geschaffene Finanzinstrumente, durch die Risiken aus Krediten und Anleihen auf einen neuen Besitzer übertragen werden können. Mit den künstlichen Finanzinstrumenten können Banken die Kreditrisiken neu verpacken und an Investoren weiterreichen. Der Käufer solcher Derivate bekommt für die Übernahme der Risiken ein Entgelt. Derivate auf Kredite sind einer der am schnellsten wachsenden Finanzmärkte. Nach einer Schätzung der Bank of England ist das Volumen ausstehender Kreditderivate zwischen 1995 und heute von 400 Mrd US$ auf 2 Billionen US$ explodiert. Wie schon in den Fällen Enron oder Metallgesellschaft kann es im komplexen Geschäft mit Derivaten zu Fällen kommen, in denen Marktteilnehmer mehr Risiken auf sich nehmen, als sie sich bewusst sind oder leisten können. Selbst vermeintlich professionelle Anleger können von den Tücken dieses Geschäfts überrascht werden. Durch Kreditderivate ist es zu einer in der Öffentlichkeit bislang wenig beachteten Risikoverschiebung von Banken auf Versicherungen gekommen. Der Fachbegriff, der den meisten Sprengstoff enthält, lautet “regulatorische Arbitrage”. Banken unterliegen bei der Kreditvergabe strengen Auflagen und müssen Kreditrisiken durch vergleichsweise hohe Kapitalreserven ausgleichen. Bei Versicherungen sind die Anforderungen wesentlich geringer. Anders ausgedrückt: Versicherungen können bei gleicher Kapitalausstattung größere Kreditrisiken als Banken schultern. Weil Versicherungen somit weniger Kapitalkosten tragen müssen, können sie auch solche Kreditrisiken unterschreiben, die für Banken bereits nicht mehr lukrativ genug sind. Die Ausnutzung dieser Differenz wird als “regulatorische Arbitrage” bezeichnet. Die Zahlen sind beängstigend: Rund ein Fünftel des globalen Kreditderivatevolumens von 2 Billionen US$ entfällt bereits auf Versicherungen. Umgerechnet haben Versicherungen Kreditrisiken im Volumen von 300 bis 400 Mrd US$ in Form von Derivaten in den Büchern. Pauschale Beurteilungen sind in derartig vielfältigen Märkten mit ihrer großen Zahl an Marktteilnehmer schwierig. Dennoch lassen sich Tendenzen feststellen. Von entscheidender Bedeutung ist die Grundfrage, ob Versicherungen Kredite genau so gut beurteilen können wie Banken. Überspitzt formuliert: Wenn eine amerikanische Bank die Kreditrisiken eines Engagements in Amerika in Derivate verpackt und an die Investmentabteilung einer europäischen Versicherung verkauft – wer hat dann wohl den besseren Einblick in die Risiken des Geschäfts? Die Tatsache, dass Banken das Kreditgeschäft seit jeher betreiben, Versicherungen dagegen erst jüngst verstärkt in diesen Markt eingetreten sind, spricht Bände. Auch Howard Davies, Leiter der britischen Finanzaufsichtsbehörde FSA, beobachtet die Entwicklung kritisch. Am von ihm überwachten Finanzplatz London ist rund 50% des weltweiten Kreditderivategeschäfts konzentriert. Davies warf die kritische Frage auf, ob der Risikotransfer von Banken auf Versicherungen in erster Linie durch Unterschiede in den Kapitalanforderungen ausgelöst wird. Das Ausfallrisiko eines Kredits verändere sich schließlich nicht, nur weil es aus der Bilanz einer Bank in die Bilanz einer Versicherung verschoben wird. Die Grundproblematik der auf der Hand liegenden asymetrischen Informationsverteilung zwischen Banken und Versicherungen wurde von David Hendler, Experte beim Researchunternehmen CreditSight, auf den Punkt gebracht: “Die Leute denken, es sei ein Verzockt mit Derivaten American Express Financial Advisors, eine für Finanzplanung sowie Spar- und Versicherungsprodukte zuständige Tochtergesellschaft von American Express, musste im Jahr 2001 Abschreibungen auf Kreditderivate vornehmen und dabei einen Verlust von 1 Mrd US$ verbuchen. American Express- Chairman Kenneth Chenault gab zu, dass seine Mitarbeiter die Risiken dieser Investments “nicht in vollen Umfang verstanden hatten”. einfacher Weg, Geld zu verdienen, aber viele dieser Spieler, wie z.B. einige Versicherungen, haben nicht die notwendigen Werkzeuge, um die Risiken zu quantifizieren, da es noch keine allgemein anerkannte Methode gibt.” Im Kontext des Gesagten wundert es nicht, dass einige Versicherungen bei Großpleiten wie Enron, K-Mart und der britischen Railtrack bereits hohe Verluste verbuchen mussten, während amerikanische Banken trotz der rekordhohen Zahl der Pleiten bislang weitgehend unbeschadet geblieben sind. Ein bei derartigen Transaktionen häufig verwandtes Instrument sind sogenannte kollateralisierte Schuldverschreibungen (collateralized debt obligations, “CDOs”): Neu verpackte Kreditportefeuilles von Banken, für deren Übernahme Investoren eine über dem Niveau von Staatsanleihen liegende Verzinsung erhalten. Finanzmarkt-Aufseher Davies brachte die Bedenken der Aufsichtsbehörden auf den Punkt, als er einen ungenannt gebliebenen Investmentbanker zitierte: CDOs sind “heute das giftigste Element der Finanzmärkte”. In zahlreichen CDOs waren auch Kreditrisiken des Enron-Konzerns enthalten. Das amerikanische Branchenfachblatt “The Banker” nannte in seiner Mai-Ausgabe denn auch, wer besonders wichtige Käufer für überdurchschnittlich riskante Tranchen des CDO-Marktes sind: Deutsche und japanische Lebensversicherungen, die mit diesen Instrumenten versuchen, die Performance ihrer Investments aufzubessern. .............................................. Fortsetzung folgt: |
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aus der Diskussion: | Ich spare mir ein Haus: |
Autor (Datum des Eintrages): | Harry_Schotter (20.07.02 12:58:03) |
Beitrag: | 28 von 29 (ID:6932835) |
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