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Rat Line

Als "Rat Line", zu deutsch "Rattenlinie", bezeichneten die amerikanischen Alliierten den Fluchtweg vieler führender Nationalsozialisten und SS-Leute, der sie meist über Südtirol nach Rom und von dort aus vor allem in südamerikanische, aber auch arabische Staaten führte. Der Fluchtweg war schon früh vom amerikanischen Geheimdienst CIC (Army Counter-Intelligence Corps) entdeckt worden. Später nutzte der CIC die Fluchtroute für eigene Zwecke. Eine der zentralen Figuren ist der Rektor des Priesterkollegs "Collegio Teutonico", Alois Hudal. 1933 war Hudal von Staatssekretär Eugenio Kardinal Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., zum Bischof geweiht worden. Hudal besorgte den flüchtigen Nazis eine "Ausweiskarte" ("Carta di riconoscimento" ), die das "Österreichische Bureau", ein Pseudo-Konsulat, ausstellt. Zusätzlich wird eine quasi päpstliche Passhilfe installiert: päpstliche Hilfsstellen bezeugen die Identität und besorgen die Visa, das italienische Rote Kreuz beschafft die Pässe.


Eichmann 1950 auf der Überfahrt nach Argentinien

Die Nutznießer dieser Seilschaften sind z.B. der Architekt der Judenvernichtung, Adolf Eichmann (Tarnname "Ricardo Klement" ), SS-Standartenführer Walter Rauff, der die Gaswagen bauen ließ, der Auschwitz-Arzt Josef Mengele, Franz Stangl, Kommandant der Vernichtungslager Sobibor und Treblinka sowie sein Vertreter Gustav Wagner. SS-Obersturmführer Friedrich Warzok, Leiter des Konzentrationslagers Lemberg-Janowka, flüchtete von Rom aus nach Kairo, ebenso Dr. Gerhard Bohne, Organisator der Nazi-Euthanasie. Hans-Ulrich Rudel, der höchstdekorierte Wehrmachtssoldat und Stuka-Flieger, schildert in seinem Buch "Viele Wege führen nach Rom", wie er 1948 mit seinem Gruppenkommandanten Herbert Bauer, seinem Bordschützen Ernst Niermann, dem Technischen Offizier Katschner und dem "Geschwaderkameraden" Zeltmann über die Alpen flüchtet und via Südtirol in Rom ankommt. Klaus Barbie, der SS-Hauptsturmführer aus Lyon, konnte mit Hilfe der "Rattenlinie" 1951 nach Bolivien fliehen. Ein anderer prominenter Nazi-Täter kann über die "Rattenlinie" nach Argentinien entkommen, nachdem er 1946 plötzlich spurlos aus dem Internierungslager in Rimini verschwunden war: SS-Offizier Erich Priebke, der 1994 schließlich durch ein US-amerikanisches Fernsehteam im südargentinischen Bariloche aufgespürt und an Italien ausgeliefert wird.

Neben der "Crème" des nationalsozialistischen Vernichtungsapparats erhielten auch viele kroatische Kollaborateure Unterstützung für die illegale Auswanderung auf der "Rattenlinie" des Bischof Hudal (z.B. der Kommandant des Konzentrationslagers Jasenovic, Dinko Sakic), Soldaten der Wlassow-Armee und Mitglieder und Hilfswillige östlicher SS-Divisionen, darunter sehr viele Ukrainer, um die sich Pius XII persönlich bemüht. Auch der fanatische Mussolini-Anhänger und Nazi-Kollaborateur Lucio Gelli findet seinen Weg auf der "Rattenlinie" nach Argentinien, wo er dem Diktator Juan Peron als Wirtschaftsberater dient, später nach Italien zurückkehrt und die Untergrundorganisation Propaganda Due (P2) aufbaut. Rudel wurde in Argentinien Militärberater. Peron empfing die europäischen Faschisten mit offenen Armen. Wie eine argentinische Historikerkommission 1998 feststellte, kamen 143 namhafte Nazis über die "Rattenlinie" nach Argentinien.
 
aus der Diskussion: Schlaglicht: Der tödliche Alltag in der chilenischen Dikatur Pinochets
Autor (Datum des Eintrages): antigone  (30.07.02 19:08:12)
Beitrag: 5 von 20 (ID:7003255)
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