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Erich Priebke
Jahrgang 1914

Der ehemalige SS-Hauptsturmführer entzieht sich mit Hilfe der Nazi-Fluchtorganisation, die ihre Schützlinge über die "Rattenlinie" schleust, der alliierten Strafverfolgung. Zuvor konnte er aus einem Kriegsgefangenenlager bei Rimini fliehen. An der Organisation seiner Flucht war auch der Mitarbeiter der von Wilhelm Canaris geleiteten deutschen Abwehr, Reinhard Kopps, beteiligt, der nach 1945 im Büro von Bischof Hudal in Rom Beschäftigung fand. In Argentinien legte dieser sich später den "Künstlernamen" Juan Maler zu.

Am 24. März 1944 war Erich Priebke, engster Mitarbeiter des Gestapochefs Herbert Kappler in Rom, an der Erschießung von 335 Zivilisten in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom beteiligt. Als Racheakt wegen eines Partisanenangriffs, bei dem 32 Soldaten getötet wurden, werden auf Befehl Kapplers willkürlich Menschen in dem jüdischen Getto, teilweise auch in Krankenhäusern verhaftet und in den Steinbrüchen exekutiert.

1994 wird er in dem vornehmen argentinischen Kurort Bariloche aufgespürt und am 10. Mai verhaftet. Am 21. November 1994 wird er an Italien ausgeliefert. Sein langjähriger Anwalt in Argentinien ist Pedro Bianchi, der nicht nur viele deutsche Immigranten mit NS-Vergangenheit juristisch vertritt, wie etwa Wilfred von Oven, sondern auch argentinische Faschisten und Schergen der Militärjunta. Von bundesdeutscher Seite steht ihm der Szeneanwalt Günther Herzogenrath-Amelung, Regensburg, juristisch zur Seite. Reinhard Kopps, alias Juan Maler, der ebenfalls in Bariloche sein Domizil gefunden hatte, flüchtete nach der Verhaftung von Priebke nach Chile.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit findet am 3. April 1996 eine erste Anhörung vor einem Militärgericht in Rom statt, im darauffolgenden Monat wird der Prozess gegen ihn wegen des Massakers von 1944 eröffnet. In dem Verfahren bennennt Priebke den ehemaligen SS-Offizier Karl Hass, wohnhaft in Rom und Tatbeteiligter, als Zeugen. Dieser flüchtet in die Schweiz, kehrt dann aber freiwillig mit Polizeibegleitung zurück nach Italien. Italienische Belastungszeugen und der Nebenkläger Ricardo Mancini erhalten Drohbriefe und Drohanrufe. Am 1. August 1996 erklärt das Gericht die Tat für verjährt, Priebke kehrt nach Argentinien zurück.

Bereits zuvor hatte das Bundesjustizministerium einen Auslieferungsantrag an die Bundesrepublik ausgestellt, der im Falle eines Freispruchs von Priebke in Italien wirksam werden würde. Wegen vorliegender Indizien für die Vorbereitung seiner Flucht aus Argentinien wird Priebke unter Hausarrest gestellt. Das argentinische Bundesgericht beschließt im November dann jedoch seine Auslieferung an Italien, wo ihn ein Berufungsverfahren vor einem Militärtribunal sowie weitere Verfahren wegen der Erschießung von Gestapo-Gefangenen erwartet.

In dem Revisionsverfahren gegen Priebke, das im April 1997 beginnt, wird gleichzeitig gegen Karl Hass verhandelt. Im Oktober 1997 wird durch das Urteil aus dem Jahre 1996 wegen Befangenheit des Richters aufgehoben. In einem Interview mit der Tageszeitung Il Messagero vom Mai 1997 sagt Priebke, die Erschießung von 335 Geiseln im Zweiten Weltkrieg sei für ihn "eine Kleinigkeit" gewesen, vor Gericht jedoch macht er "Befehlsnotstand" geltend. Erich Priebke wird zu 15 Jahren Haft verurteilt, Hass zu zehn Jahren und acht Monaten, wobei jeweils zehn Jahre angerechnet wurden. Aus gesundheitlichen Gründen verbüßt Priebke die Strafe in Hausarrest. Seit der Verurteilung wird er von der braunen Knasthilfe HNG betreut.

Der umstrittene Berliner Historiker Ernst Nolte kritisiert die Entscheidung des römischen Gerichts gegenüber der Tageszeitung La Republicca. Nolte: "Daß im Klima jener Tage fünf Geiseln zuviel erschossen wurden als befohlen, stellt meiner Ansicht nach kein Kriegsverbrechen dar." Nolte plädiert ausserdem dafür, dass Kriegsverbrecher in hohem Alter gar nicht mehr angeklagt werden sollten.

Wie im April 2001 durch dpa-Meldung bekannt wird, prozessiert Priebke gegen zwei italienische Journalisten, die ihn in einem Artikel in La Stampa einen "Henker" genannt hatten. Priebke fühle sich dadurch verunglimpft und fordert Schadensersatz in Höhe von umgerechnet einer Million Mark. Priebke erklärte: "Henker?" Ich habe nur meine Pflicht getan." La Stampa lehnte bei dem ersten Gerichtstermin einen Vergleich ab, weshalb für den 24. Mai 2001 ein Prozesstermin anberaumt wurde. Priebkes Prozessierfreudigkeit richtet sich nun auch gegen den 82-jährigen Filmproduzenten Artur Brauner, der selbst Überlebender des Holocaust ist. In einem Interview hatte Brauner ihn als "Massenmörder" bezeichnet. Priebkes Anwalt hat Klage auf Unterlassung vor dem Landgericht München-Fürth eingereicht. Begründung: Die Erschießung sei ein militärischer Akt gewesen. Schon im Jahr zuvor wollte Priebke vergeblich einen italienischen Journalisten auf Schadensersatz in Höhe von mehreren hunderttausend Mark wegen Verunglimpfung verklagen. In dem aktuellen Verfahren wird er von dem Hersbrucker Rechtsanwalt Richard Pemsel vertreten, der selbst mehrfach als Autor in rechtsextremen Publikationsorganen hervorgetreten ist.

Mit der Entscheidung vom 31. Mai 2001 wies das Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage Priebkes zurück. Priebke darf auch weiterhin als «Kriegsverbrecher» mit «Zigtausenden auf dem Gewissen» bezeichnet werden. Brauner habe damit nicht die Grenze einer zulässigen Meinungsäußerung überschritten. Die Richter verwiesen darauf, dass Priebke 1998 in Italien als «Kriegsverbrecher» zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Schon zuvor war Priebke mit der Verleumdungsklage in Italien gescheitert. Anwalt Pemsel hat allerdings angekündigt, sein Mandant wolle wegen der Nürnberger Entscheidung in Revision gehen.


Quellen:
Berichterstattung in der taz 1996-1998; Priebke prozessiert gegen italienische Journalisten, dpa, 3.4.01; Unfassbar: Alt-Nazi verklagt Artur Brauner, Berliner Kurier, 4.5.01; Priebke verklagt Journalist, taz/dpa 10.3.00; Ex-SS-Mann Priebke darf weiter Kriegsverbrecher genannt werden. dpa 31.4.01.
 
aus der Diskussion: Schlaglicht: Der tödliche Alltag in der chilenischen Dikatur Pinochets
Autor (Datum des Eintrages): antigone  (30.07.02 19:26:49)
Beitrag: 8 von 20 (ID:7003360)
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