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SPIEGEL ONLINE - 01. August 2002, 13:48
URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,207688,00.h…


Interview mit Parteienkritiker von Arnim

"Thierse lenkt von seiner eigenen Verantwortung ab"

Hans Herbert von Arnim gilt als einer der schärfsten Parteienkritiker. Die Bonusmeilen-Hysterie hält der Verwaltungswissenschaftler allerdings für übertrieben. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE wirft er Bundestagspräsident Thierse Versäumnisse vor.



Sieht keinen Anlass für weitere Rücktritte: Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim.
Der 62-Jährige lehrt an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer und ist Autor des Buches "Diener vieler Herren" über die Doppel- und Dreifachversorgung von Politikern



SPIEGEL ONLINE: Herr von Arnim, Politiker müssen derzeit ihre Bonusmeilen-Konten durchpflügen, anstatt sich mit den Problemen des Landes zu beschäftigen. Haben wir in Deutschland derzeit nicht Besseres zu tun?

Hans Herbert von Arnim: Es gibt wirklich sehr viel wichtigere Fragen, die in der Vorwahlzeit diskutiert werden sollten. Da die Fluggeschichte nun aber einmal öffentlich diskutiert wird, sollte man auch korrekt mit ihr umgehen und auch die Verantwortlichen richtig zuordnen. Ein schrecklich großer Skandal ist die Angelegenheit aber nicht.

SPIEGEL ONLINE: Wer trägt denn Ihrer Meinung nach die Verantwortung für die Freiflug-Affäre?

Von Arnim: Ein guter Teil der Verantwortung trifft Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Die Bundestagsverwaltung, deren Chef Thierse ist, führt Regeln ein. Thierse hätte gleichzeitig für ein Verfahren sorgen müssen, das die Einhaltung dieser Gebote sicherstellt. Diesen Grundsatz hat auch das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont.


SPIEGEL ONLINE: Thierse hat der Lufthansa ein Ultimatum gestellt. Bis Donnerstag, 14 Uhr, soll die Fluglinie Auskunft über Parlamentarier geben, die Bonusmeilen genutzt haben.

Von Arnim: Wenn Thierse jetzt verzweifelt Rundumschläge macht und die Lufthansa sogar öffentlich zum Bruch des Datengeheimnisses auffordert, lenkt er nur von seiner eigenen Verantwortung ab, nachdem das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Er hätte von vornherein ein Verfahren schaffen müssen, das Kontrolle ermöglicht und es den Abgeordneten erleichtert, nicht in Versuchung zu kommen.

SPIEGEL ONLINE: Etliche sind der Versuchung erlegen, aber sind die Freiflug-Affären der Parlamentarier denn allen Ernstes ein Rücktrittsgrund?

Von Arnim: Nein, natürlich nicht. Meines Erachtens wird die "Miles & More"-Geschichte viel zu hoch gespielt. Das liegt am Sommerloch und am Wahlkampf. In dieser Zeit scheinen gewisse Presseorgane auf alles zu schießen, was fliegt. Die Regelungen zur Nutzung der Bonusmeilen sind verworren und unübersichtlich. Bei Flügen ist es nicht immer leicht, Privates von Dienstlichem zu trennen. Deswegen erlaubt die Privatwirtschaft auch vielfach ihren Mitarbeitern, dienstlich erworbene Bonusmeilen privat zu verwenden.

SPIEGEL ONLINE: Sollte das auch den Parlamentariern zugestanden werden?

Von Arnim: Nein. Sie fliegen auf Kosten der Steuerzahler. Korrekt wäre es also, wenn die Abgeordneten die durch Bonusmeilen erzielten finanziellen Vorteile der Bundeskasse rückerstatten würden.

Das Interview führte Rüdiger Strauch
 
aus der Diskussion: Gregor Gysi und die Gier !!!!
Autor (Datum des Eintrages): Deep Thought  (02.08.02 02:18:10)
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