Fenster schließen  |  Fenster drucken

damit hier manche wissen wovon sie reden:

Verstoß gegen § 353d StGB? Staatsanwalt ermittelt gegen ZEIT-Redakteure


In einem ZEIT-Artikel über das Verschwinden von Akten und Daten im Bundeskanzleramt wurde aus geheimen Akten zitiert. Auf eine Anzeige hin prüft nun die Staatsanwaltschaft, ob ein strafbarer Verstoß gegen § 353d StGB vorliegt.


Von RA Andri Jürgensen


A. Der Fall

Die Ermittlungen des Sonderermittlers Burkhard Hirsch über das Verschwinden von Daten und Akten im Bundeskanzleramt waren Thema eines Artikels von Thomas Kleine-Brockhoff und Bruno Schirra in der ZEIT.

Bei der Hamburger Staatsanwaltschaft ging eine Strafanzeige wegen Verstoßes gegen § 353d StGB ein. Danach macht sich strafbar, wer u.a. aus Schriftstücken eines Strafverfahrens wörtlich zitiert. Die Staatsanwaltschaft ist gem. § 160 der Strafprozeßordnung verpflichtet, auf eine Anzeige hin den Sachverhalt zu erforschen, um über die Erhebung einer Klage oder Einstellung des Verfahrens (§ 170 StPO) zu entscheiden.


B. Das Publikationsverbot des § 353d StGB vs. Meinungs- und Pressefreiheit

§ 353d Nr. 3 StGB bestimmt ein Publikationsverbot für bestimmte Schriftstücke, z. B. Anklageschriften, die Gegenstand eines Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahrens sind. Verboten ist es, aus diesen Schriftstücken wörtlich zu zitieren, solange sie nicht im Prozeß öffentlich behandelt worden sind.
Das Verbot der wörtlichen Wiedergabe tangiert aber die journalistischen Interessen an der Berichterstattung, für die eine genaue Zitierung durchaus Bedeutung haben kann.


1. Der Tatbestand des § 353d Nr. 3 StGB

Bei § 353d StGB ist unter Juristen nahezu alles umstritten: wen die Norm überhaupt schützen soll, was unter die "amtlichen Schriftstücke" fällt, und welche konkreten Veröffentlichungsformen und Wiedergaben vom Tatbestand erfaßt werden.


a. Der Zweck des § 353d Nr. 3 StGB

Einigkeit besteht, daß § 353d Nr. 3 StGB dem Schutz der Rechtspflege dient. Die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten, gerade der Laienrichter und der Zeugen, soll gewahrt bleiben. Diese Unbefangenheit könnte in Gefahr geraten, wenn Verfahrensakten bereits vor ihrer Einführung in den Prozeß in der Öffentlichkeit diskutiert werden.
Doch schon die Frage, ob das Publikationsverbot des § 353d Nr. 3 StGB auch dem Schutz des Beschuldigten dient, ist umstritten. So wird vertreten, daß der Beschuldigte davor geschützt werden soll, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden. Eine Argumentation, die vom Bundesverfassungsgericht in einem Urteil aufgegriffen wurde (Urteil vom 3.12.1985, BVerfGE 71, 206), die aber auch von gewichtigen Stimmen bestritten wird.


b. Die Tatobjekte: "amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens" u.a.

Nach dem Wortlaut des § 353d Nr. 3 StGB bezieht sich das Publikationsverbot auf "amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens" (bzw. eines Bußgeld- oder Disziplinarverfahrens). Einige Autoren wollen dies so verstehen, daß davon nur solche Schriftstücke erfaßt werden, die amtlichen Ursprungs sind, die also von Amtspersonen gefertigt wurden. Hierzu gehören etwa:

Anklageschriften, auch eines Privatklageverfahrens,
Vernehmungsprotokolle,
Anträge der Staatsanwaltschaft,
Haftbefehle
Strafregisterauszüge
usw.
Das OLG Hamburg hingegen hat in einem Urteil die Auffassung vertreten, daß auch Schriftstücke privater Herkunft erfaßt werden, wenn sie für die Zwecke des Strafverfahrens in dienstliche Verwahrung genommen wurden, z.B. durch Beschlagnahme (Urteil vom 31.1.90, NStZ 1990, 283). Regelmäßig gehören nach letzterer Auffassung zu den amtlichen Schriftstücken neben den oben genannten auch:

Sachverständigengutachten
Strafanzeigen
Schriftsätze des Verteidigers
beschlagnahmte private Papiere
usw.
§ 353d Nr. 3 StGB nennt nur amtliche Schriftstücke aus Straf-, Bußgeld- und Disziplinarverfahren. Deshalb ist es nicht nach § 353d Nr. 3 StGB strafbar, wörtlich Schriftstücke etwa aus Zivil- oder Verwaltungsgerichtsverfahren zu zitieren. Zu den Strafverfahren gehören auch Jugendstraf- und Steuerstrafverfahren.


c. Die Tathandlung: "wörtliche öffentliche Mitteilung"

Das Schriftstück muß ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut öffentlich bekannt gemacht worden sein.


Öffentlich bekannt gemacht ist ein Schriftstück, wenn ein größerer, zahlenmäßig unbestimmbarer Personenkreis die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Nicht erfaßt wird daher die Kenntnisgabe allein im Freundeskreis ohne weitere Verbreitung.

Im Einzelfall schwierig kann zu bestimmen sein, ob wesentliche Teile veröffentlicht wurden. Wesentlich sind Teile, die eine öffentliche Diskussion über das Verfahren auslösen können und damit den Schutz des § 353d StGB eingreifen lassen, beispielweise bei den wesentlichen Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft.

Das Schriftstück muß im Wortlaut veröffenlicht worden sein. Dies ist jedenfalls das wörtliche Zitat im Sinne einer vollen Übereinstimmung. Viele Autoren sehen den Tatbestand daher nicht erfüllt, wenn auch nur geringfügige Änderungen vorgenommen werden oder eine sinngemäße Wiedergabe erfolgt. Anders hat das OLG Hamburg entschieden (a.a.O.): Da die Vorschrift andernfalls nahezu bedeutungslos würde, müsse auch eine nur unwesentlich abweichende Veröffentlichung erfaßt werden.

Unerheblich ist dabei, ob das Schriftstück zuvor schon - erlaubt oder unerlaubt - veröffentlicht wurde. Denn durch § 353d Nr. 3 StGB soll ja gerade die öffentliche Diskussion im Interesse der Rechtspflege unterbunden werden.


d. Beginn und Ende des Publikationsverbotes

Schriftstücke unterfallen dem Publikationsverbot des § 353d Nr. 3 StGb, sobald sie amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens etc. sind, etwa weil Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eingeleitet wurden oder eine Strafanzeige einging. Wenn private Schriftstücke auch zu den amtlichen zählen, sind sie mit dem Eingang bei Gericht, der Staatsanwaltschaft oder der Polizei erfaßt. Vor diesem Zeitpunkt kann aus privaten Unterlagen daher regelmäßig im Wortlaut zitiert werden, nicht aber mehr danach.

Das Publikationsverbot endet in zwei Fällen: wenn das jeweilige Schriftstück in öffentlicher Verhandlung erördert wurde oder das Verfahren abgeschlossen ist. Die Erörterung in öffentlicher Verhandlung setzt voraus, daß der Inhalt des Schriftstücks in einer für die Öffentlichkeit zugänglichen Verhandlung zumindest sinngemäß mitgeteilt wurde. Die Kundgabe in einer nicht-öffentlichen Sitzung (etwa bei Jugendstrafsachen) genügt dafür demnach nicht, hier muß der Abschluß des Verfahrens abgewartet werden.


2. Rechtfertigung eines Zitates durch die Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 GG?

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil festgestellt, daß die Regelung des § 353d Nr. 3 StGB mit der Meinungs- und Pressefreiheit und der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film nach Artikel 5 Abs. 1 GG vereinbar ist. Es hat dies mit dem Schutzzweck des § 353d Nr. 3 StGB begründet: dem Schutz der Rechtspflege stünde - durch die Beschränkung auf wörtliche Zitate nach § 353d Nr. 3 StGB - ein nur sehr geringer Eingriff in die Grundrechte des Artikel 5 GG gegenüber. Dieser Eingriff sei gerechtfertigt, da gerade im "Meinungskampf" dem wörtlichen Zitat aus amtlichen Schriftstücken eine amtliche Authentizität zukomme und damit eine "besondere Überzeugungs- und Beweiskraft" (BVerfG a.a.O.).



http://www.kunstrecht.de/news/00allg06.htm

 
aus der Diskussion: Bild-Zeitung verstößt gegen Paragraf 353
Autor (Datum des Eintrages): Karl  (07.08.02 19:14:58)
Beitrag: 11 von 13 (ID:7068009)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE