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Schill - demontiertierter Partei-Vorsitzender

Wer Sinn hat für die tragikomischen Situationen des Lebens kann sich jetzt am Gebaren der Schill-Partei erfreuen.

854 stimmberechtigte Mitglieder der Partei waren aufgerufen, über die Beteiligung der rechtspopulistischen Partei an den Bundestagswahlen im September zu entscheiden. Das taten sie dann auch und entschieden sich mit 453 Stimmen gegen 386 bei 15 Enthaltungen für die Teilnahme an den Wahlen. Damit düpierten sie Schill und seine gesamte Hamburger Führungs-Crew, die sich zuvor vehement gegen die Wahlbeteiligung ausgesprochen und eventuelle Widersacher als "Querulanten" abqualifiziert hatten.

Doch Schills Charisma scheint zu verblassen: nicht nur in Hamburg selbst, wo ihm zwar durch die Beteiligung am Senat der Einzug ins Establishment gelungen war, aber nur um den Preis, seine Rolle als Volkstribun und aufrechter Anwalt des "kleinen Mannes" (und der "kleinen Frau" ) zu verlieren, sondern auch bundesweit und nun sogar in der eigenen Partei.

Notgedrungen akzeptierte Schill die Entscheidung ebenso wie sein Stellvertreter Mario Mettbach, der sich zuvor besonders engagiert gegen die Wahlbeteiligung ausgesprochen hatte. Er wolle nun alles tun, um seiner Partei zum Erfolg zu verhelfen und sei auch bereit, als Spitzenkandidat zur Verfügung zu stehen. Allerdings wolle er kein Bundestagsmandat annehmen, sondern sich voll auf seine Tätigkeit in Hamburg konzentrieren.

Da wird ihm auch nichts anderes übrig bleiben, denn die Schill-Partei (Partei Rechtsstaatliche Offensive) hat ihren Höhepunkt deutlich überschritten. Das liegt zum einen daran, dass sich die Partei - inklusive ihres charismatischen Anführers - durch die Regierungsbeteiligung in Hamburg selbst in die üblichen Zwänge begeben hat, die von der offiziellen politischen Elite zur "Entzauberung" politischer Außenseiter genutzt werden - nicht nur gegenüber rechtspopulistischen Strömungen. Zum anderen daran, dass eine entscheidende politische Waffe Schills, der Nimbus des unaufhaltsamen Aufstiegs, durch das zwar beachtliche, gemessen an den Erwartungen aber desaströse Abschneiden der Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen Anhalt einen schweren Dämpfer erlitten hat.

Die leicht durchgeknallte Basis der Partei hat zwei Fehler begangen, die das Schicksal des ehemaligen Amtsrichters in absehbarer Zeit besiegeln dürften: Sie hat ihre beste Trumpfkarte, ihren Gründer und Vorsitzenden gründlich demontiert und sie hat sich selbst in eine Wahlsituation manövriert, die sie nach menschlichem Ermessen nur verlieren kann und sie dem als Partner umworbenen bürgerlichen Lager nicht mehr als potentiellen Verbündeten, sondern als Störfaktor erscheinen lässt. Doch so komplizierte Gedanken waren der Basis sichtbar fremd und dem kleinen Kern um Ronald Barnabas Schill war die Verzweiflung über die versammelte Hammelherde, die nicht einmal in der Lage ist, wenigstens ihrem Führer zu folgen, durchaus anzumerken.

Doch auch wenn ein Wahlerfolg nahezu ausgeschlossen ist, werden dennoch die Themen Zuwanderung und innere Sicherheit durch die Schill-Partei in aggressiver Form thematisiert werden und dadurch auch für die anderen Parteien nicht zu umgehen sein. Schill forderte die "Festung Europa". Damit könnte er immerhin Einfluss nehmen auf die Richtung des Wahlkampfes. Vielleicht genug, um sich die Option für höhere Aufgaben offen zu halten.

C.K. 28.06.02
 
aus der Diskussion: Quo Vadis - Schill ...?
Autor (Datum des Eintrages): Guerilla Investor  (21.08.02 23:55:00)
Beitrag: 1 von 6 (ID:7179053)
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