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Mein Fahrrad stand immer noch vor dem Lokal, von dem aus ich hinter Melanie hergelaufen war. Ich brauchte es am nächsten Morgen wieder, um damit zur Schule zu fahren. Also machte ich mich auf den Weg, es zu holen.

Unterwegs traf ich erneut auf Sigi. Er kam gerade aus einer Kneipe und eierte vor mir her. Ich hatte ihn noch nie zuvor betrunken gesehen.

„Alles klar?“, fragte ich.
„Klar wie Kloßbrühe“, sagte er laut.
Er hatte eine Fahne.
„Kennst du eigentlich Melanie?“, fragte ich.
„Würde sie mich sonst grüßen?“, fragte er zurück.
Er sah mich forschend an.
„Dich kennt sie auch und grüßt dich trotzdem nicht. Ätsch.“
Er grinste, wie nur Besoffene grinsen können.
„Das ist nicht lustig“, stellte ich fest. „Sie war meine erste Liebe. Sie war das erste Mädchen, das mir richtig gefallen hat. Alle Mädchen, die ich danach kamen, habe ich immer mit ihr verglichen. Ob sie mir gefielen, hing davon ab, wieviel Ähnlichkeit sie mit Melanie besaßen.“
„Du hast dich da in eine fixe Idee verrannt“, sagte er. „Du mußt das vergessen. Das bringt doch nichts. Außerdem- ihr wart damals doch noch ganz klein! Bei dir war doch garantiert noch die Fontanelle weich!“
Ich nickte.
„Und sie hat mir ihren Stempel aufgedrückt, hat mein Schönheitsideal und meine Erwartungen geprägt.“
„Hörmal!“, gröhlte er. „Red nicht so einen Quatsch! Ich bin doch besoffen und nicht du! Das ist alle längst verjährt!“
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich kann das nicht verstehen. Sie müßte doch auch irgendwie auf mich geprägt sein.“
„Quatsch!“, gröhlte er. „Die hat sich so bei dir eingeprägt, weil sie dir gefallen hat! Darum wolltest du sie wiedersehen. Aber hast du ihr auch so gut gefallen? Hä? Überleg mal!“
„Was soll das heißen?“
„Ich sag nur ein Wort!“
„Und?“
„Nur ein Wort!“
„Sag es!“
„Nur ein Wort, sonst nix!“
„Dann sag es doch!“
„Und dann weißt du, was bei ihr davon geblieben ist, daß sie damals mit dir zu tun hatte.“
„Na?“
„Ein...“
„Ja?“
Ich packte ihn am Kragen und schüttelte ihn.
„... Trauma!“, gröhlte er.
Ich ließ ihn los.
„Patzer“, sagte ich. „Schwächling!“

Ich beeilte mich, zu meinem Fahrrad zu kommen. Dann radelte ich zum Bahnhof und sah mir die Tafel mit den Abfahrtszeiten an.

Zuhause zählte ich mein Geld.

Am Wochenende würde ich zum erstenmal in einen Puff gehen.

Zum Glück hatte ich nicht die geringste Ahnung, was ich da erleben würde...


(Fortsetzung folgt. Aber Leute, die Schwierigkeiten damit haben, die Stories von :eek: Charles Bukowski zu verkraften, sollten hier aufhören zu lesen oder die nächste Fortsetzung überspringen.)
 
aus der Diskussion: Meine Frauen und meine Aktien
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (23.08.02 21:34:37)
Beitrag: 28 von 758 (ID:7197221)
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