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@ sg83

Jetzt kommt endlich die Beschreibung der Methode, mit der man früher beim Zugfahren Frauenbekanntschaften machen konnte.
Es mußten allerdings die richtigen Frauen und die richtigen Züge sein.



Die Geschichte geht weiter:



Nachdem ich mich mit meinem alten Kumpel Kalle zum Schachspielen verabredet und allein mein Fitness-Training absolviert hatte, fuhr ich nach Hause.
Meine Eltern waren gerade beim Frühstück.
„Ist gestern wohl spät geworden, was?“, fragte mein Vater.
„Nein, ich bin früh nach Hause gekommen“, sagte ich.
„Und woher kommst du jetzt gerade?“
„Vom Frühsport“, sagte ich.
„Und da meinst du, daß er nicht solide ist“, sagte meine Mutter.
Mein Vater senkte seinen Blick.
„Willst du mit uns frühstücken?“, fragte meine Mutter.
„Nee, danke“, sagte ich, „jetzt muß ich allmählich mal schlafen gehen.“

Am Abend fuhr ich zurück zur Kaserne.
Ich fuhr mit dem Zug.
Einige meiner Kameraden hatten Fahrgemeinschaften, aber die fuhren jeden Tag. Ich hatte keine Lust, täglich zwei Stunden vollgequalmt in klapprigen Autos zu sitzen und dafür ungefähr meinen halben Sold auszugeben.
Noch weniger Lust hatte ich, an Werktagen morgens schon um fünf Uhr aufzustehen.
Zugfahren hatte Vorteile. Als Wehrpflichtiger konnte man kostenlos fahren. Außerdem gab es in der Bahn Abteile für Nichtraucher. Und vor allem konnte man interessante Bekanntschaften machen.
Wenn ich daheim in den Nahverkehrszug stieg, hatte ich immer ein Buch in der Hand. Während der Fahrt las ich „Strafbataillon 999“, „Verdammt in alle Ewigkeit“ oder „Die Nackten und die Toten“, um mich nach dem Wochenende geistig wieder auf das Leben als Soldat umzustellen. Manchmal sah ich auf dem Weg zum Großstadt-Bahnhof nette Mädchen, aber der Zug hielt alle drei oder vier Minuten, und meistens stiegen gerade die interessanten Mädchen spätestens nach zwei Stationen wieder aus. Bei dem ganzen Geruckel, dem ständigen Ein-und Aussteigen so vieler Fahrgäste, sowie den offenen Abteilen war es ohnhin unmöglich, irgendwas anzuleiern. Einmal traf ich eine alte Bekannte wieder, in die ich irgendwann zwischen meinem zwölften und meinem vierzehnten Lebensjahr, jedenfalls exakt über die Dauer meines Alkoholproblems, verliebt gewesen war, und dieses Mädchen machte die volle Fahrt mit, aber ansonsten gehörte meine Zeit im Bummelzug immer der Literatur.

Wenn ich auf meinen Anschlußzug wartete, sah es völlig anders aus. Gewöhnlich lief ich wie ein Tiger im Käfig den Bahnsteig hoch und runter, um nach hübschen Mädchen Ausschau zu halten. Fast immer war ein weiblicher Fahrgast dabei, der mir akzeptabel erschien. Ich hielt dann stets respektvollen Abstand, sah aber so oft hin, bis sie merkte, daß ich sie ansah. Mehr war nicht nötig, um Interesse zu signalisieren. Fuhr der Zug ein, hielt ich immer noch Abstand und stellte allenfalls Blickkontakt her.
Wenn die betreffenden Frauen schließlich in den Zug stiegen, trennte sich die Spreu vom Weizen.

Die wirklich netten Mädchen, die einem eine Chance geben wollten, hielten dann nach einem geschlossenen und möglichst freien Abteil Ausschau, wo während der Fahrt ein Gespräch zum Kennenlernen möglich war.
Die anderen, weniger kontaktfreudigen Mädchen waren so unfair, daß sie Abteile bevorzugten, in denen nur noch ein einziger Sitzplatz frei war und die Reservierungstafeln verkündeten, daß die anderen Leute das Abteil alle erst im Ausland wieder verlassen würden.

An diesem Abend paßte alles.
Unter den Wartenden war ein hübsches, schlankes, langhaariges, kaum geschminktes Mädchen. Sie trug einen Pferdeschwanz und Klamotten, die ihre Figur in keiner Weise betonten. Damals trauten sich nur die Mädchen, die in festen Händen waren, außerhalb der Disco gestylt zu sein. Wenn ein Mädchen sich im Alltag so schlicht zeigte, gab es wahrscheinlich keinen Kerl, dem sie ständig gefallen wollte.
Sie guckte am Bahnsteig und beim Einsteigen in den Zug zu mir rüber. Dann suchte sich tatsächlich ein leeres Abteil, obwohl sie dafür fast den ganzen Waggon durchqueren mußte.
Bis zum nächsten Halt waren es zwanzig Minuten.
Das war Zeit genug.
Sie hieß Eva.

(to be continued)
;)



P.S.
Anders als "Kalle Krapowsky" vermutet, ist mein Pseudonym nicht die Abkürzung von "Wolfsbanane", sondern von "Wolfsbane-Fan"

Zur Erinnerung:




Von Wolfsbane und nicht von Charles Bukowski oder gar Kalle Krampowski (dem ich den Titel "Meister" leider aberkennen mußte) stammt übrigens diese berühmte Devise:

"I´m drinking to forget
But I don´t forget to drink"


 
aus der Diskussion: Meine Frauen und meine Aktien
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (29.08.02 22:39:25)
Beitrag: 54 von 758 (ID:7241845)
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