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Hallo Stephen,


schön, daß Du dich mal wieder meldest! Ich dachte schon, meine Story wäre für Dich uninteressant geworden.

Wie schon gesagt, das Ganze ist ein Roman und kein Tatsachenbericht. Trotzdem kann ich in einigen Details der Geschichten auf wirklich erlebte Dinge zurückgreifen. Außerdem muß der Protagonist Ähnlichkeit mit mir haben, weil ich seine Abenteuer sonst nicht glaubwürdig in der 1.Person schildern könnte.

Ich bin als Einzelkind aufgewachsen. Einzelkinder orientieren sich mehr an Erwachsenen als an Kindern. Bei mir kam dazu, daß meine Eltern mit mir mehrmals umgezogen sind. Mit vier Jahren wurde ich von meinen Verwandten, und damit auch von meinen gleichaltrigen Kusinen und Cousins getrennt, die ich von da an nur noch sporadisch sehen konnte. Als ich fast sechs Jahre alt war, wurde ich erneut von gleichaltrigen Freunden getrennt.Die neue Stadt, in der ich dann auch eingeschult wurde, war dafür bekannt, daß "Zugezogene" dort kaum Anschluß finden. "Zugezogen" ist jeder, der dort nicht geboren wurde... Ich wurde in einer Bauernschaft groß, wo das besonders zutrifft, und wo die Landjugendlichen sowieso skeptisch gegenüber Nicht-Bauern sind. Aus allen diesen Gründen habe ich mich noch mehr als andere Einzelkinder an Erwachsenen statt Gleichaltrigen orientiert und viel zuviel Zeit vor dem Fernseher verbracht. Sobald ich lesen konnte, wurde ich ein Bücherwurm. Mein Klassenlehrer an der Grundschule beklagte sich, ich sei "altklug". Im 2.Schuljahr hatte ich beim Spielen einen Unfall, wurde nicht richtig verarztet und zog mir eine Blutvergiftung zu, weshalb ich sehr lange im Krankenhaus war, wo ich nichts anderes tun konnte, als sehr viel zu lesen, was meine Ausdrucksweise sehr deutlich veränderte und mich bei Gleichaltrigen noch unbeliebter machte. Später am Gymnasium wurde meine Isoliertheit nicht geringer, sondern größer, denn dort war ich als Abkömmling der Arbeiterschicht Angehöriger einer absoluten Minderheit. Weil ich nie richtig in eine Clique reinkam, mußte ich mehr Aufwand als andere treiben, um an Mädchen heranzukommen. Damals ging ich aus Langeweile andauernd in die Stadtbücherei, wo ich mir mit dem Lese-Ausweis meiner Eltern bald Zugang zur Abteilung für Erwachsene verschaffte. Ungefähr im 4.Schuljahr las ich zum erstenmal ein Buch über Psychologie, und wenig später entdeckte ich ein paar populärwissenschaftliche, also einfach zu lesende und zu verstehende Sachbücher über "Körpersprache" etc. Auch die Werke von Desmond Morris, insbesondere das reich illustrierte "Der Mensch, mit dem wir leben", haben mich damals stark interessiert und beeinflußt. Ich bekam den Spottnamen "Professor" und wurde so unbeliebt, daß ich mich beim Karate-Training anmelden mußte, um auf dem Schulhof zu bestehen. So kam ich übrigens auch mit fernöstlicher Philosophie in Berührung und begann zu meditieren und in Gesprächen Buddha zu zitieren, wofür mich die Gleichaltrigen endgültig als "bekloppt" einstuften. Damals hatte ich nur den Wunsch, daß meine Kindheit möglichst rasch vorbeigehen möge.

Ein Erlebnis wie es in der Geschichte "Wolf" mit "Melanie" hat, kann das Leben eines Jungen natürlich auch gleich in andere Bahnen lenken. Wenn man nur mit Jungs groß wird, orientiert man sich natürlich an dem, was für Jungs am wichtigsten ist. Man will unbedingt der sein, der im Schwimmbad die tollsten Sprünge schafft, der beim Fußball die meisten Tore schießt, der am weitesten pinkeln und am längsten ohne Kotzen Splatter-Filme gucken kann. Das hat mich nie interessiert. Mir war immer ziemlich egal, was die anderen Jungs von mir dachten, solange sie nicht dachten, sie könnten mich hauen, ohne selber heiße Ohren zu kriegen. Weil ich früh ein sehr kluges Mädchen getroffen hatte, hielt ich Mädchen insgesamt (ausgenommen meine Kusinen) für klüger und besser als Jungs. Normalerweise versuchen Jungs dadurch besonders männlich zu sein, daß sie gucken, was die anderen Jungs machen, und in allen diese Disziplinen (s.o.) der Beste sein wollen, aber ich guckte immer, was Mädchen bzw. Frauen gefiel. Wenn ich in den Zeitschriften las, daß derzeit angeblich alle Mädchen und Frauen ganz verrückt nach irgendeinem Schlagerfuzzi mit langen Haaren waren, und meine Mitschülerinnen tatsächlich Poster von dem Deppen tauschten, dann ließ ich mir eben auch lange Haare wachsen, um bei den Mädchen anzukommen, und wenn die anderen Jungs das unmännlich fanden und mich deswegen ärgerten, mußten sie mit meiner Veranlagung zum Jähzorn rechnen.

Ungefähr mit acht Jahren kam ich auf die alberne Idee, Schriftsteller zu werden. Ich war kein guter Sportler, konnte nicht singen und keine Noten lesen, und sah auch nicht besonders gut aus, also war eine spätere Karriere als Fußballer, Musiker oder Schauspieler ausgeschlossen. Wenn ich davon träumen wollte, mal berühmt zu werden (als Kind hat man noch solche Ambitionen), dann ging das nur als Schriftsteller, denn die brauchten nichts wirklich zu können, sondern brauchten nur Fantasie. Mein Vater, Handwerker durch und durch, ermutigte mich ohne Absicht, indem er andauernd predigte: "Worte machen kann JEDER. Schwer ist NUR, mit seinen Händen etwas RICHTIGES fertig zu kriegen."
Von da an begann ich, mir alle halbwegs interessanten Erlebnisse für die spätere Verwendung in Romanen besonders gut einzuprägen und lustige Sprüche u.ä. zu sammeln. Ziemlich früh machte ich auch meine ersten Schreibversuche.
Ich erinnere mich, daß ich einmal in der Grundschule meinem Klassen-Lehrer im Unterricht widersprach, und der darauf antwortete: "Wenn du mal groß und wirklich ein berühmter Schriftsteller bist, dann kannst du mir widersprechen, aber jetzt entscheide immer noch ich, was hier richtig und falsch ist."

Mein erstes Vorbild war natürlich Karl May. Der erste Held, über den ich schreiben wollte, war "Old Shatterhand", der fast pausenlos Vorträge hielt, und zwischendurch bei Notwendigkeit Bösewichter mit einem einzigen "Jagdhieb" k.o. schlug. Manchmal, wenn ich hier lese, was ich am Vorabend (und anscheinend schon ein bischen müde) verzapft habe, stelle ich fest, daß man mir diese frühe literarische Prägung immer noch anmerkt...



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P.S. Das Mädchen, daß dem Helden im letzten Kapitel entgegenfliegt, ist nicht etwa "Supergirl", sondern ist nur in ihren schicken Pumps auf der Treppe umgeknickt.
Mädchen tun sowas !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
;) :laugh:
 
aus der Diskussion: Meine Frauen und meine Aktien
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (01.09.02 09:31:13)
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