Fenster schließen  |  Fenster drucken

Ehe ich mit dem zweiten Teil beginne, kommt hier für die Interessierten anstelle von bloßen Andeutungen eine ausführlichere Darstellung früherer Erfahrungen mit Lektoren.


Meinen ersten Romanversuch fabrizierte ich nach meinem Wehrdienst. Ich fand nicht sofort Arbeit und schrieb Bewerbungen. Da ich sowieso andauernd an der Schreibmaschine saß, kam wie von selbst als Abfallprodukt ein Roman heraus.
Ich ging in die Stadtbücherei, guckte dort nach irgendwie vergleichbaren Romanen, notierte mir die Verlage und ließ mir von einem Buchhändler die Adressen geben. Der erste (weibliche) Buchhändler verweigerte mir diesen Dienst und unterstellte mir, ich wolle meine Bücher selbst direkt bei den Verlagen bestellen und sie um ihren Verdienst bringen.

Als ich Bekanntschaft mit dem Lektor machte, der mein Manuskript schon beim Durchblättern zum Erbrechen gefunden hatte, war das für mich eine mehrfache Enttäuschung. Ich mußte am Absender feststellen, daß der von mir favorisierte Verlag zu einer großen Gruppe gehörte, bei der ein mir sehr unsympathischer Verlag die Führung besaß. Die Absage galt nicht nur für einen, sondern für etliche Verlage...

Ein Lektor reagierte sehr freundlich und bescheinigte mir, ich würde viel besser und flüssiger als die allermeisten Autoren schreiben. Dieses Lob bedeutete besonders viel für mich, weil dieser Lektor selbst ein (sehr guter) Autor war. Er müsse leider bedauernd mitteilen, daß mein Roman nicht in das Verlagsangebot passe, aber er empfahl mir, den Text beim Lektorat einer bestimmten fremden Taschenbuchreihe anzubieten. Ich hatte auf eine Hardcoverausgabe spekuliert, aber inzwischen war ich bescheidener und nahm den Rat an. Ich hatte zwar von dem betreffenden Verlag schon eine Absage erhalten, aber da es sich um ein riesiges Haus handelte und die Taschenbücher aus der besagten Reihe in ihren Klappentexten den Eindruck vermittelte, ein ganz eigenes Lektorat zu besitzen, schickte ich den Text nochmal an diesen Verlag, aber diesmal eben speziell an das Lektorat dieser Reihe. Daraufhin bekam ich einen Brief vom Verleger, der sich beschwerte, daß ich es nicht nur gewagt hätte, ihm solchen Mist zu schicken, sondern dies nach so kurzer Zeit sogar zum zweitenmal wage. Er beschimpfte mich unter dem Logo der mir empfohlenen speziellen Taschenbuchreihe über zwei Seiten, wobei er mir nicht nur geistigen Diebstahl, sondern auch Größenwahn attestierte und sich über die von mir benutzten Ausdrücke wie "Plot" ("Plot und dit und dat" ) lustig machte.
Anschließend wandte ich mich an die (mittlerweile auch eingestellte) Konkurrenz-Reihe und schrieb diesmal einen kürzeren Begleitbrief, woraufhin mein Manuskript vom (Unter-)Verleger mit einer Begründung abgelehnt wurde, die im Gegensatz zur wesentlichen Aussage seines Kollegen stand.

Schließlich rief mich ein Verlag an und signalisierte Interesse. Der Mann sagte aber auch, er führe einen nur kleinen Verlag und könne nicht gegen die Großen bieten, sondern wollte lieber warten, wie die anderen Lektorate reagierten.
Ich hielt ihn auf dem Laufenden.
Von ihm kam im Gegenzug immer wieder Post, mit der er sagte, daß er noch ein Gutachten in Auftrag gegeben habe, und zwar bei einer ganz tollen freien Lektorin... Und dann brauchte es noch ein Gutachten und noch... und dann war die Buchmesse... Irgendwann rastete ich aus und fuhr hin. In seinem Büro stapelten sich Unterlagen von Agenten. "Alles fertige Bücher, die in vergleichbaren Ländern erfolgreich waren und nur übersetzt zu werden brauchen, wofür es genug Fachkräfte gibt, die das gut und zuverlässig erledigen." Außerdem sagte er mir, es gäbe da ein kleines finanzielles Problem. Als ich fragte, wieviel dem Verlag zur Herausgabe meines Romans fehle, sagte er:
"30.000 Mark"
Das war außerhalb meiner Möglichkeiten. Daraufhin gab er mir die Adresse eines Agenten, der auf die Zusendung meines Manuskripts damit reagierte, daß er ein paar angeblich geeignete Verlage vorschlug, von denen ich aber bereits angelehnt worden war.
(Dieser Agent schrieb später ein Buch, indem er das Verhalten des zuletzt geschilderten Verlags mit genau wiedergab und auch ganz offen hinzufügte, daß hinter einem solchen Verhalten immer Geldprobleme steckten. Sein pauschaler Rat war, dann doch in aller Höflichkeit sehr diskret eine kleine Geldhilfe anzubieten, und sich zu freuen, wenn diese wirklich dem Verlag helfen würde, ein Manuskript zu verlegen, an das man zweifelsohne wirklich glaube...)
Ich war von dem Agenten nicht überzeugt. Daraufhin empfahl der Verleger mir eine der (freien) Lektorinnen, die mein Manuskript begutachtet hatte.
Diese Frau schrieb mir dann, warum ihr mein Roman gefiele. In der Beschreibung erkannte ich nichts von mir wieder. Sie verlangte einen radikalen Neuanfang und einen deutlichen Wandel in Aussage, Inhalt und Stil. Ich sollte einen seichten, kitschigen Liebesroman schreiben und alle anderen Dinge streichen. (Dabei hatte ich mir die doofe Liebesgeschichte nur ausgedacht, um die wirklich interessanten Geschichten irgendwie miteinander zu verbinden.) Zwei Drittel der Handlung müßten weg und die Lücken sollten durch möglichst lange Beschreibungen von Gesichtern, Häusern, Gärten, Blumen, Bäumen, Kakteen, Tieren, Straßen etc. aufgefüllt werden. Desweiteren sollte ich von meinem demonstrativ an die gesprochene Sprache angelehnten Stil zu einer klassischen, möglichst literarischen, schönen Schreibweise finden.
Das widersprach völlig meiner Sicht des Marktes. Ich hatte keine Lust, einen Flop oder einen Groschenroman zu schreiben. Als ich vorsichtshalber mal fragte, ob denn wenigstens sicher sei, daß das Manuskript so umgekrempelt angenommen würde, sagte sie, selbst wenn es ihr gefiele, könne sie nicht versprechen, daß es dem mir bekannten Verlagsleiter gefiele. Und selbst wenn es dem gefiele, sei über diesem noch der ihm nicht allzu freundliche gesonnene Verlags-MANAGER (*wunder*) und über diesem wiederum der Verleger selbst, der sich schon despektierlich zu der ganzen Angelegenheit geäußert habe. Schließlich sagte sie auch noch "Ich wäre froh, wenn sich mal jemand so mit MEINEN Manuskripten beschäftigt hätte!"
Später traf ich sie doch noch. Sie kam mit irgendeinem angeberhaft wirkenden Kerl und bot mir ihre Dienste zum Stundenlohn von 60 DM an. Das wäre ihr normaler Stundenlohn als Lektorin (das war vor 13-14 Jahren) und unter dem könne sie es mir nicht machen. Sie wollte mir dafür nichts versprechen, bestand aber darauf, daß sie mir durch ihre Aufmerksamkeit höhere Weihen gäbe.
"Dann können sie sagen, sie sind SCHRIFTSTELLER."
"Ich dachte immer, dazu müßte man veröffentlicht haben", sagte ich.
Als ich keine Zahlungsbereitschaft zeigte und die ganze Sache hoffnungslos nannte, appellierte sie an meine "Schriftsteller-Ehre" o.ä., indem sie sagte: "Aber wenn sie Schriftsteller sind oder werden wollen, MÜSSEN sie doch schreiben. Das muß doch ein Zwang sein."
"Nee", sagte ich, "das muß ich bestimmt nicht. Ich kann mich auch anders beschäftigen."
Daraufhin sah dieses seltsame Pärchen sich an. Sie sagte "Hoffnungslos" und er sagte es auch. Danach tat sie beleidigt, er tat arrogant, und alle beide verschwanden in größter Eile.

Jahre später ging ich zu einem VHS-Kurs für Kreatives Schreiben, der von einem Herausgeber einer (mittlerweile längst eingestellten) Literatur-Zeitschrift geleitet wurde. Ich bat ihn um seine Meinung zu diesen Erlebnissen mit Lektoren. Er lachte erstmal und erklärte mir dann, daß ich unglaubliches Glück hätte, denn gewöhnlich erhielte man auf unverlangte Manuskripte nur Standard-Schreiben und keine persönlichen Stellungnahmen. Als ich ihn fragte, ob man nicht Masochist sein müßte, um es als Glück zu empfinden, geschmäht zu werden, lacht er wieder. Abschließend schlug er mir vor, doch mal einen Roman über meine Abenteuer mit Lektoren zu schreiben. Den würde zwar auch keiner drucken, aber das wäre sicherlich lustig zu lesen.

Bei dem Verlag, den ich zuletzt anschrieb, war es pikanterweise so, daß ich nicht nur zwei völlig unterschiedliche Aussage zum Thema "unverlangte Manuskripte" erhielt, sondern daß ich direkt nach der letzten Telefon-Auskunft am frühen Abend desselben Tages im Internet die Nachricht fand, der kleine Verlag sei soeben von einer großen Gruppe eingesackt worden...

:rolleyes:
 
aus der Diskussion: Meine Frauen und meine Aktien
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (05.09.02 11:57:12)
Beitrag: 74 von 758 (ID:7290292)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE