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Das waren noch Zeiten ... :D

Datum: 03.07.2001
Ressort: Politik
Autor: Jörn Breiholz

Wahlkampf Gnadenlos
Bei den Veranstaltungen des Hamburger Richters Schill wird Härte nicht nur gepredigt

HAMBURG, 2. Juli. Wenn Ronald Schill, ein für den Wahlkampf beurlaubter Richter, zu seinen Vorträgen lädt, dann kommen so viele Zuschauer wie zu keiner anderen Partei: In Hamburg-Eidelstedt waren es über 400, in Harburg sogar annähernd 1 500 Hamburger. Dabei ist die Partei Rechtsstaatliche Offensive die jüngste ernst zu nehmende Partei, die um den Einzug in die hamburgische Bürgerschaft bei der Wahl am 23. September antritt. Erst im April 2000 wurde sie gegründet.

Ihr Spitzenkandidat Ronald Schill war als Strafrichter am Amtsgericht durch seine harten Urteile bekannt geworden, die in der zweiten Instanz allerdings meist wieder aufgehoben wurden. Schill wurde daraufhin an eine Zivilkammer versetzt und gründete seine rechtslastige Partei. Momentan steht der Richter selbst vor Gericht: Das Hamburger Landgericht hatte ihn in erster Instanz wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung verurteilt, da er die Beschwerde zweier in Haft genommener Männer bewusst verschleppt habe. Die Bundesanwaltschaft am Bundesgerichtshof hat nun beantragt, die Verurteilung Schills zu einer Geldstrafe von 12 000 Mark aufzuheben.

Die Wahlveranstaltungen des als "Richter Gnadenlos" bezeichneten Juristen werden auch von seinen Gegnern besucht. Dabei kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Im Stadtteil Bergedorf etwa gab es im November Rangeleien, als Jugendliche kritische Fragen stellten. Auf einer Veranstaltung im April wurden die Jugendlichen an der Tür abgewiesen. "Rechtsradikale aus dem Umfeld der Neonazis Thomas Wulff und Christian Worch werden von den Saalordnern reingelassen, wir aber nicht", sagt Jan Gerbitz von den Jusos.

Schills Veranstaltungen werden von Polizei und parteieigenen Kräften mit Ordner-Armbinden begleitet. In Hamburg-Langenhorn sollen seine Ordner das 15-jährige Mädchen Mounira Ben M Barek, dessen Vater aus Tunesien stammt, brutal zusammengeschlagen haben. "Ich war gerade drei Minuten auf der Veranstaltung und wollte den Saal verlassen, weil die Ordner Freunde von mir äußerst brutal aus dem Saal geräumt hatten", berichtet die Schülerin. "Daraufhin hat mir ein Ordner mit der Faust in den Magen geschlagen. Vor der Tür bin ich dann ohnmächtig geworden. " Ein Arzt attestierte dem Mädchen ein handtellergroßes Hämatom in der Bauchgegend, ein stumpfes Bauchtrauma, Prellungen, Schürfungen und Schock noch nach vier Tagen. Schill selbst sagt, er habe von "diesen Dingen nichts mitbekommen" und hält die Vorwürfe der Schülerin für die "Märchenstunde eines einzelnen Mädchens". Neben dem Vater der Schülerin, der die Ordner wegen Körperverletzung und Schill wegen unterlassener Hilfeleistung anzeigen will, haben zwei weitere Schüler Anzeige erhoben.

Auf seinen Veranstaltungen redet Ronald Schill fast ausschließlich von kriminellen Ausländern und einem "Kartell von strafunwilligen Jugendrichtern", die jugendliche Intensivtäter, für die seiner Ansicht nach ein geschlossenes Heim eingerichtet werden müsse, zu lasch behandelten. Seine Devise lautet: härter durchgreifen. Lehrern empfiehlt er nebenbei, wieder Strafarbeiten aufzugeben.

Während Schill auf einer Wahlveranstaltung jüngst mal wieder Ordnung und Disziplin einfordert, beginnt ein neun Monate altes Baby auf dem Schoß seiner Mutter vor sich hinzubrabbeln. Mehrere Zuhörer fühlen sich offenkundig gestört, ein Schill-Anhänger aus der letzten Reihe steht auf und fordert die junge Frau auf, den Saal zu verlassen. Als die sich weigert, schicken sich Schills Ordner an einzugreifen. Das ist der jungen Mutter zu viel. Sie geht. "Wir wollen mal davon ausgehen, dass das keine gewollte Provokation ist", ruft Schill ihr hinterher.

Hardliner // Die Partei Rechtsstaatliche Offensive mit ihrem Spitzenkandidaten, dem Richter Ronald Schill, geht nahezu ausschließlich mit dem Thema Innere Sicherheit in den Wahlkampf. Schill fordert etwa den Einsatz von Brechmitteln gegen Dealer (um verschluckte Drogentüten zu beschlagnahmen) und mehr Polizisten.

In Wahlprognosen werden der Partei stabile acht bis zehn Prozent vorausgesagt. Ein Großteil der Wähler sollen frustrierte SPD-Wähler sein.

Schill steuert mit seiner Partei eine Regierungsübernahme mit der Hamburger CDU an. Die zeigt sich trotz der markigen Sprüche des Richters einer Koalition mit der rechtslastigen Partei nicht abgeneigt.

http://www.berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/20…
 
aus der Diskussion: Quo Vadis - Schill ...?
Autor (Datum des Eintrages): Guerilla Investor  (05.09.02 19:46:51)
Beitrag: 2 von 6 (ID:7294789)
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