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Als ich die Kneipe verließ, bückte sie sich gerade über ihrem Fahrrad, um es aufzuschließen.
„Hallo“, sagte ich.
„Hallo“, antwortete sie gelassen.
„Gehörst du zufällig zu der Bürgerinitiative, die gegen die neue Umgehungsstraße kämpft?“
Natürlich wußte ich über ungefähr alles Bescheid, was in meiner Stammkneipe los war.
„Für die Tierwelt wäre das eine Katastrophe“, antwortete sie.
Das war, wie ich später feststellte, typisch für sie. Sie antwortete nie einfach mit „Ja“ oder „Nein“, und versäumte keine Gelegenheit, ein Argument anzubringen.
„Absolut“, sagte ich.
Obwohl ich nicht einmal vage ahnte, welche Tiere sie meinte, war ich ohne Zögern bereit, mich notfalls mit Feldmäusen, Blattläusen oder entlaufenen Katzen zu verbrüdern, um ihre Gunst zu erringen.

„Jeder weiß das“, sagte sie laut und ärgerlich, „aber niemand will etwa unternehmen, um diese Wahnsinn zu stoppen!“
„Aber ihr seid doch schon eine ganze Menge Leute.“
„Es müßten noch viel mehr sein“, sagte sie. „Aber in Deutschland sind eben Autos wichtiger als Lebewesen.“
„Das ist eine unglaubliche Schweinerei“, sagte ich rasch.
Es ist immer schön, wenn man Opportunismus als Idealismus tarnen kann.
„Und warum machst du nicht mit, wenn du das weißt?“, fragte sie.
„Ich will ja mitmachen“, beteuerte ich.
„Wirklich?“
Sie musterte mich mit einem gewissen Mißtrauen.
„Ich will kämpfen!“, bekräftigte ich.

„Dann komm doch nächste Woche zum Stammtisch“, schlug sie vor.
„Einfach so?“, fragte ich aus gutem Grund.
„Sicher. Bei uns ist jeder Neue willkommen.“
„Ich bin bisher leider noch garnicht richtig informiert... was alles durch diese... äh. Schweinerei kaputtgemacht wird.“
„´ne ganze Menge“, sagte sie.
„Dann dürfen wir unsere Zeit nicht damit verschwenden, bei den Treffen jedesmal wieder die gleichen Anfängerfragen, äh, aufzubördeln...“
„Wie meinst du das?“, fragte sie.
„Ich meine, wenn ich nächste Woche gleich voll bei euch einsteigen soll, wäre es doch am besten, wenn mich jemand bis dahin schon auf den aktuellen Stand der Dinge bringt, oder?“
„Ja“, sagte sie, „ein paar von uns sind auch noch in der Kneipe. Die erklären dir alles!“
Sie schwang sich auf ihr Rad.

Ich entschloß mich spontan zu einer friedlichen Demonstration und blockierte ihr den Weg.
„He, was soll das?“, fragte sie.
„Die anderen Leute von der Gruppe mir total fremd, aber wir kennen uns jetzt doch schon. Kannst du mir denn nicht Informationen geben, damit die anderen nicht meinen, ich wäre blöd.“
Sie überlegte.
„Na gut. Hast du Email?“
„Nö. Ich warte noch darauf, daß ich mir einen iMac kaufen kann.“
„Hast du Fax?“
„Ja, aber das tut´s nicht. Demnächst kann ich ja mit meinem iMac faxen.“
„Wer weiß, wann der in Deutschland Verkaufsstart hat. Das dauert noch eine ganze Weile...“, meinte sie skeptisch.
„Erzähl es mir doch einfach“, schlug ich vor.
„Ich muß jetzt aber nach Hause“, sagte sie.

Ich sah demonstrativ auf meine Armbanduhr.
„Oh, so spät ist es schon?“, sagte ich. „Ja, dann erzähl es mir doch einfach am Telefon, wenn du Zeit hast. Das ist die beste Lösung, oder?“
„Ich soll dir meine Telefonnummer geben?“
Endlich kamen wir zur Sache.
„Super, ich habe sogar was zu schreiben dabei“, sagte ich. „Wenn das kein Schicksal ist! Ich glaube, ich wir handeln gerade voll im Sinne meines Karmas!“
„Naja, ich weiß nicht...“, meinte sie. „Dazu müßte ich erst einmal wissen, welches Sternzeichen du bist.“
Sie sah zum sternenklaren Himmel hoch. In dieser Pose wirkten ihre Augen noch strahlender.
„Das ist noch eine Sache, in der ich dringend deinen Rat brauche“, sagte ich. „Leg dir am besten schon mal Fachliteratur neben das Telefon!“
„Ach ja, meine Nummer“, sagte sie. „Also, schreib auf...“



;)

(Fortsetzung folgt)
 
aus der Diskussion: Meine Frauen und meine Aktien
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (08.09.02 20:50:57)
Beitrag: 80 von 758 (ID:7311686)
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