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Artikel aus der FTD von heute

Roland Hartung, Vorstandssprecher des Mannheimer Versorgungskonzerns MVV, hält die verschärften Auflagen für die Fusion von Eon und Ruhrgas nicht für ausreichend. Dennoch hat MVV bislang keine rechtlichen Schritte gegen das Fusionsvorhaben unternommen.

"Wir halten die Ministererlaubnis zur Fusion von Eon und Ruhrgas für falsch", sagte Hartung in einem Gespräch mit der FTD. Die Verschärfungen bedeuteten "bestenfalls einen kleinen Schritt in die richtige Richtung". Ruhrgas soll zusätzlich zu bisherigen Auflagen verpflichtet werden, Minderheitsanteile von 11,3 Prozent an den Stadtwerken Bremen und 22 Prozent an Bayerngas zu verkaufen, sowie 200 Mrd. Kilowattstunden Erdgas zu versteigern.

Lockmittel für EnBW

Auch andere Fusionsgegner wie der Berliner Energiehändler Ampere bezeichneten die Auflagen als zu geringfügig. Allerdings könnte das größte der gegen die Fusion klagenden Unternehmen, der württembergische Konzern EnBW, seinen Widerstand aufgeben. Analysten der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein verwiesen am Dienstag darauf, EnBW habe großes Interesse am Kauf des Bayerngas-Anteils. EnBW-Kreise bezeichnen dies allerdings als Unfug.

MVV hat trotz Hartungs Kritik am Fusionsplan von Eon und Ruhrgas keine rechtlichen Schritte gegen das Vorhaben unternommen. Hartung begründete dies mit mangelnden Erfolgsaussichten. Ruhrgas ist zu 15 Prozent an dem Mannheimer Versorgungsunternehmen beteiligt.

Der MVV-Chef rechnet nicht damit, dass Ruhrgas-Konkurrenten den Marktanteil von 60 Prozent bei Import- und Ferngas angreifen können: "Bei Gas gibt es keinen funktionierenden Wettbewerb, und es wird auch auf absehbare Zeit keinen geben." Die Situation könne sich allenfalls langfristig durch einen möglichen Markteintritt der internationaler Energieriesen verbessern: "Man kann nur hoffen, dass die großen Player wie Shell, Exxon Mobil und BP auf den deutschen Gasmarkt gehen", so Hartung.

Auch beim Strom gehen die zunächst positiven Folgen der Liberalisierung nach Auffassung von Hartung mit der Konzentration auf die vier integrierten Energieriesen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall Europe bereits wieder verloren. "Es wird so getan, als ob die von den vier Verbundunternehmen angestrebte Vermachtung gottgegeben wäre", kritisierte der MVV-Chef. Die vier Konzerne vereinigen 92 Prozent der Energieerzeugungskapazitäten in Deutschland auf sich. Die Konzentration dürfe sich auf Verteilerebene nicht wiederholen, forderte Hartung.

MVV selbst plant einen massiven Ausbau seiner Position in der Endversorgung. Hartung kündigte Investitionen von 1,0 Mrd. Euro bis 1,2 Mrd. Euro bis 2006 an. Ein Großteil davon sei für den Kauf von Stadtwerke-Beteiligungen reserviert. "Sofern es der Markt hergibt, sind wir an weiteren Beteiligungen interessiert. Dabei streben wir in jedem Fall eine Position an, die wir unternehmerisch mitgestalten können", sagte der MVV-Chef.

Rennen um Stadtwerke

Stadtwerke-Beteiligungen sind gegenwärtig ein begehrtes Gut. Die Unternehmensberatung A.T. Kearney spricht gar von einem "Rennen um die Stadtwerke". MVV, der einzige börsennotierte Stadtwerke-Konzern der Bundesrepublik, steht mit seinen Expansionsplänen in Konkurrenz zu den kapitalstarken integrierten Konzernen in Deutschland sowie zu ausländischen Energieriesen.

Die Zahl der Kooperationen und Fusionen zwischen Stadtwerken steigt stark an. In den Jahren von 1997 bis 2001 zählte A.T. Kearney 270 Fälle. Die Kartellbehörden begrenzen die Beteiligungen deutscher Stromriesen an Stadtwerken inzwischen generell auf 20 Prozent. Dieser Wert spielt für die kleinere MVV keine Rolle. "Wir verhandeln derzeit über weitere Beteiligungskäufe in Hanau und Ulm", sagte Hartung. In Ulm sind 25,1 Prozent ausgeschrieben, in Hanau 49,9 Prozent. Bisher ist MVV an Stadtwerken in Solingen, Offenbach, Ingolstadt und Köthen beteiligt. Sie dienen als Basis zur Erschießung der Regionen. Im nordrhein-westfälischen Krefeld kam MVV nicht zum Zuge.

Die Stadtwerke schöpfen einen Großteil des gesamten Versorgungsgeschäfts ab. Bei Strom, Gas und Wasser entfallen jeweils rund 50 Prozent der Wertschöpfung auf die letzten Transport- und Verteilerstufen. Für expandierende Energieversorger führt dabei kein Weg an den bestehenden Strukturen vorbei, so Hartung. Am hohen Kundenbindungspotenzial der regionalen und lokalen Versorger seien sämtliche Versuche der Großkonzerne zum Aufbau eigener Endkundenmarken gescheitert: "Yello, Avanza und Evivo waren krachende Niederlagen", sagte Hartung.

Von den 972 Stadtwerken in Deutschland befinden sich noch 560 in rein kommunalem Besitz. Der MVV-Chef zeigte sich überzeugt, dass sein Unternehmen trotz der vielfach gewachsenen Bindungen zu den integrierten Konzernen Kaufchancen habe: "Wenn die Geschäftsführer der kommunalen Unternehmen ihr Geschäft verstehen, werden sie ihre Aufsichtsräte davon überzeugen, dass sie den Verbundunternehmen nicht hilflos ausgeliefert sind." Weitere MVV-Expansionsziele sind Polen und Tschechien. Zur Finanzierung der Investitionen steht unter anderem der Buchgewinn aus dem Verkauf der Gasversorgung Süddeutschland (GVS) zur Verfügung, den Hartung auf 140 Mio Euro bezifferte.

Den Verkauf einer weiteren Tranche MVV-Aktien über die Börse schloss Hartung ebenfalls nicht aus. Derzeit sind freie Aktionäre nur zu zwölf Prozent beteiligt; die Stadt Mannheim hält knapp 73 Prozent des Kapitals. Sollten die Aktienmärkte so schwach bleiben wie derzeit, komme eine Anleihe oder eine Mischform als Alternative in Betracht.
 
aus der Diskussion: **** MVV Energie AG mit Grüner Kurspower in die Zukunft ***/ Langzeitthread**
Autor (Datum des Eintrages): Nussloch  (11.09.02 11:51:15)
Beitrag: 76 von 80 (ID:7332735)
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