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@ Payback

Den Wunsch nach MEHR kann ich Dir leicht erfüllen. Es ist noch Suppe da:



Am Stadtausgang sah ich plötzlich vor einem Waldstück im Mondlicht eine Anhalterin. Ich erschrak, trat im Reflex die Bremse und rollte auf den Seitenstreifen aus. Sie stürzte sofort auf den Wagen zu und öffnete die Beifahrertür.
Ich erkannte Sabine. Zuerst erschien es mir unglaublich, daß sie es war, aber andererseits war wohl keine andere Frau weit und breit so tollkühn, im Dunkeln bei Anhalter zu reisen, und außer mir war wohl weit und breit keiner so verrückt, im Dunkeln wegen einer kaum erkennbaren Gestalt anzuhalten.
„Hallo“, sagte sie, „wohin fährst du?“
„Bloß raus aus diesem Kaff“, antwortete ich.
„Das ist genau meine Richtung“, sagte sie. „Kannst du mich ein Stück mitnehmen?“
„Das ist eine Möglichkeit“, erklärte ich.
„Gut.“
Sie schleuderte ihre Jute-Tasche auf mich, ließ sich in den Sitz plumpsen und knallte die Tür hinter sich zu.
„Meinetwegen kann es losgehen“, sagte sie mit erwartungsvollem Blick.

„Bist du sicher?“, fragte ich. „Mußt du nicht vorher mein Horoskop studieren?“
Sie faßte sich an den Kopf.
„Jetzt weiß ich wieder, wer du bist!“, rief sie.
„Und jetzt weiß ich, warum du gegen die Umgehungsstraße bist“, sagte ich.
„Und warum?“
„Weil dann hier nichts mehr los ist und du nicht mehr per Daumen reisen kannst.“
Sie sah mir forschend ins Gesicht.
„Du bist Löwe, stimmt´s?“
„Weil ich dominant bin?“
„Nee, weil Löwen meist auch Ärsche sind.“
Sie tippte auf ihre Armbanduhr und fügte hinzu: „Falls wie hier nicht weiterkommen, sehe ich mich wohl besser nach einer anderen Mitfahrgelegenheit um!“
„Anschnallen“, befahl ich.

„Darf ich hier rauchen?“, fragte sie nach wenigen Kilometern.
„Du hast was bei mir gut“, antwortete ich. „Also bitte.“
„Was habe ich dir den Gutes getan?“, fragte sie mißtrauisch.
„Du hast mich auf die Idee gebracht, APPLE-Aktien zu kaufen.“
„Ich habe keine Ahnung von Aktien“, sagte sie.
„Trotzdem war APPLE ein guter Tip.“
„Ich habe keine Ahnung von APPLE.“
„Als du vom iMac begeistert warst, wußte ich, daß die Kiste ein Erfolg wird.“
„Ich habe keine Ahnung von Computern“, sagte sie.
„Dann war es eben weibliche Intuition. Auch gut.“
„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Bist du sicher, daß ich das war?“

Da war es wieder, mein Problem. Immer wenn ich dachte, daß eine Frau super zu mir passen könnte, blockte sie mich ab. Melanie hatte immer „Aber da waren wir doch noch ganz klein“ erwidert; Sabine wiederholte stattdessen immer ebenso stereotyp „Ich habe keine Ahnung“.
Allmählich verschmolzen Melanie und Sabine für mich gefühlsmäßig zu ein und derselben Person.
„Es ist Vollmond“, stellte ich fest.
„Na und?“, fragte sie.
„Das bringt angeblich manche Menschen ganz schön durcheinander...“
„Nicht nur angeblich“, sagte sie. „Der Vollmond weckt die Triebe. Früher haben die Hexen bei Vollmond nackt Tänze aufgeführt und sich rituell mit dem gehörnten Gott vereinigt. Die Kirche hat aus diesem heidnischen Gott den Teufel gemacht.“
Sie griff in ihre Jute-Tasche und zog tatsächlich einen Hexenhut hervor. Auf einmal sah sie garnicht mehr attraktiv, sondern nur noch unglaublich blöd aus.
„Setz das Ding bloß wieder ab“, knurrte ich. „So fahre ich nicht mit dir in die Stadt.“

Murrend entblößte sie wieder ihr Haupt.
„Das mit dem Teufel hat dir wohl auf den Magen geschlagen, oder?“, fragte sie.
„Ja“, sagte ich. „Den Teufel anzubeten ist doch wohl das letzte!“
„Und an der Börse das Geld anzubeten, ist das allerletzte!“

Ich beschloß das Thema zu wechseln.
„Du hast einen Job, habe ich gehört“, sagte ich.
„Schon wieder vorbei“, sagte sie. „Das war mir zu stressig. Ich gehe sowieso wieder in das Hüttendorf zurück. Aber vorher muß ich mir noch mein Geld abholen.“
„Soll ich mitkommen?“, fragte ich.
„Nee, du kannst mich gleich kurz nach dem Ortseingang rauslassen. Das Lokal, wo ich gearbeitet habe, kann ich dir empfehlen. Für Gäste ist es okay. In spätestens einer Stunde bin ich auch dort. Dann kann ich dir noch mehr über die Bedeutung des Vollmonds erklären.“
„Okay.“
Fünf Minuten später hielt ich an und sie stieg aus.

Diesmal machte sie die Tür nicht richtig zu. Ebensowenig grüßte sie zum Abschied. Sie schien es sehr eilig zu haben.
Ich fuhr weiter zu dem Lokal.
Es war überfüllt.
Um mich reinquetschen zu können, mußte ich erst einmal Eintritt bezahlen.
„Was ist denn hier los?“, fragte ich.
Die Kassiererin, die von Kleidung und Frisur so wirkte, als sei sie im Hüttendorf Sabines Nachbarin, warf mir einen Blick zu, als hielte sie mich für unterbelichtet.
„Wir machen eine Poetry-Party“, sagte sie. „Hier kann jeder seine Gedichte und andere Texte vorlesen. Auch du.“
Vorlesen hatte ich schon in der Schule immer gehaßt.

„Toll“, sagte ich.
Nachdem ich bezahlt hatte, trat gerade ein blonder Hippie an das Pult. Da Sabine sich nicht mehr blicken ließ, hörte ich einfach zu. Seine Gechichte handelte von einer Studentin namens Justine, die in einem Kino arbeitete und haargenau wie die Schauspielerin Sandra Bullock aussah.
Die ganze Geschichte klang wie ein normaler männlicher Wunschtraum. Auf jeden Fall klang es nach meinem speziellen Wunschtraum.
Das Verrückte daran war, daß er sich, wie ich wenig später erleben durfte, nichts von alledem ausgedacht hatte.
Alles stimmte.



(to be continued)
 
aus der Diskussion: Meine Frauen und meine Aktien
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (12.09.02 23:21:13)
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