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5 Gründe warum sich viele nach kurzer Zeit ärgern werden CDU/FDP gewählt zu haben:

Renten- und Gesundpolitik
Die Öffnung der Rentenversicherung für die private Eigeninitiative eher still und vor allem überbürokratisiert daher. Es war eine Revolution in einem Land, das sich zu Gute gehalten hat, seinen Bürgern die staatliche Vollversorgung zu bieten.
Das neue Rentengesetz war der erste Akt der dringend gebotenen Abkehr von der Ideologie, der Staat sei für alles und jedes zuständig. In Zukunft soll private Verantwortung gleichberechtigt neben staatlicher Versorgungspflicht rangieren. Die CDU hatte das zwar jahrelang gefordert, aber niemals die Kraft dafür aufgebracht.
Die Reform der Altersvorsorge allerdings hätte nur der Anfang sein sollen: Die private Selbstbeteiligung bei der Kranken- und der Arbeitslosenversicherung müssen konsequenterweise folgen. Eine psychologische Herkulesarbeit - zugegeben, die zu leisten Rot-Grün nicht mehr in der Lage war. Dies nachzuholen, könnte zu einem der entscheidenden Spielzüge in der zweiten Halbzeit werden.
Und auch das sei hier prophezeit: Die amtierende Regierung wird eine solche Reform eher in Szene setzen, als das "Kompetenzteam" des Herausforderers. Edmund Stoiber ist schon jetzt in vielen Fragen banger, als es der SPD-Vorsitzende je war. Des Bayern Wahlreden lassen in so gut wie allen gesellschaftlichen Zukunftsfragen das Reform-Risiko vermissen. Kommt hinzu, dass es für einen echten Sozi in diesen Fragen immer noch leichter sein dürfte, die Gewerkschaften zu domestizieren, als für einen noch so konsenssüchtigen Konservativen.

Arbeitsmarkt
Das gilt auch für die Arbeitsmarkt-Strategie. Auch hier ist Gerhard Schröder spät gestartet, aber immerhin hat er im Schlussspurt Fakten geschaffen, die in der Hartz-Kommission von Gewerkschaftern, Unternehmern und Handwerkern einstimmig gebilligt wurden. Dieses schwierige Procedere hätte eine von Stoiber geführte Regierung noch vor sich - mit unbekanntem Ausgang. Die Hartz-Ideen hatte die Opposition nach anfänglichem Staunen leichtfertig als "Gequatsche" vom Tisch gewischt. Sie jetzt noch zu adoptieren, dafür ist die CDU weder unabhängig noch offen genug. Aber mit welchen Beruhigungspillen wollte ein CSU-Kanzler die Tarifparteien ein weiteres Mal in den Kompromiss zwingen?
Schröder konnte Hartz verankern, weil er für den gesellschaftlichen Frieden genügend Vorleistungen erbracht hatte. Die rot-grüne Koalition hat den Gewerkschaften mit der Rücknahme der Lockerungen im Kündigungsschutzgesetz, dem Recht auf Teilzeitarbeit, der Erweiterung des Betriebsverfassungsgesetzes und den besseren Eingliederungshilfen für Arbeitslose die Bonbons gleich tütenweise zugesteckt. Aus Dankbarkeit kämpfen die jetzt auch für die Verlängerung des Mandats von Schröder - was im Umkehrschluss auch bedeutet, sie können nach einer Wiederwahl des Kanzlers nicht gleich auf Konfrontationskurs gehen. Die Ankündigung des SPD-Vorsitzenden, die Hartz-Papiere in jedem neuen Koalitionsvertrag (gleich, mit welcher Partei) festzuschreiben, werden die Akzeptanz der Regeln nur erhöhen.

Steuerpolitik
Ja, und dann eröffnet die Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform zur Finanzierung der immensen Kosten der Flutkatastrophe ganz neue Optionen. Sie erlaubt einem zweiten Kabinett Schröder, bei den Steuerplänen bis zum 1. Januar 2004 nachzubessern. Oder anders gesagt: Einige der inzwischen aufgetretenen und erkannten Ungereimtheiten der großen Steuerreform sollten beseitigt werden. Der Mittelstand könnte so konkret miterleben, wie lernfähig und einsichtig manchmal selbst Wahlsieger sind.
Klar, es ist ein weltweit einmaliger Standort-Vorteil der Bundesrepublik, dass Veräußerungsgewinne bei Kapitalgesellschaften steuerfrei bleiben. Aber der wäre immer noch äußerst ansehnlich, wenn es beispielsweise zu einer Quote von 20 Prozent käme und wenn dafür die Personengesellschaften, also große Teile des Mittelstandes, von sofort an gleichgestellt würden.
Es wäre zudem ein Akt von politischer Symbolik und würde den Kanzler von einem "Fehler" befreien, den er schon öfter beklagt hat. Und außerdem als Abschreckung gegenüber Arbeitgeberfunktionären dienen, getreu dem Motto: "Ich-kann-auch-anders". Denn gerade die Industrie hat im Wahlkampf deutliche Präferenzen für Edmund Stoiber und dessen gewünschtem Wurmfortsatz FDP erkennen lassen. Warum sollte der "Genosse der Bosse" also nicht eine sanfte Strafaktion einleiten, die sein Herausforderer - ohne offene Kritik zu ernten - den Großunternehmen sowieso angekündigt hatte? Die Frage stellt sich gar, ob Schröder dies nicht allein deshalb auf die Agenda setzen muss.

Sonstiges
Überhaupt konnten sich die deutschen Unternehmer in der abgelaufenen Legislaturperiode über mangelnde Fürsorge des Kabinetts Schröder/Fischer nicht beklagen; sie begann mit der erfolgreichen Initiative zur Entschädigung der Zwangsarbeiter, die Helmut Kohl zuvor heftig verweigert hatte. Und sie führte über die Green-Card zu einem wirtschaftsfreundlichen Zuwanderungsgesetz. Nicht zu vergessen auch eines der Glanzlichter jüngerer Regierungskunst, das der Wissenschaft und Forschung in Deutschland ein neues Zeitalter eingeleuchtet hat. Es gelang dem Bundeskanzler eine ergebnisoffene Bio-Ethik-Debatte zu organisieren und auf diesem Wege die hohen Hürden bei der Forschung an embryonalen Stammzellen beiseite zu räumen.
Der gravierende Schuldenabbau, die Erhöhung des Kindergeldes und die Senkung des Eingangs- und Spitzensteuersatzes, die historisch höchste Zahl von Arbeitsplätzen in Deutschland, nach zehn Jahren gelegentlich fast kriegerischer Auseinandersetzungen der streitfreie Ausstieg aus der Atomenergie sowie eine Frieden stiftende Außenpolitik sind hier zu erwähnen. Ausgerechnet der Sozialdemokrat Gerhard Schröder hat Deutschland der Welt geöffnet, indem er über die persönliche Vertrauensfrage im Bundestag durchzusetzen verstand, dass deutsche Soldaten auch außerhalb der Nato Verantwortung tragen. Das Land ist dadurch endgültig erwachsen geworden. Das aber schließt ein, dass es im Zweifelsfall auch bereit sein muss, sich "Abenteuern" zu verweigern. Der Einmarsch in den Irak wäre so eines.
Für Deutschland wäre ein Krieg zudem auch eine innenpolitische Katastrophe, denn dann müssten alle Anstrengungen zur Senkung der Arbeitslosenzahlen als Makulatur gleich im Papierkorb verschwinden. Denn Krieg heißt Krise, lähmt den Handel, erhöht die Preise, vor allem für Rohstoffe, und kostet Jobs, weil alles zusammen zu noch mehr Insolvenzen führen würde.

Personal
Gerhard Schröder ist von der Opposition gern der "Substanzlosigkeit" angeklagt worden. Ein Vorwurf, der sich nach wenigen Wochen Wahlkampf eher gegen den Herausforderer wenden ließe, denn was der bisher vorgeführt hat, ist mehr Oberfläche - so glatt geschliffen, dass er gelegentlich selbst daran abzurutschen droht. Kreativität hat Edmund Stoiber einzig in der Frage entwickelt, wie man das eigene Land möglichst schlecht machen kann. Letztlich ist ihm dies auch zur Achillesferse geworden. Die Menschen denken nicht so negativ. Sie suchen nach Visionen und sind das Miesmachen Leid.
Der Herausforderer sucht mit dem ältesten Kader aufzulaufen, das im ganzen Land zu rekrutieren war: Seehofer, Schäuble, Späth mussten schon unter Alt-Trainer Kohl das Trikot immer häufiger im Schrank lassen und auf der Tribüne Platz nehmen. Sie waren zu ausgepowert, um für neuen Spielwitz sorgen zu können. Klar, sie gebieten wie ihr Trainer-Kandidat über die Sekundär-Tugenden wie Fleiß, Ausdauer und Pflichterfüllung. Aber um in der globalisierten Welt zu siegen, ist mehr gefragt.

Momms
 
aus der Diskussion: Warum werden es viele schon in Kürze bedauern CDU/´FDP gewählt zu haben
Autor (Datum des Eintrages): Momms  (21.09.02 17:12:17)
Beitrag: 1 von 41 (ID:7419152)
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