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Hoffentlich hat niemand von Euch daran gezweifelt, daß eine Story mit einem so unglaublich trashigen Titel wie "Kannibalen aus dem Weltall" auf keinen Fall ernst gemeint sein kann.
;) :laugh:



Jetzt geht es mit dem eigentlichen Thema "Meine Frauen und meine Aktien" weiter:



Nachdem ich über ein Dutzend Autogeschichten veröffentlicht hatte, stellte das Anzeigenblatt die Rubrik ein. Ich versuchte vergeblich einen Buchverlag für eine Sammlung dieser Geschichten zu gewinnen. Ich schickte Fotokopien an Fachjournalisten, aber auch die wußten keinen geeigneten Verlag. Schließlich wechselte ich das Genre und begann mit Science Fiction. Mein erstes Werk war eine Hommage an den Ed Wood-Klassiker „Plan No.9 from Outer Space“ und hieß „Kannibalen aus dem Weltall“. Dieses schöne Stück Literatur sandte ich an die „Leserstory“-Rubrik einer SF-Heftroman-Reihe.
Inzwischen erschien in einem renommierten Verlag eine Sammlung von Kurzgeschichten des Autors, den ich auf einst auf der Poetry-Party von Justine hatte erzählen hören. Dagegen konnte ich überhaupt nicht anstinken.

Ich kaufte mir das Buch und beschäftigte mich sofort noch einmal mit der Story über Justine.
Es war genauso gewesen, wie sie sagte. Sie hatte sich mit dem Ich-Erzähler einen Film angesehen, weil er zeigte, wie sich ein Börsenspekulant in die Pleite ritt, und weil sie sowas auf makabre Weise irgendwie lustig fand.
Als ich mich mit dem Buch beschäftigte, wurden mir gleich zwei Dinge klar. Weder mit Leserstories wie „Kannibalen aus dem Weltall“, noch mit meinem nach wie vor an Wert wachsenden Börsendepot konnte ich bei ihr Eindruck machen.

Während ich mich deswegen in Depressionen suhlte, las ich weiterhin Börsenzeitschriften. Dort fand man zunehmend häufiger den Rat, doch in Kunst zu investieren. Ein abstraktes Bild bot immer noch mehr realen Gegenwert fürs Geld als irgendeine Internet-Aktie. Wenn man in die richtigen Künstler investierte, durfte man Hoffnungen auf ähnlich wahnwitzige Wertsteigerungen wie bei „Dot.com(s)“ hegen. Da fiel mir sofort Justine ein. Sie studierte Kunstgeschichte. Sie war bestimmt auch Malerin. Ich wollte ein Bild von ihr. Eigentlich wollte ich Kinder von ihr, aber ein selbstgemaltes Kunstwerk kam doch irgendwie auch aus ihrem Inneren und würde mich ebenfalls noch in fünfzig oder hundert Jahren an sie erinnern.
Das wurde für mich zu einer fixen Idee.

Ich wollte ein Gemälde von ihr, oder zumindest ein Aquarell oder eine Zeichnung. Vielleicht kam sie eines Tages groß raus. Sie war fotogen, smart, und kannte viele Künstler- reichte das nicht?
Vielleicht spielten alle meine Instinkte bei ihr verrückt, weil ich inzwischen durch und durch Spekulant war und bei ihr die Möglichkeit witterte, die beste Investition meines Lebens zu machen.
Ich beschloß, in die Offensive zu gehen. Statt von meinem mickrigen literarischen Talent würden wir jetzt von ihrer mit Sicherheit viel größeren eigenen künstlerischen Begabung reden. Bestimmt fand sie das viel aufmerksamer, als wenn jemand immer nur von sich selbst redete.
Wenn ich ihr Bilder abkaufte und dafür mit dem Geld bezahlte, das ich mit Aktien verdient hatte, würde sie vielleicht doch noch etwas Respekt vor meinem Talent als Börsenspieler bekommen.

Ich schwang mich in mein Auto und startete den Motor. Dann startete ich den Motor nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Und irgendwann kam Bewegung in die alte Kiste. Vielleicht war es allmählich doch Zeit, Geld für ein neues Auto, statt immer nur für Aktien auszugeben. Es gab mittlerweile sowieso keine halbwegs realistisch bewerteten Aktien mehr.
Aber wenn mein Gefühl stimmte, brauchte ich mir nur ein Gemälde von Justine zuzulegen, um mir in wenigen Jahren einen Ferrari leisten zu können.

Ich gab Gas.
Ich gab noch mehr Gas.
Es kam mir vor, als könnte ich den Ferrari, den ich bald besitzen würde, schon ein bischen hören.
Es gab nichts besseres, um die Fantasie anzuregen, als eine kaputte Auspuffanlage...


(Fortsetzung folgt)
 
aus der Diskussion: Meine Frauen und meine Aktien
Autor (Datum des Eintrages): Wolfsbane  (22.09.02 22:11:30)
Beitrag: 126 von 758 (ID:7426127)
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