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Öffentlicher Hand droht teure Tarifrunde
Von Maike Rademaker, Berlin

Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst in gleicher Größenordnung
wie in der Privatwirtschaft würden nach Berechnungen des
bayerischen Finanzministeriums die öffentlichen Haushalte mit
jährlich 6,6 Mrd. Euro belasten.

"Das ist nicht finanzierbar", erklärte Kurt Faltlhauser, bayerischer
Finanzminister und Verhandlungsführer der Länder für die Tarifrunde
im öffentlichen Dienst, gegenüber der FTD. "Personalabbau im
öffentlichen Dienst und Einschränkungen bei den zukunftsweisenden
Investitionen für die Bürger wären die unausweichlichen Folgen." Der
Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske,
hatte für die rund 2,9 Millionen Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes Einkommenssteigerungen vergleichbar der Privatwirtschaft
gefordert.

In der Metallbranche, die als Orientierung für die Privatwirtschaft gilt,
wurde in diesem Jahr durch Streiks eine Erhöhung um 3,1 Prozent im
ersten Jahr erreicht. Im öffentlichen Dienst droht nun eine ähnlich
harte Tarifrunde. Verdi-Chef Bsirske will in dieser für ihn wichtigsten
Tarifrunde Durchsetzungsvermögen zeigen. Währenddessen stehen
die öffentlichen Haushalte vor leeren Kassen.

Defizit mehr als verdoppelt

Deren Einnahmen sanken laut statistischem Bundesamt im Vergleich
zum Vorjahr um 2,1 Prozent, die Ausgaben stiegen um 2,2 Prozent.
Das Defizit erhöhte sich von 20 Mrd. Euro auf 58 Mrd. Euro. "Die von
der Gewerkschaft geforderten Einkommenssteigerungen sind
angesichts der dramatischen Steuerausfälle als Folge der
Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen
Regierung nicht finanzierbar", sagte Faltlhauser. Er trete für eine
moderate Lohnerhöhung ein, die eine "angemessene Teilhabe der
Beschäftigten am allgemeinen Einkommenszuwachs ermögliche".

Der finanzpolitische Experte des arbeitgebernahen Instituts der
deutschen Wirtschaft in Köln, Winfried Fuest, warnt ebenfalls vor
hohen Forderungen. "Eine Erhöhung in Höhe der Inflation ist
angesichts der ohnehin im öffentlichen Dienst üblichen regelmäßigen
Erhöhungen durch Dienstaltersstufen zumutbar", sagte Fuest der
FTD.

Ein Abschluss in Höhe der Privatwirtschaft würde die öffentlichen
Kassen dagegen vor "enorme Probleme" stellen. Ein Abschlag
gegenüber der Privatwirtschaft sei allein schon angemessen, weil die
Beschäftigten des öffentlichen Dienstes mit dem Kündigungsschutz
ein Privileg hätten. Außerdem käme durch die Altersversorgung der
Beamten noch einmal eine große finanzielle Anforderung auf die
Haushaltskasse zu. "Die Altersversorgung für Beamte ist opulent. Da
muss wirklich mal nachgedacht werden, warum die Beamtenpension
13-mal im Jahr gezahlt werden muss. "

Verdi will von der Forderung allerdings nicht abweichen. "Die
Angestellten des öffentlichen Dienstes dürfen nicht als Ausfallbürgen
für eine verfehlte Steuerpolitik herhalten", sagte Margret
Mönig-Raane, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft.

In der Metallbranche hat der letzte Tarifabschluss zusammen mit den
konjunkturellen Schwierigkeiten zu einem Personalabbau von 2,3
Prozent geführt. Im öffentlichen Dienst des Bundes hat sich dagegen
der Stellenabbau verlangsamt.

Arbeitgeber wollen nicht mehr nachgeben

Offiziell beginnt die Tarifrunde am 31. Oktober, dann läuft der letzte,
2000 geschlossene Tarifvertrag aus. Verdi will am 23. Oktober die
Forderung beschließen. Verhandlungspartner für Verdi wird eine
Troika sein aus dem Bundesinnenministerium, der Vereinigung der
kommunalen Arbeitgeber (VKA) und der Tarifgemeinschaft der Länder
(TdL). Die TdL vertritt dieses Mal deren Vorsitzender Kurt Faltlhauser.
Das Bundesinnenministerium wollte sich vorab nicht zu der Tarifrunde
äußern.

Auf ein Nachgeben kann die Arbeitgeberseite nicht hoffen. Denn für
Frank Bsirske ist diese Tarifrunde eine regelrechte
Bewährungsprobe. Die Mitglieder der ehemaligen Gewerkschaft
Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) machen mit rund
1,5 Millionen Menschen den größten Teil der
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aus.

Hinzu kommt, dass Bsirske erst durch die letzte Tarifrunde 2000 an
die Spitze der neuen Gewerkschaft gespült wurde. ÖTV-Chef Herbert
Mai hatte sich damals den Unmut der Basis zugezogen, weil er zu
wenig für die zweijährige Laufzeit herausgeschlagen hatte. Das
kostete Mai den Posten. Die Mitglieder haben nun Nachholbedarf und
werden ihren Chef testen.


© 2002 Financial Times Deutschland
 
aus der Diskussion: WIR WOLLEN DEN TOTALEN BEAMTENSTAAT!
Autor (Datum des Eintrages): Schinderluder  (18.11.02 13:21:17)
Beitrag: 27 von 57 (ID:7874412)
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