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Bush hat keine Zeit für Schröder
Von Katja Noch

20. November 2002 Chirac, Blair, Havel und der türkische Präsident Sezer haben die Ehre: Ein sogenanntes Bilateral mit dem amerikanischen Präsidenten George Bush am Rande des Nato-Gipfeltreffens in Prag. Gerhard Schröder guckt derweil in die Röhre, „keine Zeit“ ist die offizielle Begründung von amerikanischer Seite.

Aber einen Handschlag werde es geben, versicherte ein Sprecher des Weißen Hauses, Bush werde Schröder beim Nato-Gipfel nicht meiden. Das dürfte ein schwacher Trost für den deutschen Bundeskanzler sein. Offensichtlich ist George Bush immer noch verstimmt wegen Schröders Wahlkampfrhetorik gegen einen möglichen Irak-Krieg. Oder er will den Bundeskanzler zumindest noch eine Weile schmoren lassen, verordnetes Nachdenken über den außenpolitischen Faux-pas.

Bush lässt Schröder zappeln

Nach Schröders Wahlkampf-Nein zum Irak-Krieg und einem missglückten Interview der damaligen deutschen Justizministerin fühlte sich Bush persönlich angegriffen. Von Verrat und vergifteten Beziehungen zwischen Amerika und Deutschland war die Rede, wochenlanges eisiges Schweigen folgte. Ein Telefonat zwischen Schröder und Bush vor eineinhalb Wochen war die erste vorsichtige Kontaktaufnahme, Verteidigungsminister Struck und Außenminister Fischer besuchten Washington. Tauwetter? Nein, so schnell sind die verletzten Befindlichkeiten des amerikanischen Präsidenten nicht einzurenken. Die Bundesregierung hofft nun bescheiden darauf, dass Schröder und Bush „sich sehen, sich treffen und kurz miteinander sprechen werden“, wenn der tschechische Präsident am Mittwoch Abend auf dem Hradschin einen Empfang gibt.

Wer ist wichtig für George Bush?

Aber vielleicht ist Schröder nach Bushs Maßstäben nicht wichtig genug für ein Gespräch. Wenn man sich die Liste seiner Gesprächspartner in Prag ansieht, drängt sich die Vermutung auf, dass es dem amerikanischen Präsidenten weniger um die Nato-Osterweiterung geht, sondern vielmehr um den Irak. Militärisch und geostrategisch ist Deutschland in diesem Punkt jedenfalls nicht so wichtig für Bush. Er kann es sich leisten, Schröder stehenzulassen. Beim Friedenseinsatz nach dem Krieg dürften die Deutschen wieder gefragt sein, wie Afghanistan beweist. Aber es macht für Bush wenig Sinn, darüber schon zu sprechen, bevor der Krieg überhaupt begonnen hat.

Bleibt die Frage der persönlichen Sympathie. Während Schröder und Bush noch nie eine besonders herzliche Beziehung gepflegt haben, kann der amerikanische Präsident bestens mit dem russischen und stattet Wladimir Putin am Freitag im Anschluss an den Gipfel einen Besuch ab, ganz freundschaftlich, versteht sich. Dabei gäbe es durchaus offene Fragen über den Tschetschenien-Krieg und den Tod von zahlreichen Geiseln bei der Stürmung des Musical-Theaters in Moskau vor wenigen Wochen zu klären.

Schröder muss den Büßer geben

Aber der amerikanische Präsident hat ein überschaubares Weltbild. Im Krieg gegen den Terror gibt es nur Freunde oder Feinde - Deutschland ist von der Linie abgewichen und muss nun dafür büßen. Schröder kann wohl nur hoffen, dass Bush sich in Prag dennoch versöhnlich zeigt, ein paar Worte mit ihm wechselt und der versprochene Händedruck nicht zu kurz ausfällt - denn die Begegnung wird kritisch beobachtet. Von Bush wieder ernst genommen zu werden, dürfte allerdings ein längerfristiges Vorhaben sein. Bündnistreue im Ernstfall könnte Bush die missglückte Rhetorik vergessen lassen.

Statt Liebesentzug und demonstrativem Übergehen des störrischen Bündnispartners würde ein persönliches Gespräch zwischen Bush und Schröder allerdings mehr dazu beitragen, Missverständnisse auszuräumen und die deutsch-amerikanischen Beziehungen aufzutauen. Aber Cowboys sind bekannterweise wortkarg.
 
aus der Diskussion: Schröder isoliert Deutschland weiter
Autor (Datum des Eintrages): konns  (20.11.02 16:58:27)
Beitrag: 24 von 26 (ID:7897739)
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