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denke mal, der artikel fehlt hier....


:eek:

Porsche-Chef Wiedeking „Dieses Gejammere ist Heuchelei“
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking ist denn auch zuversichtlich. Die massive Kritik an der rot-grünen Regierungspolitik teilt er jedenfalls nicht. Die Politik sei an der Misere Deutschlands nicht alleine schuld, schreibt Wiedeking in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, und greift auch Gewerkschaften und Unternehmer an.

Zehn Wochen ist es her, seit die rot-grüne Regierung ihren Wahlsieg eingefahren hat, und man wird den Eindruck nicht ganz los, daß sie noch immer überrascht ist. Auf eine neue Legislaturperiode vorbereitet war sie zumindest nicht wirklich. Anders ist nicht erklärbar, daß ihr die Veränderung ökonomischer Daten - noch während des Wahlkampfs - nicht aufgefallen sein sollte. Der Eindruck jedenfalls, der vermittelt wird, daß sich die Konjunktur erst nach dem 22. September 2002 verschlechtert habe, ist nicht sehr glaubwürdig. Die Zeichen standen auch vorher schon auf Sturm. Aber die Lösung aller Probleme liegt nicht allein im wirtschaftlichen Aufschwung. Zum ersten stellt der sich nicht auf Bestellung ein, zum zweiten ist die deutsche Volkswirtschaft zu eng mit den Volkswirtschaften anderer großer Wirtschaftsnationen verflochten. Läuft es dort nicht, dann läuft es auch bei uns nicht. Daß die amerikanische Wirtschaft stottert, ist kein Geheimnis, und daß es in Japan auch nicht zum besten bestellt ist, müßte schon länger als seit zehn Wochen bekannt sein.

Was die wiedergewählte Bundesregierung von Anfang an versäumt hat, war, die strukturellen Fragen anzugehen. Nach allem, was wir wissen, wird sich die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen von heute 82 Millionen auf 66 Millionen im Jahr 2040 verringern. Und während heute erst 25 Prozent aller Bundesbürger älter als 65 Jahre sind, werden es im Jahr 2040 gut die Hälfte sein. Was diese Entwicklung, die sich schleichend einstellt, für unser Renten- und Gesundheitssystem bedeutet, braucht nicht ausgeführt zu werden. Die Phantasie jedes einzelnen müßte ausreichen, um zu erkennen, daß es nicht damit getan ist, Beiträge und Beitragsbemessungsgrenzen zu erhöhen oder bestimmte Medikamente von der Verschreibungspflicht auszunehmen.

Oder um bei der aktuellen Kassensituation zu bleiben: Es ist kontraproduktiv, Haushaltslöcher, die ihre Ursache im wesentlichen in der schwierigen Konjunkturlage haben, durch zusätzliche steuerliche Belastungen zu stopfen. Weitere Belastungen der Unternehmen und Konsumenten treffen auch den Arbeitsmarkt. Und mehr Arbeitslose bedeuten mehr Sozialausgaben und weniger Steuereinnahmen. Das wahre Problem ist weniger, daß diese Tatsache den in der Politik Verantwortlichen nicht bewußt wäre. Es ist vielmehr die Mutlosigkeit, sich unbequemen Themen zu stellen. Und diese Haltung kommt nicht von ungefähr.

Wann immer eine Regierung, gleich welcher Couleur, Wohltaten streicht oder Steuern erhöht, heulen die Betroffenen auf. Zwar sehen viele die Notwendigkeit ein, verlangen Opfer aber immer bei den anderen. Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd andere an! Mit Ausnahme von BDI-Chef Michael Rogowski hat sich bisher kaum ein Verbandspräsident auch nur annähernd in die Lage der Regierung versetzt, wie sie ihre Probleme, die ja unsere sind, lösen soll. Wo sind die Entwürfe und Konzepte, die auch eigene Opferleistungen beinhalten? Von welchem Ärztefunktionär kommt eine Idee, wie das Gesundheitssystem reformiert werden kann, ohne daß am Ende Beitragssteigerungen stehen? Und welcher Automanager macht Vorschläge, die Opfer seines Unternehmens oder der Branche beinhalten?

Wo ist der Mut, selbst dann auf Subventionen zu verzichten, wenn sie einem zustehen? Da werden von Unternehmern steuerliche Mehrbelastungen beklagt, die einen Bruchteil dessen ausmachen, was man sich gerade aus dem Subventionstopf geholt hat, der auch nur aus Steuermitteln gefüllt wird. Lediglich Rogowski war es, der vorgeschlagen hat, alle Subventionen um zehn bis zwanzig Prozent zu kürzen. Immerhin ein diskussionsfähiger Vorschlag, an den sich seine Mitgliedsfirmen halten sollten. Überhaupt, die Steuern. Wer bezahlt noch entsprechend seiner wirtschaftlichen Leistungskraft? Man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen: Porsche ist der größte Steuerzahler Stuttgarts, einer Stadt, in der weitaus größere Unternehmen verschiedenster Branchen sitzen. Welche Konzerne zahlen denn in München noch Steuern? In Frankfurt? In Hamburg? Immer mehr fordern, nichts zur Lösung beitragen, und, wenn es eng wird, der Regierung drohen, die Produktion ins Ausland zu verlagern und ihr nur noch Flickwerk vorwerfen, das ist Heuchelei. Und die Gewerkschaften. Sich ausschließlich um diejenigen zu kümmern, die in Lohn und Brot stehen, ist egoistisch. Arbeit ist auch eine Preisfrage, das sollte sich bis zu den Vertretungen der Arbeitenden herumgesprochen haben. Was den Standort Deutschland wirklich bedroht, ist eine Anspruchshaltung derjenigen, die Konfliktpotential haben und dieses auch unverblümt einsetzen.

Deshalb ist die Frage schon falsch, ob diese Bundesregierung den Standort Deutschland gefährdet. Gefährdet wird er durch eine Haltung der Individualinteressen, die auf das Gesamtwohl keine Rücksicht mehr nimmt. Die Geldvernichtungsmaschine im Neuen Markt hat nicht Rot-Grün in Gang gesetzt. Es war der irrationale Glaube von Bankern und Börsenmanagern, daß der liebe Gott alle Menschen ohne Arbeit reich machen will. Der Spuk war beendet, noch bevor es der liebe Gott gemerkt hat. Nur um das Koordinatensystem wieder etwas zurechtzurücken: Diese Wertvernichtung und Jobvernichtung hätte keine Regierung, wie auch immer sie aussehen mag, geschafft. Es wird lange dauern, bis es in Deutschland wieder annähernd so etwas gibt wie eine Aktienkultur, die von den Gierigen am Börsenroulettetisch leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurde.

Was wir nicht brauchen, ist das Gejammere - von einer Reihe von Verbandsfunktionären, vielen Gewerkschaftlern, von erfolglosen Managern und ideologischen Hasardeuren, die nur ein Ziel haben, eine demokratisch gewählte Regierung unter permanentes Feuer zu nehmen. Damit will ich die Fehler und die Mutlosigkeit der Regierung nicht kleinreden. Aber das Bild, das wir uns selbst im Ausland malen, ist verheerend und keineswegs zielführend. Einen Standort kann man auch kaputtreden. Was wir heute brauchen, ist eine konstruktive Grundhaltung, die Probleme gemeinsam, das heißt über die Parteigrenzen hinweg, mit allen gesellschaftspolitischen Gruppen anzugehen. Deutschland ist stark genug, diese schwierige Phase zu meistern.

FAZ
 
aus der Diskussion: Rot-Grün: Stimmen aus dem Ausland
Autor (Datum des Eintrages): hanser  (07.12.02 12:04:53)
Beitrag: 5 von 36 (ID:8037853)
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