Fenster schließen  |  Fenster drucken

Unmittelbar vor dem EU-Gipfel in Kopenhagen hatte die Türkei abermals darauf gedrängt, ihren Beitritt zu konkretisieren. Ankara verlangt die Nennung eines festen Datums für den Beginn der entsprechenden Verhandlungen. Das Thema war auch Gegenstand eines Parteienzanks in der Bundesrepublik Deutschland. Kanzler Schröder bekundete zuletzt, man müsse der Türkei eine "europäische Perspektive" eröffnen.

Die "FAZ" hatte vorvergangene Woche vor "wirtschafts- und finanzpolitischen Konsequenzen dieses außen- und sicherheitspolitisch motivierten Abenteuers" gewarnt und legte jetzt nochmals nach: "Wer der Türkei jetzt ein Datum oder einen Zeitkorridor nennt, muss wissen, auf welche Bahn er sich begibt. An deren Ende steht die Enteuropäisierung der EU, ihre Identität würde zum beliebig interpretierbaren Konstrukt."

Was aus deutscher Sicht für einen EU-Beitritt Ankaras sprechen könnte, bleibt Schröders wohlbehütetes Geheimnis. Neue Berechnungen siedeln die Kosten für das Unternehmen "Türkei-Beitritt" zwischen 20 und 38 Milliarden Euro an. Und zwar Jahr für Jahr! Für EU Zahlmeister Deutschland ergäbe sich nach dem gegenwärtigen Beitragsschlüssel somit eine jährliche Mehrbelastung zwischen fünf und zehn Milliarden Euro. Das kann es doch wohl nicht sein! Erleben wir nicht gerade einen kollektiven Aufschrei angesichts des herrschenden Wirtschafts-Desasters? Und da sollen wir Milliardenbeträge ausgerechnet für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei aufbringen? Kennt der Wahnsinn denn keine Grenzen?

Dass ein Beitritt Ankaras der Bundesrepublik Deutschland wie auch Österreich zusätzliche Heerscharen von Ausländern bescheren würde, liegt auf der Hand. Allein die Osterweiterung der Europäischen Union wird bereits eine alljährliche Zuwanderung zwischen 750.000 und einer Million Fremden bringen, wovon mindestens die Hälfte auf den Arbeitsmarkt strebt. Nach einem türkischen EU-Beitritt stünde die Einwanderung weiterer Millionen nach Mitteleuropa bevor. Lässt sich Schröder wirklich davon blenden, dass bis zu 70 Prozent der hier lebenden Ausländer für seine Partei stimmen würden? Ist es der Drang nach Machterhalt, der die Bundesregierung zu solch einer Irrsinns-Politik veranlasst? Können sich Rote und Grüne wirklich nicht vorstellen, dass bei Überspannung des Bogens Türken mit eigenen Parteien auftreten und unsere Diätenkassierer aus Amt und Posten drängen würden? Nein, es bleibt ein Rätsel, was jene Herrschaften treibt, die eben noch geschworen haben, "Schaden vom deutschen Volk zu wenden".


Kein taugliches Argument

Mit keinem Argument ist ein türkischer EU-Beitritt zu rechtfertigen. Ankara ist meilenweit davon entfernt, europäische Standards im Bereich Demokratie und Menschenrechte zu erfüllen. Kein Land hat häufiger die Hilfe des Internationalen Währungsfonds in Anspruch nehmen müssen, was schon jetzt zu einer hoffnungslosen Verschuldung geführt hat. Wo liegen Staatsverschuldung (123 Prozent!) und Inflation (40 Prozent!) höher! Nirgendwo in Europa liegt das Pro-Kopf-Einkommen deutlicher unter EU-Schnitt als in der Türkei. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hinkt gar noch hinter Rumänien zurück. Das Erziehungswesen ist auf Entwicklungs-Standard, die Landwirtschaft, die jeden zweiten Erwerbstätigen beherbergt, ist schlicht unwirtschaftlich. Kaum ein halbes Prozent des Bruttoinlandsproduktes zieht die Türkei an ausländischen Direktinvestitionen an.

Und: Die Türkei ist geradezu vermint von Bürgerkriegs-Fallen. Soll der brandgefährliche Kurdenkonflikt wirklich "europäisiert" werden? Der EU-Beitritt der Türkei würde uns direkt in die gefährlichen Pulverfässer des Nahen Ostens, Kaukasiens und Mittelasiens drängen. Die EU wäre unmittelbarer Nachbar mutmaßlicher nächster US-Opfer. Wozu das alles? Warum? Der ehemalige französische Präsident Giscard d’Estaing befürchtet das "Ende der EU" und weist darauf hin, dass 95 Prozent der türkischen Bevölkerung auf asiatischem Gebiet leben würden. Nicht einmal geopolitisch hat Ankara also in der EU etwas verloren.

Das alles aber kann herrschende Politiker nicht überzeugen. Wie politische Selbstmordattentäter geht man gegen eigene Lebensinteressen vor. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls auf. Statt die EU-Aufnahme der Türkei voranzutreiben und vielleicht bald noch Israel mit offenen Armen zu empfangen, sollte man vielleicht eher zur Notbremse greifen und einen Austritt aus der EU zur öffentlichen Debatte stellen.
 
aus der Diskussion: Mehrheit der Deutschen gegen EU-Beitritt der Türkei - KEIN EUROPÄER WILL DAS!
Autor (Datum des Eintrages): KinskiKlaus  (12.12.02 23:38:30)
Beitrag: 81 von 92 (ID:8084744)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE