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Chefetage zieht Bilanz - Teil 2

`Wenn man verliert, hat man Stress`


FCB.de: Sie bezeichneten beide ihr Verhältnis zu Ottmar Hitzfeld als eher freundschaftlich. Wie stark wurde diese Freundschaft in diesen schwierigen Wochen strapaziert?

Rummenigge: „Es ist sicherlich nicht das typische Vorstand-Trainer-Verhältnis, wenn man viereinhalb Jahre zusammen arbeitet und große Erfolge gefeiert hat. Wir sind befreundet, wir duzen uns, trotzdem ist beidseitig ein sehr großer Respekt vorhanden, das ist das entscheidende. Wichtig ist, dass man ehrlich miteinander umgeht und kritische Ansätze intern löst, um Veränderungen herbei zu führen.“

Hoeneß: Ich kenne Ottmar Hitzfeld schon seit 1972, als wir zusammen in der Olympia-Auswahl gespielt haben. Insofern hat man eine große Offenheit. Wir haben hohen Respekt voreinander und wir wissen genau, was wir aneinander haben. Und dieses prima Verhältnis hat sich in der Krise bewährt. Er wusste immer, in allen Phasen, was wir denken und zu tun gedenken. Insofern konnte er sich in aller Ruhe auf seine Arbeit konzentrieren und musste nicht jeden Tag damit rechnen, dass wir irgendeine Panik-Reaktion machen.“

FCB.de: Wie sehr stört es Sie, wenn von außen versucht wird, Keile dazwischen zu treiben?

Hoeneß: „Das ist ja etwas, das man kennt. Demzufolge ist es für uns nichts ungewöhnliches. Das war jetzt von uns eine neue Variante, 14 Tage zu beobachten, wie die Journalisten ihre Storys selber schreiben müssen und nicht uns als Alibi für die ein oder andere Aussage benutzen können.“

Rummenigge: „Ärgern muss man sich, wenn wir verlieren, man darf aber nicht gleich die Nerven verlieren, wenn in der Öffentlichkeit Kritik geäußert wird. Man darf eines nicht vergessen: Der Uli macht diesen Job seit über 30 Jahren, erst als Spieler, dann als Manager und jetzt als stellvertretender Vorstandsvorsitzender, ich mache das jetzt auch schon seit über 28 Jahren. Da weiß man, wie die Mechanismen sind und da darf man sich auch nicht dadurch irritieren lassen.“

Hoeneß: „Wir arbeiten oft nach dem Motto ‚do the unexpected’, von daher weiß ich jetzt noch nicht, wie wir uns das nächste mal verhalten. Wir müssen ja immer etwas tun, wo wir nicht greifbar sind. Das werden wir von Fall zu Fall entscheiden. Besonders war vielleicht die Art und Weise, wie wir die Sache nach dem Champions League-Aus aufgearbeitet haben, indem wir nicht an die Medien berichtet haben, sondern versucht haben, die Dinge intern zu lösen. Ich glaube, das ist gut gelungen.“

FCB.de: Hitzfelds Vertrag läuft im Sommer 2004 aus. Gibt es schon erste Tendenzen bezüglich einer Vertragsverlängerung, einer neuen Aufgabe (Sportdirektor) oder gar eines möglichen Nachfolgers?

Rummenigge: „Wir haben ja noch über anderthalb Jahre Vertrag, das ist noch ein langer Rahmen. Wir werden uns sicherlich zum gegebenen Zeitpunkt hinsetzen und darüber sprechen, wie die Vorstellungen beidseitig aussehen. Was er vor hat, was wir vor haben. Ich glaube, das Entscheidende ist das Verhältnis, das wir untereinander haben, Und das ist funktionell, ehrlich und total fair. Wir müssen uns jetzt noch nicht hinsetzen und eine Entscheidung fällen. Das ist weder von ihm gewollt noch von uns.“

FCB.de: Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer. Sie kennen sich alle schon seit `Ewigkeiten`. Wie ist Ihr Verhältnis zueinander?

Rummenigge: „Es ist im Prinzip alles. Wenn man sich 30 Jahre kennt ist es natürlich weit mehr als nur kollegial. Ich bin mit Uli Hoeneß seit langer, langer Zeit befreundet. Zu Franz würde ich sagen, wir haben ein total freundschaftlich-professionelles Verhältnis zueinander. Wir haben zwar jetzt mit der FC Bayern AG eine andere Struktur, den e.V. gibt es ja weiter. Aber das Entscheidende ist, dass diese handelnden Personen weiterhin beim Klub vorhanden sind.
Für mich ist Franz Beckenbauer nicht nur die wichtigste Person beim FC Bayern, er ist die wichtigste Person im deutschen Fußball.“

Hoeneß: „Mit Karl-Heinz hatte ich immer eine sehr gute Freundschaft, und jetzt sind wir ja auch Kollegen hier im Vorstand. Mit Franz habe ich dagegen, im Gegensatz zu Karl-Heinz, nie privat verkehrt :eek:, aber ich hatte mit ihm immer ein sehr gutes Verhältnis mit hohem Respekt voreinander. Aber es war nie eine Kumpanei wie mit anderen. Demzufolge war die Zusammenarbeit im Präsidium und jetzt auch im Vorstand immer von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Ich glaube, das ist auch das Geheimnis des FC Bayern, dass wir uns zwar auch mal fetzen und anderer Meinung sind. Aber wenn wir aus der Tür rausgehen, dann sind wir einer Meinung.“

FCB.de: Sie beide sind seit weit über einem Vierteljahrhundert im Fußballgeschäft. Was hat sich in Ihren Augen in dieser Zeit am stärksten verändert?

Hoeneß: „Die Zahlen haben sich gewaltig verändert. als ich anfing, haben wir einen Umsatz von 12 Millionen Mark gemacht, davon waren 85 Prozent Zuschauereinnahmen. Jetzt machen wir 350 Millionen Umsatz (175 Euro, d. Red.) und es sind nur noch 18 Prozent Zuschauereinnahmen. Insofern hat sich das Kommerzielle total verändert. Damit einher geht aber auch das Negative, dass man weniger Zeit hat. Früher habe ich mal mitgekickt, tagsüber viel Zeit mit der Mannschaft verbracht. Aber wenn die Arbeit immer mehr wird, muss man das eben reduzieren, was ich sehr bedauere.“

Rummenigge: Überhaupt die wirtschaftliche Entwicklung im Fußball allgemein. Zu meiner Zeit hatte der Fußball gesellschaftlich schon einen hohen Stellenwert, aber das ist in den letzten neun Jahren explodiert. Heute ist Fußball nicht nur Sport, sondern „big business“. Das ist auf der einen Seite positiv, auf der anderen Seite ist hier der Fußball auch eine hohe Verpflichtung eingegangen.

FCB.de: Eine der größten Veränderungen ist sicherlich die Medienlandschaft. Wie beurteilen Sie dieses Phänomen und haben Sie sich damit abgefunden?

Hoeneß: „Die Wertigkeit, die der Fußball und speziell der FC Bayern in der Öffentlichkeit und in den Medien hat ist für mich manchmal pervers. Wenn eine Verletzung oder diese Auseinandersetzungen im Training in der Tagesschau kommen, oder wenn solche Bilder transportiert werden, dann ist für mich eine verkehrte Welt entstanden. Das hat es früher nie gegeben. Demnächst wird die Verletzung von Oliver Kahn noch vor dem Rücktritt von Herrn Berlusconi oder Putin kommen, das passt nicht in die Landschaft. Insofern müssen wir aufpassen, dass wir die Werte nicht in die falsche Rangordnung bringen.“

FCB.de: Ist es überhaupt möglich, das Rad zurück zu drehen?

Hoeneß: „Von unserer Seite aus nicht, da müssen meiner Meinung nach die Medien selber drauf kommen festzustellen, was den Bürger eigentlich interessiert und was für ihn wichtig ist. Ich bin ein großer Verfechter der Entwicklung der Wertegesellschaft, weg von der Spaßgesellschaft. Und wenn das passiert, dann wird sich die Rangfolge von wichtigen und unwichtigen Dingen wieder verändern.“

FCB.de: Was muss passieren, damit dies eintritt?

Hoeneß: „Das regelt wie immer im Leben der Bürger. Er kauft gewisse Zeitungen, die dem entsprechen, oder er kauft sie nicht. Und die Zeitungen, die nur unwichtiges, inhaltloses Zeug daher faseln und nur dem Voyeurismus bevorzugen, die werden meiner Meinung nach auf lange Sicht keinen großen Erfolg haben.“

FCB.de: Ihr Ansehen in der Öffentlichkeit ist ähnlich dem des FCB. Entweder Sie werden abgöttisch geliebt, oder abgrundtief gehasst. Wie gehen Sie damit um und was empfinden Sie, wenn Sie wie in Cottbus, Bremen oder Kaiserslautern den Innenraum eines Stadions betreten, und Ihnen der blanke Hass entgegen schlägt?

Hoeneß: „Zunächst einmal halte ich das Wort Hass im Zusammenhang mit Sport für sehr gefährlich. Ich kenne das Wort nicht, das gibt es in meinem Sprachgebrauch nicht. Und wir müssen aufpassen, ob wir diese Dinge, die über die Medien transportiert werden, nicht einfach nur schüren und das dann erst entsteht. Ich wüsste nicht, dass ich einem Bremer oder Cottbusser Zuschauer jemals etwas getan habe und glaube, dass es ein Teil der Medienarbeit in diesen Städten ist, dass so ein Bild entstanden ist. Ich meine, dass man sich die Leute so beurteilen lässt, wie ich ihnen mein Bild gebe. Wenn jemand bei mir ist und anschließend sagt ‚das ist ein Idiot oder ein arroganter Hund’, dann respektiere ich das. Aber wenn das jemand sagt, der mich im Leben nie gesehen und gehört hat, dann nehme ich es nicht für wichtig. Die meisten Leute die ‚Hoeneß du Arschloch’ rufen haben sich doch nie die Mühe gemacht, mich wirklich kennen zu lernen, sonst würden sie das wahrscheinlich nicht machen.“

Rummenigge: Von der Öffentlichkeit wird oft ein völlig falsches Bild über den Uli gezeichnet. Nicht nur dass er der Motor des FC Bayern ist, sondern für mich ist er einer der fairsten und sozialsten Menschen, die ich kenne. Man könnte dieses Bild vielleicht korrigieren, aber manchmal habe ich den Eindruck, dass er gar nicht so sehr daran interessiert ist, dies zu ändern. Es ist natürlich ein wunderbares Spiel in der Öfffentlichkeit, jetzt kommt Uli Hoeneß der ‚bad boy’. Ich könnte tausend Geschichten über den ‚good boy’ Uli Hoeneß erzählen.

FCB.de: Tut das dann weh, solche Rufe hören zu müssen?

Hoeneß: „Natürlich kann man sich dem nicht entziehen, das stinkt einem schon. Aber ich kann es nicht ändern. Ich habe aber im Vorfeld der Spiele auch nichts getan, dass es so ist. Also muss ich es so belassen. Ich persönlich verstehe aber nicht die Kollegen in den anderen Stadien, dass sie so etwas zulassen. Wenn einer meiner Kollegen hier in München so beschimpft werden würde, dann würde ich in die Kurve gehen und dazwischen hauen. Weil der Respekt vor dem anderen kommt mir da zu kurz.“

FCB.de: Wird so etwas durch den Faktor Neid bestärkt? Neid auf den Erfolg und den Status des FC Bayern?

Rummenigge: Wir teilen die Nation in zwei Teile. In diejenigen, die uns mögen und die, die uns nicht mögen. Fakt ist, dass wir seit über 25 Jahren in jedem Auswärtsspiel ein ausverkauftes Stadion haben. Natürlich aus einem Grund, man will uns verlieren sehen. Das nimmt man sehr gerne in Kauf und es ist immer wieder schön, wenn wir dann doch gewinnen.

Hoeneß: „Es glaubt ja immer jeder, dass wir alles erkaufen und das ist einfach Blödsinn. Viele respektieren einfach nicht, dass wir durch harte Arbeit, gute Ideen, viel Charisma und viel Engagement einen Verein gebastelt haben, wie es ihn in Deutschland, vielleicht in Europa, kaum einen zweiten gibt. Und die meinen alle, dass wir das alles mit Geld gemacht haben. Als ich hier angefangen habe, hatte der FC Bayern sieben Millionen Mark Schulden und keine Mannschaft. Und heute sieht es etwas anders aus. Es war ja nicht so, dass in Deutschland eine Chancenungleichheit war. Es gab in Düsseldorf, Frankfurt oder Köln auch große Stadien, das größte in Berlin. Und wo sind die Vereine heute? Also die Voraussetzungen waren in München nicht besser, als sie in Berlin, Frankfurt, Köln oder Düsseldorf waren. Nur, die handelnden Personen haben mehr daraus gemacht.“

FCB.de: Fußball lebt ja von seinen Emotionen. Sind Sie froh, dass Sie diese Emotionalität beibehalten haben?

Hoeneß: „Wenn Sie mich seit Jahren beobachten gebe ich keinem Menschen Anlass, um sich über mein Verhalten im negativen Sinne zu beschweren. Ich kritisiere nie einen Schiedsrichter oder Linienrichter. Ich bin ein einziges Mal ausgeflippt in Kaiserslautern, als ich dem Andi Brehme ganz klar gesagt habe, was ich von seinem Verhalten an der Bande halte. Das ist nämlich Aufhetzen der Fans gegen Schiedsrichter und gegnerische Mannschaft und das führt irgendwann zum Chaos. Das habe ich ihm in aller Deutlichkeit gesagt und da bin ich der Meinung, dass das durchaus berechtigt war. An dem Tag, an dem ich sie nicht mehr habe, höre ich sofort auf. Weil ich dann keinen Spaß mehr habe.“

Rummenigge:Ich habe immer geschmunzelt, wenn die Formel 1 so als DAS herausragende sportliche Ereignis dargestellt wurde. Ich habe den Leuten immer gesagt, geht mal zu einem Champions League-Endspiel oder zu einem WM-Finale, dann wisst ihr was Emotion heißt.“

FCB.de: Herr Hoeneß, Sie sitzen während der Spiele immer auf der Bank. Gibt es auch Momente, in denen Sie Ottmar Hitzfeld mal beiseite nehmen und versuchen auf die Mannschaft einzuwirken?

Hoeneß: „Bei Spielen mache ich Grundsätzlich gar nichts. Das ist überhaupt nicht meine Aufgabe, weil ich dadurch die Autorität des Trainers untergraben würde. Das wäre der größte Fehler. Ich bin da stiller Beobachter. Wenn Ottmar Hitzfeld eine Meinung hören will, dann gebe ich sie ihm. Aber ich würde nie von mir aus etwas sagen. Auch in der Kabine habe ich noch nie ein Wort gesagt. Wenn es mal nicht so läuft, ergreife ich bei der Mannschaftssitzung im Hotel oder im Trainingslager schon mal das Wort, das ist völlig legitim. Aber am Spieltag selbst ist es nicht meine Aufgabe.“

Rummenigge: Trotzdem ist es wichtig, dass Uli dort sitzt. Eine seiner wichtigsten Aufgaben beim FC Bayern ist ja auch die Mannschaftsbetreuung mit allem was dazu gehört. Ich habe es ja selber als Spieler erlebt. Als Uli 1979 Manager wurde, habe ich ja noch fünf Jahre lang gespielt und er war sozusagen mein Manager. Er kann schon auf ein Spiel positiv einwirken. Ich gebe nur ein Beispiel. Wir hatten ein Europapokalspiel bei Torpedo Moskau. Auf einmal ging das Licht aus. Laut UEFA-Statuten hätten wir am nächsten Tag noch mal spielen müssen. Aber zu diesem Zeitpunkt stand es schon 3:0 für uns. Das Hinspiel hatten wir in München 0:1 verloren. Dann kannst du als Uli Hoeneß, mit der Reputation, die er hat, bei der UEFA und bei den Russen Druck machen. Plötzlich ging auf kuriose Weise das Licht wieder an.


bon fin de semana...bd
 
aus der Diskussion: FC BAYERN MÜNCHEN - Saison 2002/2003
Autor (Datum des Eintrages): bonDiacomova  (28.12.02 08:29:44)
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